Der Kandidat

Ein Kandidat, der gern befördert werden wollte,
Lag einem sehr berühmten Mann,
Der viel vermocht', inständig an,
Daß er sein Glück ihm machen sollte,
Und reichte, weil ein Platz im Ratstuhl offen war,
Dem Gönner eine Bittschrift dar.
Der Gönner las sie durch und las sie mit Vergnügen.
»Es kränkt mich«, fing er an und nahm ihn bei der Hand,
»Daß ich Sie eher nicht gekannt.
Ich lieb' und ehre den Verstand:
Sie sollen dieses Amt vor allen andern kriegen.«
Er sprach darauf mit ihm, und was der Jüngling sprach,
Verriet den besten Geist, geschaffen zum Studieren,
Zum größten Amte nicht zu schwach
Und wert, die andern zu regieren.
»Ach!« sprach der Gönner ganz erfreut,
»Nun kenn' ich Sie; das Amt ist Ihre«;
Und in der größten Freundlichkeit
Ging er mit ihm bis vor die Türe.
Hier bot der Jüngling ihm ein großes Goldstück an,
Um sichrer noch zu gehn. »Nein«, sprach der wackre Mann,
»Nunmehr soll dieses Amt nicht Ihre;
Denn wer Geschenke giebt, nimmt sie auch wieder an;
Ihr Herz ist schlecht.« Hier griff er nach der Türe.

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