Eutin

Vom alten Lübeck, wenn die Zeit der Pfingsten kommt,
Hinaus ins Weite treibt mich stets die Wanderlust,
Im jungen Grün zu schwelgen; nach Eutin zumeist,
Dem waldumkränzten, zieht es mich, wo mir der Freund
Von alters her, der rechtsgelehrte, heimisch ist.
Ein Stündchen Weges kommt er mir entgegen wohl
Und lenkt den offenen Wagen, der uns beide faßt,
Zum Tor des Gasthofs, wo im kühlen Saale schon,
Auf saubrer Tafel, die ein Kelch mit Rosen schmückt,
Das Mahl der Wirt vorsorglich uns gerüstet hat.
Bei Tisch behaglich plaudern wir, und nimmer geht
Der Stoff uns aus; denn sind wir alten Knaben auch
An Sinn und Neigung urverschieden: treu verknüpft
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Der Boden uns, drin unsres Lebens Wurzeln stehn.
Und was ist süßer, als der goldnen Jugendzeit
Beim Wein gedenken, manches tollen Knabenstreichs
Und jener hohen Stunden, da sehnsüchtig uns
Des Herzens Überfülle schier die Brust gesprengt!
So dehnt mit Lust verzögert sich das Mahl hinaus;
Erst spät nachmittags, wenn die Lüfte draußen sich
Gemach verkühlten und der pflichtgetreue Freund
Gewissenhaft noch einmal zu den Akten kehrt,
Mach' ich mich auf ins Freie. Zwar der Uglei ward,
Der wie ein Schild aus Edelstein im dunkeln Kranz
Des Waldes ruht, dem nächsten Abend aufgespart;
Doch hier ist lieblich jeder Weg, den du betrittst.
Die lange Straße geht's hinab; zur Rechten bleibt
Der Sitz der Stolbergs, stattlich, wie der Adel baut,
Mit Steingesims und Wappenschildern ausgeziert.
Doch nah dem Tor, im Lindenschatten, winkt mir dort
Am Bug der Gasse stillzustehn ein ander Haus,
Bescheidnen Ansehns, aber gern von mir gegrüßt:
Das Haus, in dessen seebespültem Garten einst
Am Sommerabend, voll idyllischer Heiterkeit
Aus irdner Pfeife Wölkchen dampfend, Heinrich Voß
Im Schlafrock zwischen Fliederbüschen wandelte.
Sei mir gepriesen, Alter, der den Knaben du,
Ein treuer Dolmetsch, in die sonnige Fabelwelt
Der Griechen führtest, wenn sich auch ihr Goldgeweb'
Ein wenig unter deiner Hand vergröberte
Und oft zu schwer Joniens flüssige Weise dir
Von niederdeutscher Lippe quoll. Luisens auch
Gedenk' ich gern, um deren ländlich Angesicht
Voll derber Frische manch homerisch Lächeln spielt;
Nicht zu vergessen, daß an ihr emporgelehnt
Die schönere Schwester, Dorothea, uns erwuchs,
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Von anderm Vater freilich, dessen Hoheit ihr
Die Stirn umleuchtet, aber ihre Schwester stets.
Doch wo verweil' ich? Längst schon aus des Städtchens Tor
Hat unvermerkt hingleitend mich der Pfad entführt.
In offner Landschaft find' ich mich, wo See an See
Mit holdem Gruß blauäugig aus der Tiefe lacht,
Und über sanften Hügeln schwebend, wipfelreich,
Der Buchenforst auf säulenhohen Stämmen wogt.
Gelockt vom Schatten tret' ich in die Finsternis
Des grünen Doms. O, welche Kühle säuselt hier
Vom Laubgewölbe! Welch geheimnisvoller Duft
Umweht die braunen Quellen und den blühenden
Waldmeisterteppich, der den ganzen Hang bedeckt,
Und füllt die Seele märchenhaft dem Rastenden
Mit allem Zauber schauernder Waldeinsamkeit!
An dieser Stätte grüßte wohl zum erstenmal
Die Muse deinen tonbegabten Sohn, Eutin,
Auf weißem Zelter schwebend, die romantische,
Im wilden Laubkranz; hier erwuchs im Busen ihm,
Den ihrer Locken weithinflatternd Gold gestreift,
Die tiefe Waldhornstimme, die Preziosen uns,
Den Schützen Max und Euryanthens Liebe sang
Und dann in Englands Nebeln, ach, zu früh verlosch.
Gedenkst du seiner, schwermutvolle Nachtigall,
Die du vom See jetzt, silbern, durch die Blätternacht
Dein schmelzend Gramlied strömen lässest, Ton an Ton
Wie Tropfen Taus hinperlend? Oder klagst du nur,
Daß wieder drüben jener Sonnen eine sinkt,
Draus sich dein kurzer Frühling webt? – Du mahnst mich recht;
Auch unsre Tage sind gezählt. So laß uns denn
Der Stunde froh sein, die so schön nicht wiederkehrt!
Den Schritt beflügelnd tret' ich aus den Stämmen schon
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Des Hügelforstes auf den freien Rand hinaus,
Und wie sich flutend Heut'ges und Vergangnes mir
Im Herzen mischen, seh' ich dort im stillen See
Des Abends Goldgewölk verglühn, doch überm Wald,
Sein weißes Licht dreinträufelnd, schwebt der Mond empor.

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