[77] AN JOHANNES ADDENS UND SEINE GATTIN

Zweig um mein fenster wo die blumenglocken
Schaukeln im grün und wingert der das lohe
Spätjahrlaub schlagen fühlt: der rast-unfrohe
Gast des verlassnen gartens wo frohlocken
Von sonne und lachen eure traubenreihn
Erfreut · als die hier wohnen froh da traten –
Ich grüss euch: herbstge freunde denket mein
Der wieder geht mit mehr als herbst beladen!
Greis der mit deinem herbst von grauen haaren
Frau die · im schwarzen kaum ein silberhaar ·
Herbstreife trägt in farbe und gebaren ·
Herbstsüsse fühlt im herzen klug und wahr:
Lebt wohl! ihr habt mir zu der zeit gesprochen ·
Da all mein schmerz · verborgen · aufgebrochen
Still seufzend eine jugend herbeschwor
Die ich so liebte · so ungern verlor.
[78]
Nicht jezt – vor jahren starb die schönre jugend
Als je ein mensch im land mit mir erlebte ·
Die armut – meine not – schien meine tugend ·
Solang ich fromm nach neuer schönheit strebte ·
Schmerz war nicht: ohne schönheit · voll vertraun
Bald nacht bald glut der schönheit zu erschaun.
Doch war mir schmerz und lust nach solchem laufe
Der fremden schönheit unerträumte taufe.
Kein herbst-schön noch – ich weiss – doch blüht mein sommer
Und ich beglückter bin ihm zugekehrt.
Ich grüss ihn: bin ich nicht der neue kommer
Der seiner wert ist wie er meiner wert?
Doch sommer fand noch niemand · nicht sich sagend
Dass jezt sein lenz für allezeit verdarb.
Die fristen meines lebens überschlagend
Seh ich sie alle tot wenn eine starb.
Freundlicher herbst und jungheit die voll freude
Blüht – so vereint nicht mehr so ganz viel jahre –
Jezt hab ich durch euch beide klar erfahren
Welch herbst ich wünsche · welchen lenz ich neide.
Jezt geh ich hin · bin jezt dem manne gleich
Der neugekauften garten zu besuchen
Lang zagte · um die pfade nicht zu suchen
Des alten in dem ihm so fremden reich –
[79]
Doch der jezt geht und guten rats ins schloss
Den schlüssel steckt · versichert: ohne pein
In neuem land ein wanderer zu sein
Und freundlich jede blume jeden schoss
Grünen zu sehn – der · herr im fremden kreis ·
Die lebenswunder pflegen soll und schmecken
Und · guter gärtner · voll vergnügtem preis
Soll rosen blühen sehn an fremden hecken.
Nun geh ich hin · ich hab an euch gesehn
Dass wer nur liebt mit stätigem gemüte
Den herbst und sommer sucht · wie ihre blüte
Das kind das träumt dass blüten nie vergehn.
Lebt wohl! und kehr ich – seis in einer andern
Gestalt zurück (denn alle dinge wandern)
Seht dann ob ich getrost den sommer lebe
Von seiner frucht euch etwas wiedergebe.

Der annotierte Datenbestand der Digitalen Bibliothek inklusive Metadaten sowie davon einzeln zugängliche Teile sind eine Abwandlung des Datenbestandes von www.editura.de durch TextGrid und werden unter der Lizenz Creative Commons Namensnennung 3.0 Deutschland Lizenz (by-Nennung TextGrid, www.editura.de) veröffentlicht. Die Lizenz bezieht sich nicht auf die der Annotation zu Grunde liegenden allgemeinfreien Texte (Siehe auch Punkt 2 der Lizenzbestimmungen).

Lizenzvertrag

Eine vereinfachte Zusammenfassung des rechtsverbindlichen Lizenzvertrages in allgemeinverständlicher Sprache

Hinweise zur Lizenz und zur Digitalen Bibliothek