[195] An den Herrn K.R.H. in C.

Auf dieser komischen Redoute,
Man nennet sie mit einer Sylbe: Welt!
Hatt' ich mich unbemerkt im Winkel hingestellt,
Dem Tanze zugesehn, und hinter meinem Hute
Nach Wunsch mich satt geweint, nach Herzenslust gelacht.
Dieß steckte nun nicht bloß in meinem Blute,
Nein! jedem ist dieß Fieber zugedacht.
Ja! wenn ein Knabe, kaum der Ruthe
Entwachsen, fertig schon mit seiner Rolle wäre,
So hätt' er doch den Jean qui rit, et Jean qui pleure,
So gut, als ein Methusalem, gemacht.
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Der wunderliche Weise Griechenlandes,
Der nie aus seinem Gransen kam,
War doch noch immer unsers Standes,
Und wenn er sonst sich je die Mühe nahm,
Betrachtungen auch über sich zu machen,
So mußt' er ja nothwendig – lachen.
Der andre Herr, der sich ins Grab gelacht,
War sicher doch mit Seufzern auch bekannt.
So oft, gepeitscht von eines Wüthrichs Macht,
Die Unschuld sich in Blut und Thränen wand,
So mocht' er gleich von außen fröhlich scheinen,
Er mußte doch im Innern weinen.
Die Schauer hat der Weise wie der Thor!
Nur mit dem großen Unterschiede,
Der eine weint, der andre heult uns vor;
Der über viel, und kurz; dann hat er wieder Friede,
Der andre, hängt sein Steckenpferd das Ohr,
Wird seines Schreiens nimmer müde.
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So sah ich's auf dem Maskenball' auch immer;
Der eine nur verbarg mit künstlichem Gesicht'
Sein Lachen oder sein Gewimmer;
Der andre lacht' und weint' im großen Tanzsaal' nicht,
Wohl aber in dem Nebenzimmer.
Der eine lächelt nur, so oft der muntre Knabe,
Der Witz, im Schooß' der Mutter Weisheit spielt,
Und, daß des Weisen Herz sich labe,
Sein Müthlein an dem Thoren kühlt.
Dann ist dieß Lächeln ein Geflüster,
Süß, wie der Mara Silberton,
Doch wenn bei seinem Stiefgeschwister,
Dem Aberwitz', des Meister Unsinns Sohn,
Der grobe Bootsknecht aus Natur,
Der Kammerherr aus Eigennutzen lacht:
Wohl dir, wenn dann dieß Lachen nur
Dem Ohr', und nicht zugleich dem Herzen, Ekel macht!
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Wohin ich sah, war alles Mummerei,
Voll Thoren war's, die hier nach äußern Trachten,
Ein jeder zwar nach seiner Phantasei,
Sonst aber sämmtlich einerlei,
Bald gut, bald schlecht – den Weisen machten.
Ja! Weise sah ich gar – wer hätte das gedacht? –
Vermummt in eines Thoren Tracht.
Da war's nun eine Kunst, den Mann heraus zu finden,
Der weise sey, nur nicht nach Schulsystem,
Und der durch Tugenden den kleinen Schwachheitssünden
Den Schatten selbst von Sünde nähm'.
War's aber schwer, dich Mann! heraus zu finden,
So war es erst ein Perlenstück,
Ein solches Mädchen zu ergründen,
Der Witz und Scherz in jedem Augenblick',
Wie Babet einst, zu Dienste stünden.
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Doch frisch gewagt ist halb gewonnen!
So mischt' ich mich denn kecklich in den Reihn,
Mir schienen manche Schönen hier den Nonnen
Im Blick', entlehnet von Madonnen,
Auch dieser selbst an Tugend gleich zu seyn.
Du aber sahst, daß wunderfein
Verstellung diesen Schleier nur gesponnen;
Dieß, und mein Glück, daß ich dem Netz' entronnen:
Dank' ich, o Freund! dir ganz allein.
Dein scharfer Blick, der jeden Schleier,
Auch noch so dicht gewebt, durchschaut,
Hat unpartheiischer und freier
Geprüft des Freundes künft'ge Braut.
Großmüthig kannst du selbst verzeihen,
Daß sie die Hälfte dir von seinem Herzen raubt;
Doch sey es ihr dagegen auch erlaubt,
Vom ihrigen die Hälfte dir zu weihen.
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Mit dir und diesem Genius der Tugend,
Mit dieser Beaumont meiner Jugend,
Hüpft meine Zeit davon gleich einem Schäferreihn;
Doch mischen wir bei feinerem Gefühle
Uns selten nur in das Gewühle
Des großen Contretanzes ein.
In ihm tanzt der Betrug mit der Verführung vor;
Die große Welt folgt unter Scherz und Lachen,
Die krummen Touren mit zu machen,
Worin sich selbst die Arglist wohl verlor.
Ja! auf des Bodens Spiegelglätte
Fällt oft der Weise, wie der Thor;
Doch warum flicht er sich auch mit in diese Kette?
Wir aber hüpfen, fern von aller großen Welt,
Zwar auch nach der Musik, nur bei gedämpfterm Schalle,
Und wenn uns nicht die Melodie gefällt,
So singen wir sie selbst zu unserm kleinen Balle.
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Bald ist sie dann dem sanften Gange
Des Hillerschen Andante gleich,
Doch öfter seinem komischen Gesange,
An schneller und an leichter Wendung reich;
Bei jener, unser Herz nicht bange,
Bei diesem, noch für fremde Klagen weich.

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