Der glückliche Dichter
Ein Dichter, der bei Hofe war –
Bei Hofe? Was? bei Hofe gar?
Wie kam er denn zu dieser Ehre?
Ich wüßte nicht, was ein Poet,
[121]Ein Mensch, der nichts vom Recht und Staat versteht,
Was der bei Hofe nötig wäre?
Was ein Poet bei Hofe nötig ist?
Ja, Freund, du hast wohl recht zu fragen.
Mich ärgert's, daß August zween Dichter gern vertragen,
Die man doch itzt kaum in den Schulen liest.
Was ist's denn nun mit zehn Racinen
Und Molieren? Nichts! Gar nichts, der eine macht,
Daß man bei Hofe weint, der andre, daß man lacht,
Das heißt dem Staate trefflich dienen,
Dadurch wird ja kein Groschen eingebracht!
Doch auf die Sache selbst zu kommen.
Ein Dichter, den der Hof in seine Gunst genommen,
Schlief einst bei Tag im Louvre ein. –
Wie so? War er berauscht? Das kann wohl möglich sein:
Man hat in Frankreich guten Wein,
Und Dichter sollen insgemein
Von Wahrheit, Liebe, Witz und Wein
Sehr gute Freund' und Kenner sein.
Ich mag die Welt nicht Lügen strafen,
Drum sag' ich weder ja noch nein.
G'nug der Poet war eingeschlafen
Und war nicht schön, das man wohl merken muß;
Doch gab die Königin, den Schlaf ihm zu versüßen,
Ihm im Vorbeigehn einen Kuß.
»Was«, rief ein Prinz, »den blassen Mund zu küssen?« –
»Blaß«, sprach die Königin, »blaß ist er, das ist wahr;
Doch sagt der Mann mit seinem blassen Munde
Mehr Schönes oft in einer Stunde
Als Sie, mein Prinz, durch's ganze Jahr.«