[351] 40. Lob der zu Zeiten angenehmen Einsamkeit

1.
Ach Einsamkeit / mein einigs Leben /
du vielbeliebte Sinnen-Ruh!
wie spricht der Geist so lieblich zu!
es kan sich ungescheut erheben
zu ihme die verlangens-Krafft /
und nehmen seinen edlen Safft!
2.
O Herz-erlesne liebe Stille!
man hört in dir des Himmels Wort;
die Seuffzer gehen richtig fort;
man siht des Höchsten Ziel und Wille /
du ungetrübter klarer Bach /
zeigst mir die reine Gottes-Sach.
3.
Du bist der rechte Wunder-Schatten /
wann Weißheit-Sonn' in uns eingeht.
In dir der geistig Geist versteht
die unerforschbarn Gottes-Thaten.
In deinem Dunkel / komt herfür
die Strahlenreiche Sternen-Zier!
[352] 4.
Verhinderung der Hindernüssen /
Ausschlüssung aller Widrigkeit!
der Tugend einig-eigne Zeit /
in der wir ihre Lust geniessen /
da uns der Welt Gerümpel nicht
die süss' Ergetzung unterbricht!
5.
Du offnes Feld des süssen Wesen /
der Erzgab von des höchsten Hand /
der Freyheit / die ohn' alle Band
in dir / weil du sie aufzulösen
begunst durch deine Eygenschafft /
die nit mit Forcht und Scheu behafft.
6.
Ununterbrochnes munders schlaffen /
du kurzes Bild der Ewigkeit /
von allem Streit befreyt und weit!
du Hönig-König / sonder Waffen /
schwingst dich in Gottes Blumen hin /
und bringest süssen Safft Gewinn.
7.
Du allerschönste Perlen-Mutter /
die Geistes-Thau in dir erzeugt /
und Weißheit selber in dir säugt!
in dir bleibt Tugend also guter;
[353]
kein Boßheit-Salz kommt nicht in dich /
du bleibst süß-lieblich ewiglich.
8.
Der Erzgefangenen du giebest /
der Heimlichkeit / den Freyheitstand /
du lösest das Verschweigungs-Band:
so äusserst du das Wolthun liebest.
Kurz! edler lieber Ruhe-Schatz!
in dir hat Herz und Freyheit Platz.

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