[221] An Herrn Gramberg, in Oldenburg

Was wär', o Gramberg, diese Welt
Für den gequälten Weisen, wenn die Seele
Nicht über der Verwesung Knochenfeld
Hinaus oft blickte? Eine Mörderhöhle,
Vom matten Strahl' der Hoffnung kaum erhellt.
Doch hätte die Religion
Wohlthätig nicht zerstreut die dicken Schatten:
Willkommen wäre mir die Täuschung schon,
Daß unsre Seelen wandern! Denn was hatten
Die Weisen sonst für Trost, für Schmerzenlohn?
Und, lieber Freund, was wär' es mehr,
Wenn ich zuweilen träumte, daß die Seelen
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Fortwanderten, bis zu dem Endverhör'?
Daß Hagedorn noch itzt in Philomelen
Sein Lied uns säng'? O Freund, was wär' es mehr?
Wirst du den edlen Hirsch nicht jetzt
Bedauren, dich die tolle Wuth nicht kränken,
Die ihn zum Scherz' abmartert und zerfetzt?
Laß mich ein Thor seyn, Gramberg, laß mich denken:
Daß man in ihm den Kaiser Nero hetzt.
So oft als meine Augen sahn,
Wie an des Fischers Angel sich mit Schmerzen
Ein Würmchen krümmte: Balsam war der Wahn
Dann immer meinem wundgefreßnen Herzen:
Es sey vielleicht ein Höfling wie Sejan.
Welch Thier der Erde hat den Muth
Des Rosses? Dennoch muß es jungen Thoren
Gehorchen; dennoch stößt ihr Uebermuth
In seine Seite scharfgespitzte Sporen;
Doch was da fließt, sey eines Mörders Blut.
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Sieh dieser Wachtel Schmeichelein!
Auf meiner Schulter, gleich als wenn sie lange
Mich schon gekannt, steht sie auf einem Bein',
Und kratzt mir mit dem andern sanft die Wange;
Ach! könnt' es nicht mein Sohn, mein Günther, seyn?
Und warum sollt' ich nicht dereinst
Als Lerche dann mich in die Lüfte schwingen,
Wenn du um mich auf meinem Hügel weinst?
Nicht dir auch dann noch süße Lieder singen?
Der Wahn ist süß! Still! wenn du's nicht so meinst.

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