[78] LVII
HERBSTGESANG
1
Bald wird man uns ins kalte dunkel flössen ·
Fort! schöner sommer der so kurz nur währt!
Schon hör ich wie mit unheilvollen stössen
Das holz erdröhnend auf das pflaster fährt.
Der ganze winter dringt in mich: bedrängnis
Hass zorn und schauder und erzwungner fleiss.
Der sonne gleicht im nordischen gefängnis
Mein herz · ein roter block und starr wie eis.
Ich höre zitternd jeden ast der schüttelt –
Ein grabgerüst gibt keinen dumpfern hall –
Und an dem turme meines geistes rüttelt
Des unermüdlich harten widders prall.
[79]
Es scheint mir von dem hohlen lärm umgeben
Dass man in einen sarg die nägel haut ..
Für wen? gestern war sommer · herbst ist eben ·
Wie abschied klingt der rätselhafte laut.
2
Ich liebe deiner augen grünen schimmer ·
Du sanfte · doch nur bittres fühl ich heut ·
Nicht deine liebe nicht kamin und zimmer
Ersezt das sonnenlicht aufs meer verstreut.
Und dennoch · zarte seele · lieb und hüte
Auch den der undankbar mit bösem drang ·
Geliebte · schwester! sei die flüchtge güte
Von herbstesglanz und sonnenuntergang!
Ein kurzes werk ... das grab ist gierig lauernd.
Ach ich will knieend dir zu füssen sein ·
Des weissen dürren sommers flucht bedauernd
Mich freun am gelben milden spätjahrschein.