Zweite Szene
Das deutsche Lager auf den roncalischen Gefilden. Viele Zelte, und unter ihnen mitten im Hintergrunde, die kaiserliche Pfalz, mit Seide und Purpur ausgeschmückt. Vor ihr, am hohen Pfahl der Reichsschild. Überall Wachen, besonders um den Reichsschild und die Pfalz.
Landolph und Wilhelm kommen.
WILHELM.
Die Freude lacht dir ja aus dem Gesicht.
LANDOLPH.
Ich habe endlich ein bißchen Hafer für die Liese aufgetrieben, und sie knuspert darin, daß sich das Herz umkehrt vor Vergnügen.
WILHELM.
Ja, es geht nichts über das Knuspern von so einem Pferde. Ohne das kann ich nicht schlafen. – Wie gehts deinem eignen Magen? Ich hungre verflucht.
[12]LANDOLPH.
Mein Magen ist leer, wie die Welt vor ihrer Erschaffung. Aber die Liese tut sich doch einmal gütlich!
WILHELM.
Das Wälschland ist ein miserables Land. War ich der Kaiser, ich nähms nicht, und schenkte man es mir.
LANDOLPH.
Hör Wilhelm, dem Herzoge sind die Heer- und Querzüge auch nicht recht. Seine Faust und seine Stirn sind seit ein paar Tagen immerge ballt und gefaltet, wie Wetterwolken, die zusammenziehn, bevor sie sich entladen. Und das Löwenfell hängt ihm schief um die Schulter – Das Fell ist meine Windfahne – Es stürmt ihn wieder nach Norden.
WILHELM.
Hier ists auch allzu schlecht. Der Schinken –
LANDOLPH.
Da sprichst du wahr – Der Schinken ist niederträchtig! Schweinezucht kennt das Volk gar nicht. Was es da fette Schweine heißt, sind das nicht Tiere, wie zwei zusammengenagelte Bretter, worauf statt der Haare noch die Sägespäne sitzen? Beim Geier, ich glaube, sie füttern die Säue mit ihren albernen Oliven! – – Wilhelm, bei uns an der Weser, da sind doch noch Säue zu Haus! Wetter, welches Vieh läuft da auf allen Straßen!
WILHELM.
Die Schinken! Die Schinken! Setzen sie mir da neulich bei Como ein Ding vor, so zähe – ich meinte es wäre Sohlenleder. Man konnte Riemen daraus schneiden, und Simson damit binden. Kein Fett, keine Farbe. Zuletzt spür ich, es soll was zu essen sein. Ich beiße zu! Donner, wie wurden mir die Zähne ausgebissen! – Das nannten sie Schinken! – Den Augenblick schärft ich meine Lanze, um sie in der Schlacht jedem Italiäner desto tiefer in die Brust zu jagen.
LANDOLPH.
Und, Wilhelm, welch ein Gemüse! Savoyerkohl und Fleisch mit Sirup und Rosinen! – Linsen, Erbsen, große Bohnen und ein Stück Speck dazu, – das macht Westfalen und schafft Fäuste, fest und gewaltig wie meine und deine.
Er drückt Wilhelm die Hand.
GISO
kommt.
Na, Sachsen, was räsonniert ihr denn da?
LANDOLPH.
Nenn uns lieber Westfalen. Da an der Elbe, bei Wittenberg und Meißen, sind so ein paar Herren aus unserm eigentlichen Sachsen hingezogen, haben richtig da etwas unterm Heidenvolk erobert und ihre neuen Untertanen nennen sie schon Sachsen, oder gar Obersachsen – Nun, sind wir niedere Sachsen,
[13] Höhnisch.
so möcht ich denn doch einmal die oberen sehen!
WILHELM.
Was für ein Jammerland ist Italien!
GISO.
Gott straf mich! Es hat kein Bier von Nürnberg!
WILHELM.
Und keine Gose vom Harze.
LANDOLPH.
Baier, ich kriege Heimweh, seh ich die wälschen Gesichter und Figuren. Wo ist der Kerl, der eine breite Brust hätte wie du? Wo einer, der mir bis an die Schulter ginge? Und die schändlichen schwärzlichen Fratzen mit den Katzenaugen! Ich schwöre, es sind nichts als Juden!
WILHELM.
Und welche Sprache, Landolph! – Kann man die Schurken verstehen? – Ist das deutsch?
GISO.
's ist kauderwälsch, Westfale!
LANDOLPH.
– Da kommen die lustigen Schwaben – geraubte Hühner in der Hand – Die Kerle können tanzen und stehen doch auf italiänischer Erde!
ULRICH UND RUDOLPH
auftretend.
Trallala!
Die Hühner gefangen!
Mailänder gehangen!
Hoch lebe der Kaiser!
ALLE.
Er lebe hoch!
LANDOLPH.
Und mit ihm Braunschweigs Löwe!
ALLE.
Hoch Braunschweigs Löwe!
ULRICH.
Brüderschaft, Kameraden. – Da, wir haben Hühner – Jeder eins – Nehmt hin – Wir kommen grad aus!
WILHELM.
Danke – der Hahn ist so übel nicht. Will ihm gleich den Kopf umdrehen, so läßt er das Sträuben und Wegfliegen.
RUDOLPH.
Und seht ihr dort die Pfalz? Ein hübsches Zeltchen! Der Kaiser naht! Geld und Fourage mit ihm, Hüll und Fülle! Noch heut ist Heerschau! Dann gegen Mailand! – Wißt ihr noch, vor sieben Jahren?
WILHELM.
Da gings in Mailand lustig zu!
GISO.
Du saßest auf dem Markt, und lachtest unermeßlich.
WILHELM.
Es war zu arg: wie stürzten die Giebel, wie fingen die Wetterhähne auf den Türmen zu fliegen an!
LANDOLPH.
Ambrosius! Jesus! Herr Gott! schrie das Volk.
GISO.
Der Wein stieg aber aus den Kellern auf die Gasse!
ULRICH.
Und wie wir auch wüteten, der Kaiser verzog nicht die Miene.
[14]RUDOLPH.
Er strafte nur Empörer!
ULRICH.
Mitsamt den Häusern brannte auch die Unschuld der mailändischen Mädchen auf.
WILHELM.
Ihr Leben hinterdrein!
LANDOLPH.
Wenn wir jetzt wieder dahin kommen, finden wir kein Mailand mehr. Nur Ruine. Zu schlimm gings dort her.
ULRICH.
Ei, die großmütige Seele ärgert sich, daß sie künftig in Mailand weniger zu plündern findet, als früher! – He, Freund! weiß er noch, wie er damals mit seinen ellenlangen Fingern einen mailändischen Knirps, mit rotem Doktorhut, einfing, ihn mit dem Kleide auf seinem Speer befestigte, und ihn herumtrug und quälte, daß er ihm die reichsten Häuser mit den meisten Schätzen zeige?
LANDOLPH.
Warum sollt ich das nicht tun? Der Kaiser hatte Plündrung erlaubt. – Was ich eroberte, war Gottes Segen. – Übrigens bracht ich den Knirps in eine Apotheke und traktierte ihn darin.
ULRICH.
Ja, mit Pillen, Mixturen, Brechmitteln, bis er den Geist aufgab.
LANDOLPH.
O, ich gab ihm doch was! Es waren teure Sachen. Er wehrte sich verwünscht, aber ich beschenkte den Buben doch!
GISO.
Zurück! Da kommt jemand. – Es muß ein Großer sein. – Die Wachen salutieren bis auf den Grund!
LANDOLPH.
Es ist unser und euer Herzog, Baier!
GISO.
Wahrlich, er nennt sich der Löwe, und er ist es. – Auf dem letzten Kreuzzuge, wo es uns so übel ging, im syrischen Sande, lag ein Löwe in der Sonne: ernst, die Augen offen, zwei Spiegel der Wüste, unregsam, und doch zum Sprunge bereit. – Seh ich den Herzog, fällt mir stets das edle Tier ein!
ULRICH.
Aber die Sonne, Baier, die den braunen Löwen beschien, sah unserm Kaiser gleich, mit dem blonden Haar und der freien Stirne, hoch über der Welt dahinwandelnd!
LANDOLPH.
Löwe und Kaiser! Betet, daß sie stets Freunde bleiben wie jetzt!
RUDOLPH.
– Woher hat er den Namen Löwe?
LANDOLPH.
Kennst du einen Lindwurm?
RUDOLPH.
Nein.
LANDOLPH.
So kennst du nichts. Stell dir einen Kelleresel vor [15] mit fünfzig Füßen, aber millionenmal größer. So ein Tier hatte einen Löwen umklammert, daß er heulte wie ein Hund. Der Herzog sah es, und rettete den Leuen durch einen Schwertstreich. Dafür folgte der Löwe dem Herzog nach bis an das Meer von Askalon – da ertrank er, als sie ihn auf das Schiff nicht mitnehmen konnten – doch dem Herzoge blieb der Name und die Macht!
WILHELM.
Auf die Seite – der Löwe geht vorbei!
LANDOLPH.
Wolkenschwer, wie ein Sturm!
Sie treten zurück.
HEINRICH DER LÖWE
tritt auf, für sich.
Das nimmt kein Ende! Grundlos dämmert es
In seinem Auge, nie wird es gesättigt!
Hoch über Mailands Trümmer, Romas Kuppeln weg,
Bis zu des Ätna Flammenhöhn, bis zu
Den Pyramiden und Jerusalem
Schweift schon sein Blick, – und Ich, der Löwe, soll
Als Hund ihn stets begleiten? Ward
Ich nicht zu groß dazu?
Ich wards.
Halb Deutschland,
Der starke Baier, der gigantsche Sachse,
Folgt meinem Ruf! Der Wend und Pole schaudern
Bei meines Namens Schall. Weithin am Nordmeer
Und an der Ostsee dehnt mein Reich sich aus,
Und als mein Tor verschließt, wenn ichs gebiete,
Den stürmschen Belt der Dänenkönig –
– Dort muß ich herrschen, Fürst des Nordens, und
Dadurch vielleicht der Welt! – Doch hier im Süden
Für Friedrich meiner Völker Blut vergeuden –
Ohnmächtig macht es mich, den Kaiser machts
Nicht größer – Rom erdrücken, heißt den Mond
Vom Himmel reißen wollen!
Seh ichs endlich?
Und strahlt er wieder wild in Mitternacht,
Der Stern der Welfen? – – – Er ist ein anderer
Als der von Waiblingen! Sie stiegen beide
In fabelhafter Vorzeit Dämmerung,
Mit wundervollem Glanz aus Deutschlands Boden,
Und stiegen immerdar, Jahrhunderte
Hindurch, bis zu des Äthers letzten Gipfeln,
[16] Ein zweites Paar der Dioskuren –
– Nun nahen sie im Scheitelpunkt zusammen,
Und Einer muß sich beugen, oder muß
Erlöschen, oder beide müssen sich
Zerstören! –
– Deinen Sturm spür ich, Geschick!
Er weht durch Friedrichs und durch mein Geschlecht!
Wie zwei Kometen treibt er unausweichlich
Einander uns entgegen, jeder flammend
Von Wetterstrahlen und Vulkanen –
Weh,
Mir grausets! Denn der Gegner ist mein Freund,
Ist aller Männer Herrlichster! Weit schöner
Als seines Diadems Juwelen, leuchten
Um seine Stirn die Kraft, der Hochsinn und die Anmut!
Es pocht das Herz mir in der Brust, wenn ich
Ihn sehe, und sie tut sich auf, wie ein
Triumphtor, um ihn zu empfangen! Auch
Die seine schlug schon laut an meiner!
– Stimme
Der Freundschaft, töne! töne! Übertön
Der Ostsee und des Nordmeers Brausen, das
Hoch über Deutschlands Gau'n und Alpen dringend,
Den Sachsenherzog ruft und mahnt nach Norden! –
– Ha, naht er da? Ich muß ihn grüßen!
Ab.
WILHELM.
Landolph, Landolph, ich sah im Auge des Herzogs eine Träne! Tod dem, der sie ihm ge macht hat!
LANDOLPH.
Weint der Herzog, so hängen über dem Harze Gewitter!
ULRICH.
Und lächelt der Kaiser, so tanzt der Neckar noch einmal so munter, und küßt jeder Schwabe sein Mädchen noch einmal so herzlich!
WILHELM.
Der Kaiser kommt! Der große Zug! Vorn das Reichspanier, die beiden krummnasigen Könige von Böhmen und Polen tragen das Schwert und den Szepter – links dem Kaiser der Löwe, rechts der junge Prinz!
Großer Kriegsmarsch.
O welche herrliche Musik!
GISO, ULRICH UND RUDOLPH. Fort! wir müssen zu unseren Fahnen.
LANDOLPH.
Wilhelm und ich sind Leibtrabanten des Herzogs, und bleiben hier bei ihm.
[17] Giso, Ulrich und Rudolph ab.
Großer Zug. – Reichsherolde voraus, vier von ihnen treten um den Reichsschild. Dann mit der Reichsfahne der Pfalzgraf Otto von Wittelsbach. Vor dem Kaiser der König von Böhmen mit dem Szepter, der König von Polen mit dem Schwert. Der Kaiser selbst. Um ihn der Erzherzog von Österreich, der Burggraf Hohenzollern, der Graf von Tirol und viele andere Fürsten und Ritter. Lanzknechte
umschließen den Zug in einem weiten Ringe.
OTTO VON WITTELSBACH
rechts vom Reichsschilde, auf der andern Seite der Bühne, die Reichsfahne mit dem Doppeladler aufrollend und aufpflanzend.
Entfalte rauschend deine seidnen Schwingen,
Du römischer, du kaiserlicher Aar, und flieg
Auf tausendjährger Siegsbahn weit und weiter,
Bis an den Saum der Welt – Der Wittelsbacher
Stürmt ewig nach dem Winke deiner Flügel!
WILHELM.
Landolph – mir wirds kurios – die Fahne rauscht
Wie'n scharfes Eisen mir durch Mark und Bein –
's ist nur ein Fetzen Seide und ich könnte
Doch für ihn sterben!
LANDOLPH.
Wilhelm, auch die Banner
Der Welfen rauschen schön und prächtig!
KAISER FRIEDRICH.
In diesem Feldzug schlaf ich heute nacht
Das erste Mal dort in der Pfalz auf dem
Roncalschen Feld. Herolde an eur Amt
Und übt uralten Brauch!
Drei starke Trompetenstöße. – Dann.
EINER DER VIER UM DEN REICHSSCHILD STEHENDEN REICHSHEROLDE.
Der Kaiser schläft
Heut nacht in seiner Pfalz zum ersten Mal
Auf dem roncalschen Feld!
Mit dem Stabe an den Reichsschild schlagend.
Es tönt der Heerschild! –
– Bei seinem Klange rufen wir des Reichs
Unmittelbare Lehensträger auf, gerüstet
Hier zu erscheinen, und des Kaisers Schlaf
Gezückten Schwerts persönlich zu bewachen!
Den Säumigen trifft Acht und Tod!
[18]KAISER FRIEDRICH.
DER REICHSHEROLD.
Herzog Baierns und von Sachsen!
HEINRICH DER LÖWE
tritt vor.
Mit allen seinen Kriegern ist er da!
KAISER FRIEDRICH.
Heinrich, mein Löwe!
HEINRICH DER LÖWE.
Kaiser du, und Freund!
KAISER FRIEDRICH.
Ich werd
Es ewig dir gedenken, wie du rascher
Und mächtiger als alle, meinem Wort
Gefolgt bist. Halb mein Heer besteht
Aus deinen Scharen. Sie
Erkennt der erste Blick: die Baiern dort,
Stark, fest und treu, wie Landshuts Mauern –
Und dort die Niedersachsen, riesig
Und herrlich, wie die Föhren, die den Harz
Umsausen! Stolzer und gewaltiger
Als jedem andern Könige der Erde, schlägt
Die Brust dem deutschen Kaiser, sieht er Mannen
Wie diese! Wer kann sie bezwingen?
HEINRICH DER LÖWE.
Kaiser,
Mein Kaiser – Sachsen gabst du mir und Baiern –
Ich dank es dir – jedoch ich furcht, ich fürchte,
Du machtest mich zu groß!
KAISER FRIEDRICH.
Zu groß? – Mein Heinrich,
Ich kann dich nicht verstehn und will es nicht! –
– Doch hör: – nichts ist zu groß dem Hohenstaufen,
Am wenigsten der Freund!
PRINZ HEINRICH.
Herr Herzog, fürchtet
Euch selbst vor Eurer Größe, drückt sie Euch
So schwer! – Wir scheun sie nicht, uns scheint sie klein
Genug!
KAISER FRIEDRICH.
Sohn,
Welch Wort in deinem siebzehnjährgen Munde?
HEINRICH DER LÖWE
für sich.
– Ha! regt es sich auch schon in dem? – Das war
Der Geist der Hohenstaufen! – Er scheint erblich
Wie ihre Kronen! Doch der Welfen Sinn
Erschreckte auch oft schon am Kind der Wiege!
Den kecken Knaben da möcht ich zerreißen!
Ich muß mich bändigen mit aller Kraft!
[19]KAISER FRIEDRICH.
Sohn, sei du stolz, wie nur ein Gott es sein kann,
Allein dann streb auch unverdrossen, daß
Dein Wert dem Stolze gleich sei, und du wirst
Titanengroß!
HEINRICH DER LÖWE.
Hört die waiblingische Erziehung!
PRINZ HEINRICH.
Wenn an der Größe auch, am Streben solls
Nicht mangeln!
KAISER FRIEDRICH.
Weiter ruft, Herolde!
DER REICHSHEROLD.
Der
Erzherzog Österreichs!
DER ERZHERZOG VON ÖSTERREICH
tritt vor.
Er grüßt den Kaiser!
KAISER FRIEDRICH.
Du heißt des Reiches »Herz und Schild« und bist
Ein kräftges Herz, ein starker Schild! Der Magyar,
So wild er vorwärts drang, steht er dir still,
Und an Wiens Mauern wird noch manches Schwert
Zersplittern!
ERZHERZOG VON ÖSTERREICH.
Slav und Ungar drohn mir stets
Im Norden und im Osten. Drum verzeih,
Wenn ich mit schwacher Heersmacht nur dir nahe!
KAISER FRIEDRICH.
Du selbst bist hier, und das ist mir genug!
DER REICHSHEROLD.
Der Graf Tirols!
GRAF VON TIROL
tritt vor.
Der Graf Tirols ist da!
KAISER FRIEDRICH.
Ah, mein Geleiter durch der Berge Pässe,
Der Schlüsselwahrer von Italien!
DER REICHSHEROLD.
Herzog von Zähringen!
KAISER FRIEDRICH.
Wie? keine Antwort?
DER REICHSHEROLD.
Herzog von Zähringen!
KAISER FRIEDRICH.
– Das ist empörend! –
Nah liegen Zähringens Besitzungen!
Der Herzog konnte hier sein und er muß
Hier sein! Da waltet Tücke oder Trotz,
Zwei Drachen, die ich zu zertreten weiß!
– Zum letzten Male ladet den Zähringer!
DER REICHSHEROLD.
Herzog von Zähringen!
[20] Pause.
KAISER FRIEDRICH.
Er fehlt! – Ich werf
Ihn in die Acht des Reichs! – Du Österreich
Und du, Tirol, vollstreckt sie! Seine Lande
Verfallen euch und seinen Nachbarn! Wie
Ein Märchen solls in Zukunft tönen,
Wenn man erzählt, daß einst vom Quell des Rheins
Bis zu dem Schwarzwald, von Tirols Gebirg
Bis zu Genevas See, vor welchem sich
Der Montblanc schmückt und spiegelt, Zähringen
Geherrscht hat, und sein Name Feldgeschrei
Gewesen!
DER REICHSHEROLD.
Der Graf von Burgund!
KAISER FRIEDRICH.
Gegen Frankreich
Steht er auf Wacht, und ist entschuldigt.
DER REICHSHEROLD.
KAISER FRIEDRICH.
Ist befreit aus gleicher Ursach!
– Nicht weiter ruft. Für Franken und für Schwaben
Bin ich hier selbst, und alle die noch fehlen,
Aus Flandern, Niederland, aus Trier, Köln,
Rechtfertigt ihres Weges Weite. Der
Erzbischof Christian von Mainz ist aber,
Anstatt zu zögern, uns vorausgeeilt,
Und lagert vor Ankona. Er hat schon
Befehl, sich mit dem Hauptheer zu vereinen.
Die Könige von Polen und von Böhmen
Seh ich zu meiner Freude ihren Dienst
In meiner Näh verwalten, und mein Nachbar,
Der lebensmutge Hohenzollern, schaut
Mit hellem Auge über meine Schulter!
HOHENZOLLERN.
Ich schaue nach dem Glänze, welcher mir
Entgegenschimmert, wenn ich deinen Blick
Verfolge: Deutschlands Ruhm und Ehr und Größe!
KAISER FRIEDRICH.
Was sind Italiens tote Götterbilder!
In Deutschland blüht ein Wald unsterblicher
Geschlechter! –
– Ist die Lombardei, ist Mailand
Vor mein Gericht gefodert?
DER REICHSHEROLD.
Schon dreimal!
[21]KAISER FRIEDRICH.
O, meine Gnade ist ganz unermeßlich!
Weh allen, die ihr Lächeln nicht beachten!
Ihr Zwillingslöwe ist mein Zorn – Herolde!
Noch einmal ladet die Lombarden!
DER REICHSHEROLD.
Lombarden!
Mailänder! Euer Kaiser ruft
Euch vor Gericht! Erscheint! Er ruft nicht wieder!
KAISER FRIEDRICH.
Sie bleiben aus! Sie sind geächtet! Eltern
Und Kinder, Haus und Hof, und Hab und Gut,
Nichts wird geschont! – Hier liegt
Mein Fehdehandschuh! Wer erhebt ihn?
HEINRICH DER LÖWE.
Halt,
Mein Kaiser, gnädig! Schone und bedenke!
KAISER FRIEDRICH.
Bedenken? Wo's Verräter gibt zu strafen?
Streck deine Hand zum Himmel, wehr dem Blitz,
Wenn er zornleuchtend hinzuckt durch das Dunkel!
EIN HAUPTMANN DES KAISERLICHEN HEERS
tritt auf.
Von Rom und Mailand reiten Abgesandte
Ins Lager.
KAISER FRIEDRICH.
Mailand kommt zu spät!
HEINRICH DER LÖWE.
Nicht doch!
Sie werden Reue fühlen.
KAISER FRIEDRICH.
Gut ist das
Für ihr Gewissen, – doch mein Wort verwandelt
Deshalb sich nicht!
HEINRICH DER LÖWE.
Groß ist Lombardiens Macht!
KAISER FRIEDRICH.
Wenn ich Verrätern gegenüberstehe,
So seh ich ihre Schuld, nicht ihre Stärke!
EIN REICHSHEROLD.
Da sind die Abgeordneten!
Der Kardinal Ugolini und drei lombardische Abgesandte treten ein.
KAISER FRIEDRICH
zu den Lombarden.
EINER DER LOMBARDEN.
Hoher Herr, mailändsche Bürger,
Und flehn –
KAISER FRIEDRICH.
Hinweg! greift und enthauptet
Sie auf der Stelle!
[22]HEINRICH DER LÖWE.
Hemm den Blutbefehl
Um meinetwillen!
DER KARDINAL.
Und dich warnet Roma!
KAISER FRIEDRICH.
Ha, Rom! O könnten Waffen es bezwingen!
Ein Heer tobt in mir auf bei seinem Namen!
– Enthauptet sie! das ist die einzge Sprache
Des Kaisers zu Empörern!
WILHELM
vortretend.
Wird das Volk
Einmal geköpft, Herr, so laßt mich es tun!
HEINRICH DER LÖWE.
Wie Wilhelm? willst du Henker sein?
WILHELM.
Bewahre!
Den schlechten Schinken, Herzog, möcht ich ihnen
Eintränken!
LANDOLPH
zu Wilhelm tretend.
Ja, Herzog, es sind Schufte,
Nicht wert, sie zu bekämpfen!
HEINRICH DER LÖWE
für sich.
Dunkle Ahnung
Spricht aus diesen Männern – Was sie fühlen
Bei ihnen ungewohnter Speise, seh
Ich klar: dem Sachsen ist es fremd und nutzlos,
Um dies Italien zu kämpfen!
KAISER FRIEDRICH.
EINER DER LOMBARDEN.
Tiger und Barbar! Du mordest
Zwölf Kindern ihre Väter! Du verhöhnst
Das Recht der Völker! Würg und säe Blut!
Es zeitigt nur die Rache! Weh dir, Wütrich,
Schon Hegst du in dem Netze des Verderbens –
Unzählig zürnt schon der Lombarden Heer
Dir bei Legnano, und viel Tausende
Drohn schon in deinem Rücken!
KAISER FRIEDRICH.
Weg!
Wilhelm und andere Reisige mit den lombardischen Abgeordneten ab.
Wenn wir
Im Netze lägen, hätten wir doch Leu'n,
Die es zerreißen hülfen!
HEINRICH DER LÖWE
für sich.
Dir, Waiblinger,
[23] Ist selbst das Weltrund eng, und scheint dir bloß
Ein Netz! Schwerlich hilft der Löwe immer!
KARDINAL.
Ich tue Einspruch, Kaiser, wider dein
Verfahren!
KAISER FRIEDRICH.
Einspruch? Rom? Ich weiß es, ihr
Sprecht ein, auch wo es euch geziemt, zu schweigen!
– Was wünscht der heilge Vater, Kardinal?
KARDINAL.
Er will, daß du dich fügst, daß du die Stimme
Der Mutter, deiner Kirche hörst: gib Freiheit
Der Lombardei, gib dem Statthalter Christi
Zurück, was du ihm nahmst: Mathildens Güter, –
Den durch dich abgesetzten Geistlichen
Gib ihre Stellen wieder, und erkenne
Den Papst als Oberlehnsherrn!
OTTO VON WITTELSBACH.
Was?
Ich weiß nicht, zuckt die Hand mir, oder braust
Des Reiches Aar vor Zorn so auf, daß er
Erzittert? Papst? Des Kaisers Lehnsherr?
PRINZ HEINRICH.
Vater,
Entsetzlich sind des Kardinales Forderungen!
Es wär Ein Schlag: mit den Lombarden laß
Das Haupt vom Rumpf ihm nehmen!
HEINRICH DER LÖWE
zum Kardinal.
Freund,
Dir wäre Mäßigung recht not!
KARDINAL.
Mich mäßigen?
Warum? Ich habe recht! Wer ist der Größere,
Der Kaiser oder Gott? Und ist der Papst
Nicht Gottes Stellvertreter auf der Erde?
Die Hoheit all, die eures Kaisers Haupt
Umschwebt, ist nur geborgtes Licht! Es ist
Der Papst die Sonne, und der Kaiser nur der Mond!
OTTO VON WITTELSBACH.
Ha, Mord und Tod – wer kann das länger hören?
KAISER FRIEDRICH
auf den Kardinal deutend.
Was der da schreit, das schreit er zu dem Volke, –
Durch Fanatismus will er mirs entreißen –
Doch bin ich nicht ein Schwächling, wie sie jetzt
Auf Englands, Frankreichs, Spaniens Thronen sitzen –
– Mit diesem Blick nur, den ich auf mein Heer
[24] Hier werfe, feßle ichs an meine Brust!
DAS DEUTSCHE HEER.
KAISER FRIEDRICH.
Hört ihrs donnern? Zündete
Der Blitz?
HEINRICH DER LÖWE
für sich.
Das sind der Hohenstaufen Augen!
KAISER FRIEDRICH
zum Kardinal.
Meld du dem Papste, daß ich sein
Begehr verweigre, über seine Kühnheit
Verwundert bin! – Wenn ich mich wundre, streb
Ich auch, des Wunderns Ursach zu vertilgen! –
– Die römsche Kirche kümmert nichts mein Streit
Mit den Lombarden, und Mathildens Erbschaft
Gehört dem Reich, als ausgestorbnes Lehn.
Verräterei und Felonie wars, wenn
Mathilde, wie ihr dichtet, sie dem Papst
Vermacht. Bei Gott, ich würde noch im Grab
Sie ächten! – Und mein Lehnsherr? Er, der durch
Die Gnade Konstantins und Karls des Großen,
Erblassern meines Throns, sein bißchen Land
Erhielt, damit er nicht trotz seines Hochmuts
Verhungre?
– Kardinal! Der Papst ist nur
Mein erster Bischof – Romas Kaiserkrone prangt
Auf meinem Haupt – Nicht lieb ich Kinderspiele –
Was sie bedeutet, will ich sein!
KARDINAL.
Bist du
Ein Römer? Steht dein Thron in Aachen, oder
In Rom? Ist dieses Heer ein deutsches, oder
Sinds römsche Legionen? So fragt dich
Mein Herr, und glaubt dich viel zu groß,
Als daß du hohle Titel mit der Sache
Verwechselst!
KAISER FRIEDRICH.
Mann, bau nicht
Zu sehr auf deines Priesterkleides Schutz!
Du könntst dich täuschen!
Aber Eins vernimm:
Die Römer waren einst das erste Volk
Der Erde, – nichts, so weit die Sonne glänzte,
War ihrem Heldentum vergleichbar, und
[25] Deshalb besiegten und beherrschten sie
Die Welt. Doch ihre Enkel arteten
Zu Memmen aus. – Da trat an Kraft der Deutsche
An ihrer großen Ahnen Stelle, und
Wie einstens Romas Adler, packte er
Den Erdball. Darum sind wir Nachfolger
Und echte Söhne Romas. Unser Wert
Ist unser Recht!
KARDINAL.
Die deutschen Kaiser macht
Der Papst! Er setzte dir die Krone auf,
Drum kann er sie dir nehmen!
OTTO VON WITTELSBACH.
Pfaffe! Hund!
Du hast dich tot geschwatzt, und tausendfach
Büß jetzt dein Schmähen!
Er dringt mit dem Schwerte auf den Kardinal ein.
ALLGEMEINES GESCHREI.
Tod den Pfaffen! Schlagt
Ihn nieder!
KARDINAL.
Heil, mir winkt die Märtrerkrone!
Fließ hin mein Blut, umschmücke meine Stirn!
KAISER FRIEDRICH
zu Otto von Wittelsbach und dem Heere.
Still! – – Haltet ihr mich etwa für ein Kind,
Und wollt mich rächen, auch wenn ich es nicht
Gebiete? Wird es not, so bin ichs Selbst,
Der Kaiser, der sich rächt und schützt!
Zeigt auf den Kardinal.
Der Mensch
Ist nur verblendet, wahn vor Aberglauben,
Und schämen müßt ich mich, an ihm mich zu
Vergreifen. Eurethalb, die ihr so hoch
Empört scheint, und nicht seiner Reden wegen,
Antwort ich ihm:
Frei durch die Gnade Gottes
Ist Deutschlands Krone, und die freie Wahl
Der Deutschen überträgt sie. Dem Erzbischof
Von Mainz gebührt dabei die erste Stimme.
Dann krönt der Erzbischof von Köln den König
Zu Aachen in der Kathedrale.
Die kaiserliche Krönung aber muß
An ihm der Papst verrichten. – Wird er dadurch,
Daß er mirs Kleid anlegt, mein Herr? – So wäre
[26] Der Knecht mehr als der Fürst!
Hornmusik hinter der Szene.
Fanfaren! – Ahn' ich recht?
DAS DEUTSCHE HEER.
Die Kaiserin! Die Kaiserin!
KARDINAL.
Ich spreche
Den Bann in Christi Namen über dich!
Verflucht seist du an Leib und Seele,
Verderben sollst du Glied vor Glied – Die Hölle
Soll ewig an dir nagen und an jedem,
Der dir vertraut ist, oder auch mit dir
Nur redet!
KAISER FRIEDRICH.
So?
Die Kaiserin Beatrice mit Gefolge von Rittern und Damen tritt ein. Er ihr entgegen.
Dem ganzen Weltkreis trotzt
Der Hohenstaufe, doch wo Schönheit nahn
Und Anmut, senkt er Schwert und Szepter,
Reißt sich den Kaisermantel ab, und legt
Zu Füßen ihn der Hochgeliebten, als
Den einzgen Teppich unterm Himmel, ders
Verdienet, daß sie ihn betrete!
BEATRICE.
Kaiser,
Verzeihe, daß die Mücke kam, um sich
In deiner Sonne wieder zu beleben!
KAISER FRIEDRICH.
O Heil und überirdscher Glanz der Sonnen,
In deren Strahlen solche Mücken sich
Erfreuen!
BEATRICE.
Einsam saß ich auf der Burg
In Schwaben – dachte nichts als dich – vergaß
Das Vaterland Burgund, vergaß den Vater –
Nach Süden, nach Italia nur, wohin
Du warst gezogen, gingen meine Blicke –
Ans Fenster drückt ich meine Stirn, und es
Erglühte unter ihr das Glas. – So oft
Des Morgens und des Abends Rot emporstieg,
Und dann die Sonne darin flammte, war
Es mir, als säh ich nur den Purpur
Des Kaisermantels um die Himmel wehen,
Und trätest du daraus hervor als Sonne
[27] In goldner Rüstung! – Schwer ward mir das Herz –
Es zog mich fort und fort – und ich bin hier – ich weiß
Nicht wie – und sehe dich, – und nicht ermessen
Kann ich mein Glück!
KAISER FRIEDRICH.
Nicht mehr beneide ich
Die Seligen im Paradiese, denn
Ich hörs, ich wohn in deines Busens Glänze!
Ein Krieger stürzt herein.
– Was gibts?
DER KRIEGER.
Herr, Hunderttausende gerüsteter
Lombarden stehen bei Legnano – Wut
Und Rachedurst durchlodern ihre Reihen!
Die Worte »Rache, Freiheit oder Tod«
Erschallen wie ein Echo, Tag und Nacht
Millionenmal durchs Heer! Sie glauben,
Daß wir noch schwach sind, und drum nahn sie schnell
Uns zu erdrücken!
KAISER FRIEDRICH
zum Heere.
In drei Stunden brechen
Wir auf, entgegen den Empörern! – Bis
Dahin bereite jeglicher sich vor
Zum Marsche und zum Kampf. Noch sind die Gegner
Entfernt, und dieses Heer ist allzu gut
Geordnet, als daß wir vor Überfall
Zu fürchten hätten. Doch wär es auch anders,
Nicht unterließ' ich der Verräter halber
Die alte Sitte – Nicht den kleinsten Brauch,
Ists nur ein kaiserlicher, vergibt
Der echte Kaiser sich!
Zu Beatrice.
Wir müssen heut
Uns trennen – Einsam mit der Krone, muß
Ich dort im Zelt von meinen Großen mich
Bis zu der Früh bewachen lassen.
BEATRICE.
KAISER FRIEDRICH.
Auf Stunden nur! –
Zu mehreren Reisigen.
Schlagt dort am Po,
Wo er so lieblich rauscht, das Zelt auf, das
Mir Saladin als seiner Achtung Zeichen sandte! –
[28] Wieder zu Beatrice.
So weit die Heere Sultan Saladins
Sich lagern, von dem Indus bis
Zum Nil, ließ er der Seiden köstlichste,
Der Farben schönste suchen, um das Zelt
Daraus zu weben und damit zu zieren.
Gefangene arabsche Königstöchter stickten
Die Polster, und weich, wie des Meeres Wellen
Einst Aphrodit empfingen, nehmen sie
Den Müden auf in ihren Schoß.
– Allein ich weiß, sie sind noch viel zu rauh
Für dich –!
Wo aber fänd ich etwas, zart
Genug? – Darum verzeih und ruhe sanft!
BEATRICE.
Sanft ruhen? Jetzt? Wo jede Stunde dich
Der Schlachten Todeslos umstürmen kann?
KAISER FRIEDRICH.
Vielleicht die Liebe, sonst nichts herrlicher
As wie die Schlacht, wo unter Todesschrecken
Sich Mut und Geist von Heer zu Heer bekämpfen,
Und jedes Aug nur nach des Lebens Höchstem,
Dem Kranz des Sieges schauet und des Ruhmes!
BEATRICE.
Für deine Lieb, fühl ich, bin ich zu niedrig!
– Du jubelst und ich zittre in Gefahren!
KAISER FRIEDRICH
die Hand um Beatricens Nacken schlagend.
Glaub mir, ich schwöre es, wärst du
Nicht mein, Burgundiens zartste Blume,
Mir fehlten Licht und Duft im Kaiserruhme!
BEATRICE.
Mein Kaiser, mein Gemahl, so denk auch mein
In Feld und Kampf! Denn ewig denk ich dein!
KAISER FRIEDRICH.
Dein werd ich denken in der dunklen Schlacht –
Wo sah man Sterne schöner, als bei Nacht? –
Beatrice mit Gefolge ab; der Kaiser geleitet sie bis an das Ende der Szene, und kehrt dann wieder zurück.
HEINRICH DER LÖWE
zum Kaiser.
Es flüsterte die Liebe eben – doch
Auch darin hört ich den Waiblinger summen –
Jetzt tritt der Löwe vor dich hin, und spricht
Zu dir mit Löwenstimme:
[29] Glaubst du, daß
Ich je erbebte?
KAISER FRIEDRICH.
Du erbeben? – Nie werd ich
Den Tag vergessen, wo in Rom die Leibwacht
In ihrem Blute um mich lag, mit ihm
Mich edler schmückte, als der Purpur des Augustus, –
Wo schon mein Arm ermattet sank zu Boden,
Und, wie erregter Sand, des Volkes Menge
Herandrang mich zu überschütten –
Da Löwe, Freund, den ich umfasse, hört
Ich plötzlich deiner Stimme Donner, und
Vernahm in ihr des Helfers Nahn – es schwoll
Die Brust mir auf, wie bei Gewittergüssen
Im dürren Sommer alle Ströme wieder
Aufschwellen, – gleich Gazellen wich der Pöbel
Vor deiner Stärke auseinander, und ich war
Gerettet!
Zweifeln an dem Mut und an
Der Treue meines Retters? Eher
Am Licht des Tages!
HEINRICH DER LÖWE.
Nun so höre! höre!
Zu groß ist der Lombarden Anzahl! Du
Vergießest unnütz Blut, wagst du die Schlacht!
Laß uns zurückziehn zu den Alpen! Dort
Verschanzen wir uns, bis die ganze Macht
Des Reichs mit uns vereint ist, und mit ihr
Zertrümmern wir Italien!
KAISER FRIEDRICH.
Wo
Ich strafen will, da kenne ich nur Eile!
– Heinrich, fast furcht ich, daß ich größer von
Dir dachte, als du bist – Ich habe nie
Am Sieg gezweifelt, sah ich dich nur bei mir!
PRINZ HEINRICH.
Mein Vater, achte nicht auf den Bedächtgen!
Verschiebe nicht den Kampf mit den Aufrührern!
Der Kampf auch, ob wir siegen oder fallen,
Ist Lust!
KAISER FRIEDRICH.
Und Ehre!
HEINRICH DER LÖWE.
Wo die Hohenstaufen rasen,
Vernehmen sie der Welfen Rufen nicht,
Und tönt es noch so laut und wahr! – Rast fort!
[30] Vielleicht daß ihr auch mich ansteckt, und wir
Dann wüten um die Wette!
KAISER FRIEDRICH.
Sachsenherzog,
Schweig und gehorche! –
– Kardinal! entferne
Sofort dich aus dem Lager! – Jeder, sei
Es Priester, sei es Laie, der dem Bannspruch
Des Toren Folge leistet, büßt es mit
Dem Leben!
KARDINAL.
Der Belial, der Antichrist –
KAISER FRIEDRICH
gebieterisch.
– Ruhe! – Denn
Der Kaiser legt zum Schlummer sich jetzt hin –
Ihr Großen schützet und bewachet ihn.
Er geht in seine kaiserliche Pfalz.
REICHSHEROLD.
Herzoge, Kön'ge, tretet um das Zelt,
Und dient, als treue Wacht, dem Herrn der Welt!
Die Könige von Polen und Böhmen, der Erzherzog von Österreich, der Burggraf Hohenzollern, der Graf Tirols, und andere Große, verteilen sich in angemessener Entfernung voneinander, gezückten Schwertes um das kaiserliche Zelt zur Wacht.
HEINRICH DER LÖWE
tritt vor.
– – – Wie still wirds ringsum – Strahlend steht der Mond
Am Himmel, und die Sterne wandeln schweigend
Und goldnen Schimmers um ihn her, gleich uns,
Die wir in diesen Harnischen den Kaiser
Umwandeln. – Alles ruhig. –
Doch wie pocht
Mein Herz! – Und welche Worte tönen mir
Im Ohr? – Wie schrie man einst in Weinsbergs Schlacht?
»Hie Welf! Hie Waiblingen!« O, was für Klänge!
Als sie erschollen, zitterten die Gipfel
Der beiden furchtbaren Geschlechter von
Dem Harzwald bis Kalabrien,
Und sich mit Blute tränkend, Stadt und Dorf
Zerquetschend, stürzten überall
Lauwinen!
LANDOLPH
der in der Nähe des Herzogs auf der Szene geblieben.
[31] Herr, Ihr sprecht da von Welf
Und Waiblingen! – Gehts los? – Verlaßt Euch drauf,
Wir packen schon den Schwaben – Er
Soll sich verwundern!
HEINRICH DER LÖWE.
Knecht sei still! Noch rief
Ich nicht!
LANDOLPH.
Es klang mir doch grad so, als hört
Ich unser altes Feldgeschrei!
HEINRICH DER LÖWE
für sich, schaudernd.
Ich sprachs
Nur leis, und schon ergrimmt der Knecht!
DER KARDINAL
schleicht in die Szene; zu Heinrich dem Löwen.
Du, großer Welfe, faß, zerschmettere
Den Hohenstaufen! Schließ dich an das Heer
Von Mailand, und verloren ist er! Schwer
Gekränkt bist du von ihm. Willst du
Sein Hund stets sein? Der Papst –
HEINRICH DER LÖWE.
Du armer Schelm,
Du wähnst, es wäre kleinlicher Verrat,
Mit dem ich meinen Kaiser würd verlassen?
Fall ich ihm ab, so fall ich frei und offen,
Wie Donner von dem Himmel, die der Blitz
Vorher verkündet – Leu und Kaiser sind
Zu stark, als daß sie ewig sich vertrügen. –
– Sie können sich ermorden und doch lieben! –
– – Sieh diesen Tropfen, Freund, im Aug mir beben, –
– So bebt die Eiche unter Wetterschauern! –
Für sich, an die Erde starrend.
Ja, wieder tobt das alte Nornenlied:
»Noch schrein die Raben,
Noch wächst ja Gras,
Darum nie Frieden
Ihr Waiblinger und Welfen!«
Wiederaufblickend, zum Kardinal.
– Noch da? Es fällt mir ein, der Kaiser will,
Daß du sofort von hier enteilst! Du Landolph,
Bring diesen Herrn von dannen!
LANDOLPH.
Herr, sehr gern!
KARDINAL.
Ich gehe – Halt du nur an Barbarossa fest –
[32] Er dankt dirs nicht, und du gehst mit ihm unter!
Landolph und der Kardinal ab.
HEINRICH DER LÖWE.
– Nun, Wittelsbacher, träumst du?
OTTO VON WITTELSBACH.
Leicht möglich!
Des Reiches Fahn umweht mein Haupt, und wenn
Ich träum in ihrem Rauschen, ists von Sieg
Und Ruhm! Das sind die Sterbelieder,
Wenn unter ihr die Heere blutend ringen!
HEINRICH DER LÖWE
nach der kaiserlichen Pfalz gehend.
Die Fürsten halten dort die Wacht. Ich trete
Zu ihnen.
ERZHERZOG VON ÖSTERREICH.
Wer da?
HEINRICH DER LÖWE.
Braunschweig!
ERZHERZOG VON ÖSTERREICH.
Ist willkommen
Als edler Freund und starker Wachtgefährte!
Die Wachen schreiten um die Pfalz, Heinrich der Löwe mit ihnen. Otto von Wittelsbach steht still beim Reichsbanner.
Der Vorhang fällt.