[93] STERNE
I

Folg den verborgnen pfaden
Von lust und wehmut!
Es grünen dunkle saaten
Von tod und demut.
Im grünen schimmer
Von wald und unter wasser
Ist ein gewimmel
Von wurzeln: blumen später.
Ihre siechend-blanken
Gestalten und farben
Ihre durchdringend-kranken
Traurigen düfte:
All das seltsame leben das den tod begehrt
Lebt von der fremden erwartung voll in sich gekehrt.

[94]

III

Ich tauche in den tiefen kühlen morgen
Wo frischer tau der stirne brausen kühlt.
Dieweil der wind vom meer mich stolz umspült
Legen sich sacht im herzen alle sorgen
Die stürmisch mein bedrängtes herz umfluten ·
Wie kann der tag so schwer von sorgen sein
Und auch die nacht das innre nicht befrein!
Doch jezt dringt der verlockten sinne gluten
Des morgens tau und kühle gütig an ·
Zu sehr hat stadt und werk mich aufgerieben.
Mein meer durchzog zu mannigfacher kahn –
Von jeder furche ist da was geblieben
Im tief verborgnen leicht bewegten sand.
Komm friede! neu den boden glatt zu streifen.
Ich such mit dir das fremde – eigne land.
Ich will mich selbst und was ich bin begreifen.

*

[95]
Ein stiller sumpf ist wo sich schilfe wiegen
Und bäume rauschen um verborgnen ort.
Geheimnisvoll sie ihre hauben biegen
Und flüstern ihr geheimnis fort.
Und wenn die nacht das braune schilf umkleidet
Spiegeln sich sterne in dem dunklen moor ·
Wo sich das wild an seinem raube weidet
Mit rotem maul – bricht ein geheul hervor.
*

Ihr kinder spielt an meines weihers ränden –
Wisst wol: ich bin kein lamm das sanft-gewollt
Die kräuter schert – an euren kleinen händen
Das seidne band trägt dran ihrs leiten sollt.
Wol sanft und sacht lass ich mich oftmals leiten
Und bin von blankem lämmergleichen schein ·
Doch randgras kauend an den weiherweiden
Bespiegle ich was ich noch sonst kann sein.
*

[96]
Dann treibt ein traum in meinen nüchtren sinnen
Aus weissem wolligem haar sprüht roter strahl.
Von den waldpfaden kommen sie die minnen:
Heilge prälaten mägde allzumal.
Palmzweige tragen die geweihten hände ·
Geblüm erblüht aus dem entzückten grund.
Ihr ruf wirft in den offnen himmel brände
Und strahlen fallen krönend um mich rund.
Ein dröhnen naht durch dunkle himmelsgränze.
Durchs Untre eilt ein tosen schwarz und schwer
Und sterne steigen – sonnen ohne glänze –
Wunder vom abgrund dringen berstend her.
Totstill steh ich: mein Gott! mein Sohn! mein Vater!
Weltall im kampf um mich! so sterb ich still.
Mein lebenstraum – dem ewigen leben naht er ·
Erfüllt o Heilger! sei dein sichrer will!
*

[97]
Sehn kinder zwischen blumen schlünde springen ·
Ob ihrem haupt den blauen himmel frei –
Was soll ihr herz zu angst und liebe zwingen?
Höll Himmel Erde oder wol die drei?
O dichterkind! dein herz greift sie zusammen.
Des kindes seele schliesst die ewigkeit
Still in sich ein · gibt ihrem scheine namen
Und weint und kennt drin dinge dieser zeit.

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