[237] Antwort an Gleim

Den 17. November 1781.


Die Freude trat in Nero's goldnen Saal
Zwar nie mit einem Fuß'; sie liebt die kleinen Zimmer
Der Weisen nur; doch ach! sie wohnt auch da nicht immer:
Sie kommt und geht, wie Gott es ihr befahl.
Sie, der es sonst so wohl bei mir gefiel,
War fort, als ich zurück vom hohen Jura kehrte,
Und ach! das erste Wort, das ich am Schwelle hörte:
»Dein Sohn ist todt.« – Verstumm', o Saitenspiel! –
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Fast preis' ich, Freund, dich glücklich, daß kein Sohn
Dir sterben kann, nicht Schmerz dir eine Gattin klagen,
Den du nicht lindern kannst! Denn ach! seit hundert Tagen
Seufzt, doch umsonst! nach Lindrung Chloe schon.
Auch ich bin Mensch, nicht Philosoph allein.
Wenn sich um uns das Glück und Unglück nicht bekümmert,
Kein König uns umarmt, kein Liebling hülflos wimmert:
Wie leicht ist's da, ein weiser Mann zu seyn!
Ich aber, den im Wrack' der Sand umfleußt,
Muß sehn, wie ich ans Land auf einem Brette fahre,
Eh' die Verzweiflung mich, die schon in meine Haare
Sich klammern will, herab zur Tiefe reißt.
Wohl mir, daß ich ins Meer entschlossen sprang!
Gewonnen ist der Strand! das Land indeß ist öde!
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Allein genug, daß mich, im Angesicht' der Rhede,
Die Welle nicht mit sammt dem Wrack' verschlang.
Ich fall' am Ufer dankbar auf die Knie,
Daß der noch Muth mir gibt, ein Leiden zu bestehen,
Der uns durch Leiden prüft. Wer kann ihn übersehen?
Und was ist gegen ihn Philosophie?
Ach! hätt' er nicht jenseit der finstern Gruft
Des Todes, noch ein Land des längern, bessern Lebens,
So schnappte wahrlich hier itzt Chloe nicht vergebens,
Dem Fisch' am Strande gleich, nach seiner Luft.
So weint' um einen Knaben nicht mein Herz,
Der seiner Eltern Schatz und aller Menschen Freude
Schon in der Wiege war; so ständen wir itzt beide,
Mein trauter Gleim! und opferten dem Scherz'.

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