1. Geographische Übersicht
Wenn wir den Werth solcher Erfindungen und Entdeckungen anerkennen, die keine nähere Beziehung auf das menschliche Leben zu haben scheinen, blos weil sie die Sphäre unseres Wissens erweitern, und dem Menschen einen größeren Reichthum von Vorstellungen geben: so können wir um so viel weniger jenen Entdeckungen unsern Beyfall versagen, die den letztern Endzweck eben so gut erreichen, deren Anwendung aber uns zugleich so viel näher liegt. Wie schmeichelhaft ist, für jeden der es fassen kann, das Gefühl von der Würde des menschlichen Geistes, bey jeder großen und glücklichen Anstrengung seiner Kräfte! Wer fühlt sich nicht groß, wenn er mit den Sternkundigen die ungemessenen Räume des Weltalls auf Flügeln der Gedanken durchirrt! In der That, wie bewundernswürdig ist nicht der menschliche Verstand, wenn er Mittel ersinnt, die Entfernung und Größe der Sonne genau zu bestimmen, wenn er neue Planeten und Kometen entdeckt, die dem bloßen Auge unerreichbar sind, und dennoch ihre Bahnen berechnet, als wären sie sichtbar! In welchem erhabenen Lichte erscheint nicht jene stolze Wissenschaft, welche aus dem wenigen, was sie von der Erfahrung entlehnt, die wichtigsten Folgerungen zieht, wenn eine bemerkte Verschiedenheit in dem Abstande gewisser Fixsterne von einander, die gleichwohl kaum in Jahrtausenden dem bloßen Auge auffallend werden könnte, dem Scharfsinn des Meßkünstlers hinreichend ist, um eine progressive Bewegung des ganzen Sonnensystems daraus nicht blos zu muthmaßen, sondern darzuthun, [114] und dann tausend neue Welten in jenen entfernten Nebelpünktchen des allumfassenden Äthers zu erblicken! Doch wir mögen nun mit Newton die Geschwindigkeit des Lichts messen und das Gesetz des allgemeinen Zusammenhangs untersuchen, oder mit Herschel die Heere des Himmels zählen, von denen wir nicht mehr als ihr bloßes Daseyn erfahren können: so lange wir den Planeten, den wir bewohnen, nicht in allen seinen Theilen und Verhältnissen erforscht haben, so lange rühmen wir uns umsonst des gränzenlosen Umfangs unserer Erkenntniß. Dieser Punkt im Unermeßlichen ist immer noch eine Welt für uns; seine Theile, seine Verhältnisse, seine Veränderungen, können, weil sie allen unsern Sinnen offen liegen, für jene fernen Gegenstände, welche nur das Auge wahrnimmt, zum sichersten Maaßstabe der Beurtheilung dienen, und haben, welches ungleich wichtiger ist, eine unmittelbare Beziehung auf uns, und auf die Art unserer Exsistenz. Denn vorausgesetzt, das Ziel der Aufklärung, welches die Natur gesteckt hat, läge jenseits der Gränzen unserer Erfahrung, und die subjektive Bildung bestände hier zunächst in einer verstärkten Intension der Kräfte, deren Wirksamkeit dann die Verhältnisse eines andern Schauplatzes bestimmten; so geht doch diese nothwendige Vervollkommnung in der Stille und unvermerkt ihren Gang, indessen das gegenwärtige Verhältniß unsere ganze Aufmerksamkeit auf sich zieht. Auf derjenigen Stufe der Kultur, die der Europäer insbesondere nun einmal erstiegen hat, ist die Kenntniß der eigenthümlichen Beschaffenheit aller Gegenden der Erde so in sein Bedürfniß verwebt, daß eine nähere Untersuchung nothwendig wird, um seiner Betriebsamkeit Luft zu machen. Je dringender unsere wahren und erkünstelten Bedürfnisse das Verkehr mit entfernten Welttheilen fordern, je emsiger der kaufmännische Geist von der Unersättlichkeit des Zeitalters seinen Vortheil zieht, indem er ihr Nahrung verschafft; desto stärker wächst das politische Interesse der Staaten, an der Erweiterung geographischer und anderer Erfahrungskenntnisse, und desto mehr sucht es alle jene Triebfedern im Gange zu erhalten. Großbrittannien, dessen Handel von so ungeheurem Umfange ist, hat folglich auch in dieser Rücksicht den Nationen das Schauspiel von Entdeckungsreisen gegeben, wodurch [115] die vorher unbekannte Hälfte der Erdkugel ausgekundschaftet worden ist. Ich sage, die Hälfte der Erdkugel, und man wird finden, daß dieser Ausdruck nicht zu viel sagt, wenn man einen Blick auf die Geographie vor Cooks Entdeckungen wirft.
Unter den Vorgängern unseres Seemannes unterscheiden sich Columbus und Magellan, deren unsterbliche Verdienste einer Auszeichnung werth sind. Man sage immerhin, daß Gewinnsucht und Emporstreben nach dem was Glück zu heißen pflegt, die Triebfedern waren, die auch diese beyden großen Männer in Bewegung setzten. Wo und wann geschah etwas großes, wozu nicht irgend eine mächtige Leidenschaft den ersten Stoß gab? Auch Menschen, deren innere Kraft kein gemeiner Geist fassen kann, bedurften des Antriebs der Leidenschaften, um jene schlafende Kraft zu wecken und in Thaten zu äußern. Wenn es tief in der Seele des Edlen lag, daß ein neuer Welttheil seiner warte; wenn Er allein den großen Gedanken denken konnte: dort westwärts, über die Gränze hinaus, die der furchtsame Küstenbefahrer nie zu überschreiten wagt, dort liegt für mich der Weg zu Ehre, Glück und Ruhm; – wie dürft ihr ihn verdammen, ihr Splitterrichter, bey denen eben dieser Antrieb nur kleine Plane zu unbedeutenden Handlungen erzeugen konnte! Ihr wähnt vielleicht, es bringe diese Männer bis zu euch herab, wenn ihr spöttelnd fragt, ob ihre Größe in dem Ehrgeiz ein Grande zu werden, oder in der Rache gegen einen blödsinnigen König zu suchen sey? Wer nicht, wie Columbus und Magellan, auf unbetretenen Pfaden der Ehre solche Endzwecke erreichen kann, läuft Gefahr, ein Bösewicht zu werden, sobald er sich über den Staub erhebt, für den er gebohren ist. Jener entdeckte einen Welttheil, und dieser steuerte sein Geschwader durch den ungeheuersten der unbekannten Oceane. Jener hatte die Vorurtheile seiner Zeit, und die gefährliche Ungelehrigkeit seiner zaghaften Reisegefährten zu bekämpfen; dieser vollbrachte, was seitdem nur Cooks eiserner Beharrlichkeit möglich geworden ist: er blieb von der Meerenge, die seinen Namen trägt, bis an die Philippinischen Inseln beynah vier Monate lang unterwegs, ohne irgend ein wichtiges Land zu sehen, ohne Erfrischungen für sein Volk zu erhalten, ohne sich durch die Länge des noch nie zuvor beschifften Weges abschrecken [116] zu lassen. Am Ende ward aber sein großer Plan, die Gewürzinseln für Spanien zu entdecken, glücklich erfüllt, ob er gleich selbst, als ein Opfer seines unzeitigen Bekehrungseifers, auf der Insel Matan das Leben verlor.
Von dem Jahr 1521 an, bis 1768, in einem Zeitraum von drittehalbhundert Jahren, wurden viele Reisen durch eben diesen Ocean gethan, den Magellan zuerst beschiffte. Bald trieb Begierde nach Reichthümern, welche in Peru und Mexico ihren höchsten Grad erstiegen hatte, und nicht befriedigt worden war, Cortez und Pizarros Gefährten zu Schiffe; bald suchten Engländer und Holländer sich entweder durch den Schleichhandel zu bereichern, oder den Eroberern der neuen Welt ihre Schätze mit Gewalt zu entreißen; endlich führte auch die Hoffnung, im unbekannten Schooße des Südmeeres ein reiches Land zu entdecken, Seefahrer aus allen Nationen in Magellans Fußtapfen. 2 Allein die Menge der Reiserouten, auf welchen man das Südmeer in dieser Absicht durchkreuzte, dient zum augenscheinlichsten Beweise, wie wenig die Triebfeder allein zur Sache thut, wenn nicht Fähigkeit des Entdeckers hinzukömmt. Ohne hier von den Plünderern der Spanier zu reden, eilten auch Leute, deren Endzweck Entdeckung war, mit; Ängstlichkeit nach dem Bezirk innerhalb der Wendekreise, um einer gemächlichen und sichern Fahrt in jenem stillen Meere zu genießen, welches seinen Namen mit so großem Rechte führt. Unter den Spaniern entdeckten Mendanna und Quiros in drey verschiedenen Reisen einige Inseln, um deren Lage man sich bis auf Cooks Zeiten gestritten hat. So unbeträchtlich diese Entdeckungen waren, so suchten gleichwohl beyde Anführer durch überspannte Nachrichten von den daselbst vorhandenen Schätzen, den Spanischen Hof zu reizen, daß er sie in Besitz nehmen und Pflanzstädte daselbst anlegen sollte. Ihre Salomonsinseln und ihre Tierra Austral del Espiritu Santo blieben lange Zeit das Eldorado der Südsee, wo die Natur Perlen und edle Metalle nebst andern Kostbarkeiten, verschwendet haben sollte. Die Holländer ließen sich durch diese Vorspiegelungen zu einer Entdeckungsreise unter Le Maire und Schouten verleiten, welche, [117] wie die spätere unter Roggewein, ihre Absicht gänzlich verfehlte. Diese Weltumsegler konnten es freylich nicht wissen, daß die Inseln, welche sie ohnweit Neuguinea entdeckten, in der That die Salomonsinseln der Spanier waren; so wenig wie Bougainville es ahndete, daß seine Cycladen das Land des Quiros seyn könnten. Spanien selbst fand nicht für gut von diesen Entdeckungen Gebrauch zu machen, oder andere Abentheurer aufzumuntern sie weiter fortzusetzen und genauer zu bestimmen. Seine Americanischen Besitzungen waren zu ungeheuer und zu reich an Gold und Silber, um den Wunsch nach mehreren rege zu machen. Außer den Küstenfahrern und dem einzigen Gallionschiffe, welches jährlich zwischen Akapulko und Manila die Waaren Asiens gegen Amerikanisches Metall vertauschte, ließ sich kein Spanisches Schiff auf diesem Ocean erblicken. Mich dünkt, die äußerste Gleichgültigkeit gegen alles, was Entdeckung heißt, kann sich nicht stärker zeigen, als durch eben dieses Schiff, welches in einem Zeitraum von zwey hundert Jahren jährlich genau denselben Strich hält, und vierhundertmal an der schönen Gruppe der Sandwichsinseln vorübergesegelt ist, ohne je soweit von seiner gewöhnlichen Bahn abzukommen, daß es sie wirklich entdeckt hätte.
Die Entdeckungsversuche der Spanier aus den frühesten Zeiten dieser Periode hatten die nachtheilige Folge, daß die Geographen an das Daseyn eines großen festen Landes glaubten, welches den ganzen Südpol umgäbe, und sich bis innerhalb des Wendekreises erstreckte. Quiros war in der Übertreibung wirklich so weit gegangen, daß er die von ihm entdeckte Insel Mallikollo für einen Theil dieses festen Landes ausgegeben hatte; und fast ein jeder, der nach ihm es wagte, sich weiter als die Küstenbefahrer, von Amerika zu entfernen, versicherte, wenn er auch kein Land gesehen haben wollte, dennoch Anzeigen eines nahen Continents bemerkt zu haben. Der einzige Seefahrer des vorigen Jahrhunderts, der den Namen eines Entdeckers verdient, der Holländer, Abel Tasinan, bestärkte durch die Entdeckung von Neuseeland jedermann in dieser Meynung. Er fuhr im Jahr 1642 von der Insel Mauritius (jezt Isle de France) südostwärts, bis er die Südspitze von Neuholland entdeckte, welche er nach seinem Gönner, dem Generalgouverneur vom Holländischen Indien, Van Diemen, [118] benannte. Von hier setzte er seinen Lauf ostwärts fort, entdeckte das von ihm zuerst so benannte Neuseeland, befuhr dessen westliche Küste bis zur nördlichsten Spitze, und kehrte dann nordwärts, wo er die Freundschaftsinseln fand, über Neuguinea, nach Batavia zurück. Ob nun gleich Neuseeland von 1643 bis 1768 ohne Widerrede für einen Theil des festen Südlandes galt, so blieb dennoch in diesem ganzen Zeitraume Tasinans Entdeckung ohne Folgen; denn auch die drey Englischen Weltumschiffungen unter Byrons, Wallis und Carterets Anführung, nebst der Französischen unter Bougainville, zeichnen sich durch wenig mehr als diesen leeren Namen, und ihre wissenschaftliche Absicht, von den gemeinen Südseefahrten ihrer Vorgänger aus. Wie diese, hielten sie sich, sobald sie Magellans Meerenge verlassen hatten, an die Küste von Amerika, bis in die Gegend der unbewohnten Inseln von Juan Fernandez; eilten dann, innerhalb des Wendekreises das friedliche Meer, das keine Stürme kennt, zu durchschiffen, und durch die Inselgruppen Indiens nach Hause zu kommen. Wallis und Bougainville trafen wenige Monate nach einander auf die Insel Otaheiti; der erstere fand die Kokosinsel des Le Maire und Schouten wieder, und letzterer berührte die neuen Cycladen, die ehedem Quiros für das feste Südland ausgegeben hatte. Von der durch Quiros Reisegefährten, Torres, entdeckten Durchfahrt zwischen Neuguinea und Neuholland, wußte er aber so wenig, daß er lieber Gefahr lief, mit seiner ganzen Mannschaft Hungers zu sterben, als daß er sich durch diesen kurzen Weg in die Gewässer Indiens begeben hätte. So wenig war alles, was jene Abentheurer unternahmen, bekannt, bestimmt und in der Anwendung brauchbar geworden. Carteret, der einen etwas andern Strich hielt, als die übrigen Englischen Weltumsegler, berichtigte die Lage der Insel Santa Cruz, einer Entdeckung des Mendanna, der er den neuen Namen der Königin Charlotte gab. Was diese neueren Reisen vor den früheren voraus hatten, lag in den Fortschritten, welche die Schiffahrtskunde seit der Zeit gethan hatte. Dadurch, daß man mit bessern astronomischen Werkzeugen versehen war, gewann die Geographie wenigstens so viel, daß die Lagen der Orter genauer bestimmt wurden; und Frankreich gab durch Bougainvilles Ausrüstung das [119] erste Beyspiel von einer zu wissenschaftlichen Endzwecken gehörig eingerichteten Entdeckungsreise, indem es diesem tapfern Officier einen Naturforscher, Commerson, und einen Astronomen, Verron, zugesellte. Mit Talenten, welche in einer Schlachtordnung glänzen konnten, verbanden aber weder die Englischen Officiere, noch der Französische, den Geist der Entdeckung, der vielleicht wirklich auf dem ersten Englischen Weltumsegler Drake, und auf dem wackern Freybeuter Dampier in reichlicherem Maaße geruhet hatte. Jener entdeckte auf seiner im Jahr 1577 unternommenen Reise die Küste Neualbion, nordwestwärts über Californien bis zum 40sten Grade der Breite; dieser beschloß seine Laufbahn 1698 mit einer Entdeckungsreise, auf welcher er, mit wahrem Eifer für die Wissenschaft, einen Theil von Neuholland und Neuguinea, nebst Neubrittannien, den berühmten Salomonsinseln des Mendanna, für die damalige Zeit ziemlich genau untersuchte.
Die Summe aller Entdeckungen, die man seit Magellans Zeiten im Südmeere gemacht hatte, war indeß nichts weniger als beträchtlich. Mehr als dreißig Reiserouten hatten diesen Ocean, den größten unter allen, durchschnitten, ohne mehr als die Lage einiger verlohrnen Inselpünktchen zwischen den Wendekreisen dürftig zu bestimmen; ja die früheren hatten größtentheils, wie die dunkeln Tagebücher der Anführer, diese Denkmäler ihrer Unkunde und geringen Fähigkeit beweisen, mehr Ungewißheit als Licht über jene Weltgegend verbreitet. Noch war die halbe Oberfläche der Erdkugel von tiefer Nacht bedeckt; und welche Traumgestalten schwebten nicht in ihr umher, die den leichtgläubigen Geographen täuschten, und selbst den vernünftigen Forscher verwirrten; scheinbare Muthmaßungen spekulativer Köpfe, müßige auf mißverstandene Überlieferung gegründete Mährchen, und dreiste Erdichtungen vorsetzlicher Betrüger! Rund um den Südpol, bis zum funfzigsten Grad der Breite, war alles, die einzige Spitze von Südamerika ausgenommen, unbekannt. La Roche und Düclos Güyot, zwey Französische Seefahrer, hatten zwar in den Jahren 1675 und 1756 im südatlantischen Meere auf vier und funfzig Graden der Breite eine Insel entdeckt, und Bouvet, ihr Landsmann, wollte 1738 in eben der Breite, weiter ostwärts, Land gesehen haben; allein auch diese [120] wirklichen oder angeblichen Entdeckungen bestärkten nur den Glauben an ein festes Südland, welches nunmehr auf allen Charten erschien. Seine Küsten zeichnete man keck in einer mit Chili fast parallel zum Wendekreise hinablaufenden Linie, ließ sie an einigen Orten bis zum zwanzigsten Grad der Breite in den heißen Erdgürtel sich verlängern, und dann wieder südwestwärts nach Neuseeland steigen. Neuholland, welches das Südmeer gegen Abend vom Indischen Ocean trennt, und an Flächeninhalt Europa beynahe gleichkommt, blieb gegen Osten hin noch gänzlich unerforscht, und in der Nähe des Äquators verlor es sich auf mancher Charte in das von seinen schwarzen Einwohnern benannte Neuguinea.
Unsere nördliche Halbkugel lag von der Seite des großen Weltmeeres in ein ähnliches Dunkel gehüllt. Rußland kannte die natürlichen Gränzen seiner asiatischen Besitzungen noch nicht, und die Amerikanischen Gestade jenseits des vier und vierzigsten Grades waren noch unberührt. Hatte man sich gegen Süden von neuen Welttheilen und festen Ländern träumen lassen, so erstattete wenigstens die Einbildungskraft der Erdbeschreiber dem Ocean am entgegengesetzten Ende der Welt den Raum, den sie ihm abgenommen hatte, und trug sich mit umständlichen Erzählungen von durchschiften Meeren, Meerengen und nordöstlichen sowohl als nordwestlichen Durchfahrten. Ein Admiral de Fonte, der niemals existirt hat, ein griechischer Lootse Juan de Fuca, der mit einer aus der Luft gegriffenen Erzählung sein Glück machen wollte, eine Straße Anian, von der sich niemand einfallen ließ, daß es die Hudsonsenge seyn könnte, 3 und andere ähnliche Verwirrungen veranlaßten gelehrte Kriege und erdichtete Landcharten; und so wie im Süden jede Entdeckung zur Bestätigung des so hartnäckig behaupteten Südlandes gemißbraucht wurde, so mußten auch der verdienstvollen Männer, Bering und Tschirikofs Berichtigungen verschiedener Punkte des Amerikanischen Continents, unter den Händen der Geographen die in ihrem Studierzimmer reiseten, das Daseyn der offenen See im Nordwesten beweisen. Selbst der berühmte [121] Pauw, dessen Prüfungsgeist so manchen Wahn in Absicht auf Amerika vernichtete, war nicht vermögend, aus diesem Chaos von grundlosen Meynungen die Wahrheit hervorzuziehen; vielmehr glaubte er annehmen zu müssen, daß ein Meer von achthundert Meilen den alten Welttheil von Amerika trenne.
Dies war die Lage der Geographie, als Cook erschien, dem es vorbehalten war, in kurzer Zeit die Kenntniß der Erde in das hellste Licht zu setzen. Der Geist der Entdeckung beseelte ihn ganz, und seine Eigenschaften waren dem Geschäfte, wozu ihn das Schicksal auserkohr, so angemessen, daß er allein mehr als alle seine Vorgänger zusammen genommen leistete, und als Seemann und Entdecker, unerreichbar und einzig, der Stolz seines Jahrhunderts bleibt.
Um uns einen Begrif von seiner Thätigkeit zu machen, bleiben wir zuerst bei der Länge des Weges stehen, den er in etwas mehr als zehn Jahren zurückgelegt hat. Die verschiedenen Bahnen seiner großen Reisen, sind zusammen mehr als siebenmal dem Umkreis unserer Erdkugel gleich. Welcher Seefahrer kann sich rühmen, in so kurzer Zeit den ungeheuern Raum von beynah vierzigtausend Meilen durchschift zu haben? Man denke sich eine gerade Linie von eben der Ausdehnung, so fehlt ihr nur ein Viertel ihrer Länge, um die Entfernung von der Erde bis an ihren Trabanten, den Mond, auszufüllen. Doch das riesenmäßige in Cooks Unternehmungen verdient erst alsdenn unsere höchste Bewunderung, wenn wir es in Verbindung mit seinen übrigen Thaten betrachten. Der Mann, der zweymal die ganze Erde umschift hatte, und im Begriffe stand, es zum drittenmal zu thun, der Mann, der kreuz und quer durch alle Oceane des Norden und Süden den langen Weg zurückgelegt hatte, war nun auch mit dem ganzen Erdball so genau bekannt geworden, als trüge er ihn, wie den Reichsapfel, in der Hand. Er hatte, zumal im Südmeer, nicht nur alle wichtigen Entdeckungen früherer Reisen besucht und besichtigt, sondern auch mehr neue Küsten und Inseln befahren, als je ein Seemann der älteren und neueren Zeit vor ihm. Unzählige astronomische Beobachtungen, die er größtentheils selbst anstellen half, bestimmten die Lage aller dieser Länder. Mit einer fast noch bewundernswürdigeren Beharrlichkeit führte er überall das Senkbley, nahm die [122] Küsten, die Buchten, die Häfen, die Sandbänke, die Riefe, die verborgenen und sichtbaren Klippen auf, und entwarf die vortreflichsten Charten und Portulane. Kaum können wir uns rühmen, so zuverlässige, und bis auf die kleinsten Gegenstände genau detaillirte Charten von unseren Europäischen Meeren zu besitzen, als Cook von den Meeren der entgegengesetzten Halbkugel zurückgebracht hat. Ältere Südseefahrer scheuten gleichsam den Anblick des Landes; wo sie Küsten fanden, eilten sie schnell vorüber, oftmals ohne nur den Fuß darauf zu setzen, ohne den Umfang, die Gestalt und den Zusammenhang ihrer Entdeckungen zu untersuchen. Landeten sie auch irgendwo, so nahmen sie sich selten Zeit, den Endzweck einer Landung zu erreichen, und von den vorgefundenen Produkten einigen Vortheil zu ziehen. Ihr Betragen gegen die Eingebohrnen machte gewöhnlich einen schleunigen Abzug nöthig, ehe sie noch die Beschaffenheit der Gegend und ihrer Erzeugnisse erforschen, und mit den Eigenthümlichkeiten der dortigen Menschengattung bekannt werden konnten. Daher fehlte es ihren Berichten so oft an allem Interesse; und weit entfernt, den Forderungen des Physikers und des Weltweisen ein Genüge zu leisten, oder zur Sicherheit künftiger Seefahrer, und zum glücklichen Erfolg ihrer Unternehmungen beyzutragen, wußten sie nicht einmal die müßige Neugier des großen Haufens zu befriedigen.
Cook war auch hier das Gegentheil seiner Vorgänger. Sein Geist, der keinen Müssiggang kannte, sann stets auf Mittel, seinem Volke die Mühseligkeiten ihrer harten Lebensart zu erleichtern, dadurch zugleich die Dauer seiner Reise zu verlängern, seinen Entdeckungen einen weitern Umkreis zu geben, und unsere Kenntnisse vom Reich der Wahrheit durch neue Bemerkungen der Natur, im Menschen so wohl, als in Thieren, Pflanzen und leblosen Körpern, zu bereichern. So weit es also mit dem ihm vorgeschriebenen Reiseplan bestand, oder zu dessen vollständiger Ausführung dienen konnte, hielt er sich bey seinen neu entdeckten Ländern auf, und stellte theils in eigner Person, theils mit Hülfe seiner Reisegefährten, jene sorgfältigen Untersuchungen an, welche man, so lange die Buchdruckerkunst Gedanken verewigt, als Quellen des brauchbarsten, zuverläßigsten und angenehmsten Unterrichts, [123] mit Theilnehmen und Bewunderung lesen wird. Die reichhaltigen Tagebücher seiner Reisen füllen allein sechs starke Quartbände; zwey andere enthalten die astronomischen Beobachtungen, und noch ein Paar andre liefern Nachrichten von merkwürdigen Gegenständen der allgemeinen Physik, und Beschreibungen einiger Naturkörper, obgleich bis jezt noch das allerwenigste von den Entdeckungen der besondern Naturgeschichte im Druck erschienen ist, und Solanders Nachlaß allein mehr als zweytausend Beschreibungen enthält. Sehen wir aber auf den wichtigsten Gegenstand unseres Forschens, auf unsere Gattung selbst; wie viele Völker, die wir zuvor auch nicht dem Namen nach kannten, sind nicht durch die unvergeßlichen Bemühungen dieses großen Mannes bis auf die kleinsten Züge geschildert worden! Ihre körperliche Verschiedenheit, ihre Gemüthsart, ihre Sitten, ihre Lebensart und Kleidung, ihre Regierungsform, ihre Religion, ihre wissenschaftlichen Begriffe, und Kunstarbeiten, kurz alles, sammlete Cook für die Zeitgenossen und die Nachwelt, mit Treue und unermüdetem Fleiß.
Niemand kannte also den Werth des vorübereilenden Augenblicks besser, und niemand benutzte ihn so gewissenhaft, als er. In einem gleichen Zeitraum hat niemand je die Gränzen unseres Wissens in gleichem Maaße erweitert. Seine unmittelbaren Vorgänger glaubten allen Forderungen der Nachwelt ein Genüge gethan zu haben, wenn sie innerhalb zwey und zwanzig Monaten die Erde umschiften; denn diese Umschiffung allein schien ihnen verdienstlich genug. Carteret blieb zwar etwas länger aus, weil er einen Monsun versäumte; 4 doch brachte er diese Zeit in Häfen zu, die Europäern gehörten. Cook hingegen irrte auf seiner ersten Reise beynah drey Jahre umher. Die zweyte umfaßte einen noch längern Zeitraum; und die dritte, deren Ende er nicht erlebte, die er aber, selbst nach seinem Tode, noch zu lenken schien, dauerte [124] mehr als vier Jahre! Doch es ist Zeit, seine Laufbahn und die Entdeckungen, welche diese drey unnachahmlichen Fahrten bezeichnen, dem Auge näher zu rücken.
Der wichtige Zeitpunkt, wo die Venus zum zweytenmal im gegenwärtigen Jahrhundert vor der Sonnenscheibe vorübergehen sollte, gab die Veranlassung zu Cooks erster Reise in die Südsee. Von der Beobachtung dieses Phänomens, an entgegengesetzten Enden der Erde, hing die Bestimmung der Sonnenparallaxe, folglich der Entfernung und Größe dieses ungeheuren Weltkörpers selbst, vorzüglich ab. Die gelehrten Gesellschaften wetteiferten bey dieser Gelegenheit miteinander in Anstalten, um den merkwürdigen Augenblick in seinem ganzen Umfange zu benutzen. Die Akademie der Wissenschaften zu Paris sandte daher den Abbé Chappe nach Californien, und die Königliche Societät in London beschloß Herrn Green ins stille Meer zu schicken. Ihr damaliger Präsident, Lord Morton, wußte die Bittschrift der Gesellschaft, und die gute Sache der Sternkunde mit so großem Nachdruck zu unterstützen, daß König Georg der Dritte die Ausrüstung eines kleinen Schiffs zu diesem Vorhaben bewilligte. Cook bestieg dieses Fahrzeug, Endeavour oder das Bestreben, als commandirender Lieutenant. Herr Banks, ein bemittelter Privatmann, und D. Solander, ein gelehrter Schüler des verewigten Linné, begleiteten ihn, als Liebhaber der Botanik und Freunde der Naturkunde überhaupt. Im Jahr 1768, den 26sten August verließen sie die Rheede von Plymouth.
Anstatt, wie Byron, Wallis und Bougainville durch die magellanische Meerenge zu gehen, umschifte Cook das Cap Horn, welches seit Ansons Reise das Schrecken der Seefahrer geblieben war. Es ist bekannt, mit welcher unumschränkten Macht die Vorurtheile den gemeinen Seemann, er sey von welchem Range er wolle, beherrschen. Ein Sturm, der zur Unzeit einen Schiffer auf einer wenig besuchten Fahrt etwas unsanft bewillkommt, kann andern Seefahrern zuweilen auf ein halbes Jahrhundert die Lust zu neuen Versuchen benehmen. So glaubten einst die Portugiesen, man könne oder dürfe das Cap Non in Afrika nicht umschiffen, bis Don Heinrichs Genius diesen Wahn besiegte, und den Weg zur Entdeckung Indiens bahnte. Cook fuhr nicht nur sicher und [125] ohne irgend einen widrigen Zufall, um jene südlichste Spitze von Südamerika; sondern voll des kühnen Forschungsgeistes, der ihn auf der zweyten Reise so oft jenseits der Gränzen des antarktischen Polkreises trieb, näherte er sich zugleich dem furchtbaren Südpol, von dessen völliger Untersuchung ihn aber für diesesmal der Endzweck seiner Reise abhielt. Es kam jetzt alles darauf an, die Insel, welche zur Beobachtung des Durchgangs ausersehen war, zu rechter Zeit zu erreichen. Zufrieden also, gezeigt zu haben, wie leer die Furcht vor jenen antarktischen Wogen und jenen mehr als kimmerischen Finsternissen sey, die Ansons Historiograph so sehr ins Schwarze mahlt, hielt er vor dem Punkt, wo er den sechzigsten Grad der südlichen Breite durchschnitt, einen Lauf, der geradesweges auf sein Ziel gerichtet war. Diese Richtung ist in doppelter Rücksicht merkwürdig. Sie zeichnet sich vor allen früheren Fahrten dadurch aus, daß sie weit von der Amerikanischen Küste ins unerforschte Südmeer geht, und jenen wohlbekannten Weg verläßt, den so viele Seefahrer, die doch auch zu den Entdeckern gezählt seyn wollen, einander blindlings nachgegangen sind. Zugleich aber gebührt ihr das Verdienst, den Ocean auf einem großen Strich, den ihm die Geographen eigenmächtig abgesprochen, und dem Kinde ihrer Phantasie, dem festen Südlande, zuerkannt hatten, wieder in sein altes Recht eingesetzt, und auf ewige Zeiten darin bestätigt zu haben. In der That segelte Cook westwärts hinter der Stelle weg, wo Juan Fernandez und Jacob l'Hermite das feste Land gesehen, und hinter einer andern, wo es Quiros nur gewittert haben wollte.
Zwischen vielen flachen Inseln hin, welche innerhalb des Steinbockskreises liegen und aus Korallenbänken bestehen gelangte er nach O-Taheiti, der berühmt gewordenen Insel die Wallis kurz zuvor entdeckt hatte. Der Hauptgegenstand der ganzen Reise, die Beobachtung des merkwürdigen Durchgangs der Venus, und die dazu erforderlichen Vorbereitungen, verzögerten seinen Aufenthalt daselbst. Für die Naturgeschichte und Astronomie war diese Zeit nicht verloren; doch auch selbst die Geographie hatte den Vortheil davon, daß Cook die ganze Insel, die etwa dreyßig Meilen im Umkreise hat, in seinem Boot umschiffte, und sich von ihren Distrikten, [126] ihren Ebenen und Flüssen, ihren umgebenden Riefen und bequemen Ankerplätzen die genaueste Kenntniß verschafte. Auch die Entdeckung der ganzen nah gelegenen Gruppe der Societätsinseln war eine Frucht von dem freundschaftlichen Verkehr mit den Einwohnern von Taheiti, und insbesondere von dem Entschlusse des Tupaia, eines angesehenen Mannes aus jener Weltgegend, mit Cook zu Schiffe zu gehen. Außer den bereits entdeckten Inseln Taheiti, Mäatea, und Tabuamanu lernte man nun auch Huaheine, O-Raietea, O-Tahah, Bolabola und Maurua kennen.
Der Entdecker eilte nunmehr, seinen Verhaltungsbefehlen gemäß, gegen Süden, um das hochgepriesene Südland aufzusuchen, welches in dieser Gegend, der Mitte des großen Weltmeeres, nicht weit vom Wendekreise liegen sollte. Allein er setzte seinen Lauf bis zum vierzigsten Grad der Breite in gerader Linie ungehindert fort, ohne nur eine Spur von nahem Lande wahrzunehmen. Weiter in den Ocean vorzudringen, verwehrte ihm diesmal die Schwäche seines Schiffes. Er wandte sich also westwärts, und suchte die Küsten von Neuseeland auf, die seit ihres ersten Entdeckers, Tasmans, Zeiten nicht wieder besucht worden waren. Man wußte von diesem Lande überhaupt wenig mehr, als daß es vorhanden sey, und streitbare Einwohner habe; denn Tasmans kurzer Aufenthalt hatte ihm nicht erlaubt, genauere Nachrichten einzuziehen, und richtige Charten, die künftigen Seefahrern zu Wegweisern hätten dienen können, zu entwerfen. Cook entdeckte das Land am 6ten Oktober 1769, von der Ostseite her, umschiffte es ganz, und verließ es endlich am 31sten März des folgenden Jahres. Man hatte es bisher für einen Theil des festen Südlandes gehalten; Cook fand aber, daß es zwey Inseln von ansehnlicher Größe wären, im ein und vierzigsten Grad der Breite durch eine Meerenge getrennt, die zum Gedächtniß des Entdeckers Cooksstraße heißt. Von diesem Punkt aus, erstreckt sich die südliche Insel südwestwärts bis gegen den acht und vierzigsten, und die nördliche nordwestwärts bis zum vier und dreyßigsten Grad der Breite. Ihre Seeküsten, welche Cook in Zeit von sechs Monaten mit unermüdetem Eifer untersuchte, können leicht achthundert Seemeilen betragen, und ihr Flächeninhalt dürfte dem von England nicht [127] viel nachstehen. Die Anzahl der bequemen und sichern Häfen, der Inselchen und Klippen, welche um die beyden grossen Inseln hergestreuet liegen, muß jeden Sachkundigen, der ihre Entdeckung und genaue Bestimmung, als das Werk eines einzigen Mannes in einem so kurzen Zeitraum, betrachtet, mit Erstaunen und Ehrfurcht erfüllen. Wenn man aber die bescheidene Erzählung dieser Thaten in Cooks einfacher Sprache liest, wenn man erfährt, mit welchen unvermeidlichen Gefahren, der kühne Argonaute, der sein Werk nicht unvollendet lassen will, in jenen stürmischen und unbekannten Meeren zu kämpfen hat; wie ihm dort eine verborgene Klippe, auf die sein Schiff ganz unversehens stößt, den Untergang droht; wie mitten im Sommer im fünf und dreyßigsten Grad der Breite, der stärkste Sturm, den er bis dahin noch erlebt, drey Wochen lang wüthet; wie eine wirbelnde Fluth, ihn unaufhaltsam gegen einen steilen Felsen schleudert, und nur ein Ankerwurf in die ungeheure Tiefe von fünf und siebenzig Faden ihn noch rettet; wie endlich am südlichsten Ende des Landes, sechs volle Meilen weit von der Küste, eine Felsenbank 5, gleichsam zur Falle aufgestellt ist, und dem unbesorgten Seemann in der Nacht auflauert; – wenn man diese schnell aufeinander folgenden Begebenheiten aufmerksam erwägt, so wird man auch empfinden müssen, um welchen Preis sich Cook einen Namen im Tempel des Ruhms erkauft hat. Mehr als einmal befand er sich nebst seinen Reisegefährten in augenscheinlicher Lebensgefahr, indem er auch am Lande selbst seine Untersuchungen fortsetzte; ein unerklärliches Etwas, welches man dem Ungefähr oder einem Deus ex machina zuschreibt, wenn man die Verkettung der Ursachen und Wirkungen vergißt, rettete ihn oft aus den Händen der barbarischen Einwohner. Demungeachtet gelang es ihm, die Produkte dieser merkwürdigen Inseln, und selbst das wilde Volk, das hier vom Fischfang lebt, genau zu erforschen. Seine Nachrichten beweisen zur Genüge, daß zumal die nördliche Insel, wegen ihrer vortreflichen Häfen, ihrer Anhöhen, Thäler und wohlbewässerten Ebenen, ihres gemäßigten Himmelsstrichs, ihrer herrlichen Wälder vom besten Bau- und Nutzholz, ihrer dauerhaften Flachspflanze und [128] ihrer fischreichen Gestade, dereinst für unternehmende Europäer eine höchst wichtige Entdeckung werden kann. In dem leichten, fruchtbaren Boden jenes Landes würden alle Arten von Europäischem Getraide, von Pflanzen und Früchten gedeihen, und den Ansiedler mit den Nothwendigkeiten des Lebens, bald aber auch mit allem was zum Überfluß gehört, versehen. Ein Sommer, wie in England, dessen Hitze nie beschwerlich fällt, und ein Winter, wie in Spaniens gemäßigten Provinzen, der eigentlich kein Winter ist, machen das dortige Klima zum angenehmsten Aufenthalt. Für den weit um sich greifenden Handel, der getrennte Welttheile verbindet, kann keine Lage vortheilhafter seyn als diese, welche zwischen Afrika, Indien und Amerika die Mitte hält. Man denke sich in Neuseeland einen Staat mit Englands glücklicher Verfassung, und es wird die Königinn der südlichen Welt.
Der März war schon verflossen, der Winter des antarktischen Himmels nahte mit seinen Stürmen heran, und noch berathschlagte man, ob der Rückweg nach England über Ostindien, oder durch das große Südmeer, und um Cap Horn gehen sollte? Cooks Wünsche neigten sich auf diese letzte Seite; allein sein gebrechliches Fahrzeug gab zum zweytenmale den Ausschlag wider ihn, und sein Verlangen, jezt ein für allemal die Frage vom Daseyn eines Südlandes zu entscheiden, mußte der Vorsorge für die Sicherheit und Erhaltung der ihm anvertrauten Mannschaft weichen. Vielleicht – so kurzsichtig sind der Menschen Entwürfe! – vielleicht wäre indessen die Fahrt durch das Südmeer mit Hülfe günstiger Westwinde kürzer und sicherer gewesen, als die andre, die man an ihrer Stelle wählte; vielleicht hätte Cook alsdann alle seine Reisegefährten gesund nach Europa zurückgebracht, anstatt daß auf dem Wege, der ihnen weniger gefährlich schien, die verpestete Luft von Batavia den vierten Theil der ganzen Reisegesellschaft hinwegrafte! Allein der unermüdete Seemann sollte noch die ganze Ostküste von Neuholland entdecken. Dieses Land, welches man entweder die größte Insel, oder ein drittes Continent nennen kann, ward an der Westseite zuerst im Jahr 1616 entdeckt. Von dieser Zeit an befuhr man nach und nach immer mehr davon, bis Tasinan, wie ich schon vorhin erwähnte, die südliche Spitze im Jahr 1642 zu sehen [129] bekam. Indeß verursachte die niedrige Lage jener Küste, daß man sich ihr nicht dreist zu nahen wagte, und daß also blos ihr ungefährer Umriß bekannt werden konnte. Die Seite gegen das stille Meer oder gegen Morgen hin, hatte noch kein Seefahrer berührt, als Cook sie auf einer Strecke von sechshundert Seemeilen befuhr. Sie ist höher als die andere, aber eben so von Untiefen und Klippen, dem bewundernswürdigen Bau gewisser polypenartigen Thierchen, umringt. Ihre kalkigten Wurmgehäuse wachsen am unergründlichen Boden des Meeres fest, und werden, so wie das Thier in den untersten Stämmen abstirbt, zu wahren Felsenmauren von Korall, welche oberwärts immer neue Äste treiben, und sich zuletzt, je näher sie der Oberfläche des Meeres kommen, nach allen Richtungen ausbreiten. Solche Korallenmauern sind es, an denen die hohe Woge des vom beständigen Ost-Passatwind erregten Meeres sich schäumend brandet, und die der Seemann Riefe nennt. Oft erstrecken sie sich rund um Inseln her; oft ziehen sie sich mehrere hundert Meilen, wie hier bey Neuholland, in paralleler Richtung mit den Küsten; oft stehen auch mehrere dergleichen Riefe hintereinander. Zwischen ihnen und dem Lande ist ein ruhiges Meer; denn die hereinrollende See bricht sich an der Schutzmauer, die ein Wurm ihrem Ungestüm entgegen zu setzen vermochte, und fließt entkräftet über sie hin, oder kömmt durch enge Brüche und Öfnungen hinein, welche zugleich den Schiffen zur Ein- und Ausfahrt dienen. Allein in diesem gleichsam abgedämmten Zwischenraume häuft sich der Sand, den die Fluth zwar hinein, doch nicht die Ebbe wieder hinweg spülen kann, zu großen Sandbänken und Untiefen, welche der Schiffarth neue Hindernisse und Gefahren bereiten. Kommt nun noch der Umstand dazu, daß anstatt eines zusammenhängenden Riefs nur eine Menge kleiner zerstreuter Wurmrepubliken ihren Zellenbau führen, wovon der eine mehr, der andere weniger gediehen ist; so geht das Schreckliche einer solchen Meeresgegend über alle Beschreibung. Die Wachsamkeit des Seemannes vermag fast nichts gegen jene plötzlichen Abwechselungen der Tiefe, die er zitternd durch das Senkbley erfährt. Bald ergründet er sie nicht mit mehr als hundert Klaftern; bald schwebt er über Korallenzinken hin, die wie Thürme [130] und Ruinen ihre schroffen Spitzen in die Höhe strecken, und beynahe den Boden seines Schifs berühren. Mit Angst und Entsetzen sucht er einen Ausweg, durch den er wieder in die offene See gelangen, und sich von furchtbaren Syrten entfernen könne, wo ihn der Tod in tausend Gestalten umringt. Nicht also Cook, der Entdecker! Fünf Monate lang blieb er an dieser Küste, folgte allen ihren Krümmungen, nahm ihre Häfen und Bayen auf, bestimmte die Lage vieler hundert Untiefen und Klippen, und verließ sie nicht eher, als bis er sie vom acht und dreyßigsten bis zum zehnten Grade südlicher Breite durchaus entdeckt, und endlich zwischen ihrer Nordspitze und den Inseln von Neuguinea die Durchfahrt gefunden hatte, welche von seinem Schiffe, den Namen Endeavourstraße erhielt. Fast sollte man auf den Gedanken gerathen, daß auch der verwegenste Schwung einer romanhaften Einbildungskraft noch nicht an die wirklichen Thaten reicht, die hier dem hartnäckigen Ausharren, der unerreichbaren Kunst, und vor allem, dem innern edlen Antrieb einer brennenden Ruhmbegierde möglich waren. Man muß die Geschichte dieser Fahrt selbst lesen, wenn man sich von den Schwierigkeiten, die Cook hier überwand, den Gefahren die ihm drohten, und dem standhaften Muth, womit er sich, das Senkbley in der Hand, zwischen den Felsenwänden und Ketten und Klippen durchtastete, einen vollständigen Begrif machen will. Alle seine Behutsamkeit konnte es jedoch nicht verhindern, daß sein Schiff auf einen verborgenen Felsen stieß wo es vier und zwanzig Stunden lang hangen blieb, indessen jedermann dem schrecklichen Augenblick seines Untergangs entgegen sah. Nur die glücklichen Umstände, daß der gewöhnliche Seewind still war und keine hohen Wellen erregte, daß ein Stück des Felsens in dem Schiffe stecken blieb, und die Wunde die er ihm gerissen hatte, beynahe ganz ausfüllte, daß einem Officier ein sonderbares Mittel den Leck zu verstopfen gelang, und endlich, daß sich ein zur Ausbesserung bequemer Hafen in der Nähe fand, bewirkten diesmal eine unerwartete Rettung.
Cook und seine gelehrten Mitreisenden benutzten den Aufenthalt in Neuholland, um dessen Naturprodukte und andere Merkwürdigkeiten, von denen man bis dahin wenig [131] wußte, genau zu erforschen. An einem Orte, den man zum Andenken Botany-Bay genennet hat, erhielt die Kräuterkunde einen Zuwachs von beynahe vierhundert neuen Arten. Das Innere dieses Landes verspricht noch eine reichere Erndte von unbekannten Gegenständen, da theils die Lage und das Klima, theils die ansehnliche Größe desselben diese Erwartung begünstigen. 6 Doch wir kehren zu den für die Geographie errungenen Vortheilen zurück, welche hier eigentlich in Betracht kommen müssen. Diese Ostseite von Neuholland, mit den vorhin beschifften neuseeländischen Gestaden zusammengerechnet, würde in der That, wenn man sie sich in einem fortlaufend gedächte, eine weit längere Küste bilden, als die, welche Amerigo Vespucci zwar befahren, aber bey weitem nicht untersucht, vielweniger in Charten genau entworfen hat. Gleichwohl war dies der einzige Grund, der die Benennung der neuen Welt nach diesem flüchtigen Entdecker noch einigermaßen rechtfertigen konnte. Aber Columbus und Cook sind Namen, die auch ohne einen solchen Tribut, (welcher doch nur ihnen gebührte,) der Vergänglichkeit trotzen. Mit dem Bewußtseyn, mehr geleistet zu haben, als je die Pflicht auferlegen kann, mit diesem unverwelklichen Lohne, der die Flamme des Genius nährt, verließ nunmehr unser großer Seemann den Schauplatz seiner Entdeckungen, und ging, über Batavia und das Vorgebirge der guten Hofnung, nach England zurück.
Cook wurde bald nach seiner Rückkunft zur Führung einer zweyten Entdeckungsreise ernannt. Hatte ein Phänomen des Himmels seine erste Ausrüstung veranlaßt, so war es nunmehr der glückliche Erfolg, womit er sich seines vorigen Auftrags entledigt hatte, der selbst bey seinen Obern einen Grad von Enthusiasmus für die Erweiterung der Erfahrungswissenschaften erweckte. So umstrahlt der Glanz des wahren Verdienstes auch den, der es zu ehren weiß; so darf ein ganzes Volk auf seine grossen Männer stolz seyn, daß es sie ihrer würdig beschäftigt.
Nach einem Zwischenraum von wenig mehr als einem Jahre ging Cook am 13ten Julius 1772 mit zwey Schiffen wieder in See, und ward von Sternkundigen, Naturforschern und [132] Zeichnern begleitet, die man auf öffentliche Kosten unterhielt. Dadurch ward auch meinem Vater und mir das Glück zu Theil, die Welt von Westen nach Osten zu umschiffen. An dem Plan zu dieser Reise hatte Cook selbst, der dabey zu Rathe gezogen ward, unstreitig den wichtigsten Antheil. Alle seine bisherigen Entdeckungen hatten den Glauben an ein festes Südland bey spekulativen Geographen noch nicht wankend gemacht. Der feste Punkt von dem sie ausgiengen, war jenes nothwendige Gleichgewicht zwischen der nördlichen und südlichen Hälfte der Erdkugel, welches sie als eine ewige Wahrheit vorauszusetzen beliebten. Dies erforderte nun durchaus ein großes Land im Süden, um, ich weiß nicht welch ein Überschlagen unseres Planeten zu verhüten, wovon sie selbst wohl keine deutlichen Begriffe hatten. Was half es also Cook, daß er Neuseeland umschifft, und des Lootsen Juan Fernandez vorgebliche Entdeckung abgeschnitten hatte, daß er auf vierzig Grade südlicher Breite mitten ins Südmeer vorgedrungen war; wenn jenseits seiner Bahnen noch ein beträchtlicher Strich des Oceans unbefahren blieb, wohin der Glaube flüchten konnte? Er hatte zwar einen grossen Sieg für die Wahrheit errungen; allein um die Unwissenheit und die Unvernunft ganz aus dem Felde zu schlagen, mußte er noch einmal das Ruder ergreifen. Er that es; und wählte sich einen kühnen Weg um den Südpol, der auch die letzte Spur jener erdichteten Länder vertilgte. Drey Sommer nach einander brachte er mit dieser Umschiffung größtentheils jenseits des sechzigsten Grades der Breite, und mehrmals innerhalb des südlichen Polkreises zu. Die dazwischen fallenden Winterzeiten, wo eine sechsmonatliche Nacht nebst der Kälte und den Stürmen jenes unfreundlichen Meeres die fernere Entdeckungsfahrt unterbrachen, wußte er auf eine doppelte Art, zur Erholung seiner Mannschaft, und zur ferneren Berichtigung aller innerhalb des Steinbockskreises liegenden Inselgruppen zu benutzen. Auf einer viermonatlichen Fahrt vom Vorgebirge der guten Hofnung nach Neuseeland, ging er zuerst über den Polkreis, dann hinab in den südlichen Theil des indischen Meeres bis zum acht und vierzigsten Grade südlicher Breite, und blieb endlich wieder auf einer Strecke von sechshundert Seemeilen in der Nähe des sechzigsten [133] Grades. In Neuseeland vereinigte sich mit der Resolution, dem Schiffe welches Cook selbst führte, die Adventure, die sich in einem dreytägigen Nebel von ihm verloren hatte. Ihr Befehlshaber, Furneaux, hatte die Zeit der Trennung benutzt, um Van Diemens Land zu besuchen und dessen Zusammenhang mit der Ostküste Neuhollands außer Zweifel zu setzen. Nach dieser Vereinigung begab sich Cook zu seinen Freunden, den gutmüthigen Bewohnern der Societätsinseln, und eilte dann fünfhundert Seemeilen weiter nach Westen, um die Lage der Inseln Amsterdam und Middelburg, die Tasman als er von Neuseeland kam, entdeckt hatte, genau zu bestimmen. Schon auf dem Hinwege nach O-Taheiti hielt er seinen Lauf zwischen vierzig und funfzig Graden der Breite bis in die Mitte des Südmeers, ohne es sich anfechten zu lassen, daß damals der Winter in jener Halbkugel herrschte. Er gewann dadurch einen ansehnlichen Theil des für den künftigen Sommer aufgehobenen Schauplatzes seiner Untersuchungen, und konnte nun, nachdem er von Amsterdameiland nach Neuseeland zurückgegangen war, seinen Weg sogleich viel südlicher nehmen. Demungeachtet blieb die Ausdehnung des noch unberührten südlichen Eismeeres fürwahr ungeheuer, und würde jeden andern als Cook zurückgeschreckt haben. Ein Sturm hatte die Adventure zum zweytenmal von ihm verschlagen, und er sah sich genöthigt, mit seinem einzelnen Schiffe den Gefahren zweyer kommenden Jahre entgegenzugehen. Mit welchem Ungemach der Seefahrer in jenen hohen südlichen Breiten zu kämpfen habe, wie ungestüm die See, wie trübe und kalt die Luft, wie zahlreich und gefährlich die schwimmenden Eisberge und festen Eisfelder dort wären, dies alles hatte seine erste Fahrt vom Cap ihn schon gelehrt. Doch eben die Erfahrung von überstandenen Mühseeligkeiten, war für ihn ein Antrieb mehr, die Vollendung eines Reiseplans zu wagen, der beynahe zur Hälfte schon gelungen war. Über Londons Antipoden hinaus, ging also die zweyte Sommerfahrt dem Südpol entgegen; allein um keine beträchtliche Meeres-Gegend unerforscht zu lassen, machte Cook, nachdem er mehr als fünfhundert Seemeilen in der Nähe des antarktischen Kreises fortgesegelt war, eine bogenförmige Excursion gegen Norden, bis zum funfzigsten Grade südlicher Breite, [134] und kehrte erst alsdann zur Untersuchung des Süden mit dem festen Entschlusse zurück, nun noch zum letztenmal so weit als möglich vorzudringen. Das Eis, welches bisher seinem unbezwingbaren Forschungsgeiste, bald im fünf und funfzigsten, bald im vier und sechzigsten, bald erst im sieben und sechzigsten Grade der Breite eine Mauer entgegengestellt hatte, schien diesesmal den Vorsatz des Entdeckers weit mehr zu begünstigen. Er erreichte den zwey und sechzigsten Grad ohne eine Eisscholle anzutreffen, und überschritt den siebzigsten, ohne ein Hinderniß vor sich zu sehen. Schon schmeichelte man sich mit der Hofnung eben so weit gegen Süden zu kommen, wie andre Seefahrer gegen Norden, als endlich am 30 Januar 1774, ein Eisfeld von unabsehlicher Grösse dieser südlichen Fahrt in der Breite von 71 Graden 10 Minuten das Ziel steckte.
Ich werfe hier einen Blick auf die Länge des zurückgelegten Weges und erstaune selbst über eine Reise, die ich mit gemacht habe, die mir aber nach dreyzehn Jahren, wie eine Traumbegebenheit, wunderbar vorkommt. Ohne die vielen Abweichungen von der geraden Route, oder auch den Weg von Neuseeland nach O-Taheiti und wieder zurück, der allein mehr als drittehalbtausend Seemeilen beträgt, in Anschlag zu bringen, hatten wir bisher in achtzehn Monaten mehr als zwey Drittel von der ganzen Erde umschifft, und fast überall bis zum sechzigsten Grade, ja oft weit jenseits desselben, vergebens das Südland gesucht. Es ist wahr, der Mangel des Landes trug zur Beschleunigung unserer Fahrt nicht wenig bey; allein es gehörte wahrlich Cooks ganze Festigkeit des Charakters dazu, um sie unter den Umständen, worin wir uns befanden, so sehr in die Länge zu ziehen. Denn zu geschweigen, daß die Schiffahrt in hohen Breiten, selbst der nördlichen Halbkugel, wegen der veränderlichen und ungestümen Winde an sich schon höchst beschwerlich ist, so ward hier die Gefahr noch durch eine Menge zusammentreffender Schwierigkeiten vermehrt. Insgemein wechselten Nebel und Stürme mit einander ab; oft stürmte es auch sogar bey finsterm Nebelwetter; oft sahen wir die Sonne zu vierzehn Tagen und drey Wochen nicht. Umringt von unzähligen Eismassen, die wie schwimmende Inseln aus dem Meer [135] hervorragten, und nur desto gefährlicher waren, weil sie ihre Stelle verändern konnten, sahen wir sie oft nicht eher, als bis es fast zu spät war, das Schiff umzulenken; und wie viel Mal mögen wir nicht, ohne es zu wissen, in der Dunkelheit dem Untergange nur eben entronnen seyn! Wie oft haben wir nicht neben uns das Brausen der Woge, die sich an Eisfelsen brach, mit Schrecken gehört, ohne mit dem Auge den nahen Gegenstand unserer Besorgnisse erreichen zu können! Es war der Sommer, den wir in dieser beeisten Weltgegend verlebten; aber ein Sommer, wo es als eine Seltenheit angezeichnet ward, wenn das Thermometer einen Grad über dem Gefrierpunkte stand! Bey weitem die längste Zeit blieb es unter diesem Punkte; das Tau- und Takelwerk des Schiffs war mit Eiszapfen behangen, mit Rinden von Eis überzogen; Schnee und Schlossen und Hagelwetter wechselten mit kalten Regenschauern ab. Diese Witterung, die das Schiff in seinen Segeln und Stricken so heftig angriff, daß sie vor der Zeit morsch wurden und zerrissen, äußerte auch bey der unabläßigen Anstrengung, und einer viermonatlichen Schiffskost von veraltetem Pöckelfleisch und schimmlichten Zwieback, seine nachtheilige Wirkung auf die sonst eiserne Gesundheit der Mannschaft. Cook hatte zwar das Glück, durch sorgfältige Anwendung der bewährtesten Vorkehrungsmittel den Ausbruch des Scharbocks unter seinen Leuten zu verhüten; allein Entkräftung war bey einem so langwierigen Mangel an allen Erfrischungen unvermeidlich. Er selbst, von Jugend auf zu dieser harten Lebensart gewöhnt, und in dem Vorsatz unerschütterlich, als Anführer einer Entdeckungsreise durch sein Beyspiel auch im Genuß ihrer Speisen den Muth und Eifer seines Volks aufrecht zu halten, erlag endlich unter dem so vielfältig auf ihn losstürmenden Ungemach. Als auf unserer Rückkehr von jenem südlichsten Punkte unserer Laufbahn die Kälte den völligen Ausbruch des Gallenfiebers nicht länger zurückhielt, sahen wir schon den Augenblick, wo alle Hofnung, ein so theures Leben zu retten, verschwand. Allein bis der Entdecker alle Lücken der Erdkunde ausgefüllt haben würde, gab ihn sein Genius nicht zum Opfer hin.
Von dem Orte, wo Cook das Eis zum letztenmal verließ, bis zu den Marquiseninseln des Mendanna, beträgt die Entfernung [136] ein und sechzig Grade der Breite. Des Umwegs ungeachtet, den er über Roggeweins dürre Osterinsel nahm, legte er diesen Weg von mehr als anderthalbtausend Seemeilen in zwey Monaten zurück, und befand sich dadurch plötzlich aus einem Extrem ins andere, von antarktischer Kälte in die stärkste Hitze versetzt. Der Einfluß der erquickenden Landluft, die Früchte und Wurzeln des heissen Erdstrichs, und das frische Fleisch welches er hier und auf einem zweyten Besuch in O-Taheiti von den Einwohnern erhandelte, waren mehr als hinreichend, ihm und uns allen neue Kräfte und unternehmenden Eifer zu schenken. Da Neuseeland im vorigen Jahre sein erster Erfrischungsplatz gewesen war, so hatte er zum Aufenthalt im heissen Erdgürtel nur einen kurzen Zeitraum erübrigt. Jezt, da er seinen Untersuchungen sechs volle Monate widmen konnte, beschloß er die ganze Breite des stillen Meeres nach Westen hin noch einmal zu durchschiffen. Von den Inseln, die Tasman gesehen hatte, ward nunmehr zuerst Rotterdam besucht, und ihr zweyter Entdecker gab der ganzen Gruppe den Namen der Freundschaftlichen Inseln, den ihre Bewohner an uns so wohl verdienten. Ich übergehe die einzelnen Inseln, die er auf der Fahrt von den Societätsinseln dorthin, und weiter jenseits ent deckte. Noch lag unerforscht in Westen ein Land welches Quiros dem heiligen Geiste zugeeignet hatte. Auch Bougainville war unverhoft darauf zugekommen, doch nicht um es genauer zu erforschen sondern um ihm einen neuen Namen zu geben. Cook steuerte von den Freundschaftlichen Inseln hin, und entdeckte daselbst einen Archipelagus von mehr als zwanzig großen und kleinen fruchtbaren Inseln, die zwischen dem vierzehnten und zwanzigsten Grade der Breite liegen. Er umschiffte sie alle, nahm ihre Häfen und ihre ganze Lage mit der ihm eigenen Genauigkeit auf, und erwarb sich dadurch das Recht, sie unter der Benennung der neuen Hebriden bekannt zu machen. Kaum hatte er sie verlassen, so gerieth er am 4ten September an eine ganz neue, und nie zuvor gesehene Insel von beträchtlichem Umfang, die den Namen Neucaledonien erhielt. Sie erstreckt sich zwischen dem zwanzigsten und drey und zwanzigsten Grade der Breite ungefähr siebzig bis achtzig Seemeilen von Nordwesten nach Südosten, als ein langer schmaler[137] Streifen Landes, das in seiner Gebirgsart und Produkten mit Neuholland viel ähnliches haben soll. Von dieser Entdeckung eilte Cook, nachdem er noch ein kleines Eiland auf seinem Wege gefunden hatte, zum drittenmale nach Neuseeland, dem Entstehungspunkte seiner südlichen Expeditionen, zurück. Drey Wochen waren ihm eine hinreichende Erholungszeit, in welcher das Schiff zum harten Kampfe mit den Elementen von neuem in Stand gesetzt, und die Mannschaft mit Fischen und blutreinigenden Kräutern reichlich erquickt werden konnte. In Zeit von fünf Wochen trugen uns die westlichen Stürme mit unglaublicher Schnelligkeit funfzehnhundert Seemeilen weit über die ganze Breite des Südmeeres, an die Küsten des Feuerlandes in Amerika; und so vollendete Cook die Untersuchung jenes großen vor ihm noch unbekannten Oceans, durch eine neue Fahrt, die zwischen seinen vorigen gleichsam die Mitte hielt. Zum zweytenmal in seinem Leben umschiffte er dann das Vorgebirge Horn, diesmal von Westen nach Osten, und in so geringer Entfernung, daß seine Lage nun endlich genau bestimmt werden konnte. Die von La Roche und Düclos Güyot berührte Insel, entdeckte auch Cook zum drittenmal, und nannte sie Georgien. Auf ihren Gebirgen, und bis in ihre Thäler hinab liegt das ganze Jahr hindurch ewiges Eis. Als er von hier aus den letzten Versuch machen wollte, sich dem Südpol zu nähern, hemmten Eisfelder bereits im sechzigsten Grade seinen Lauf; doch fand er auf dem Rückwege noch eine beeiste hohe Gebirgsmasse, das Sandwichsland, womit er die lange Reihe seiner Entdeckungen für diesesmal beschloß, und über die Meeresgegend, wo Bouvet eine Wolke oder einen Eisberg für Land angesehen hatte, nach dem Vorgebürge der guten Hofnung zurückkehrte. Zwey Jahre und vier Monate waren verflossen, seit er den dortigen Hafen verließ; und in diesem ganzen Zwischenraume hatte er keine einzige Besitzung der Europäischen Nationen berührt. Rechnet man aber die einzelnen Tage zusammen, die er vor Anker zugebracht, so füllen sie kaum den vierten Theil dieser Periode aus; mehr als zwanzig Monate hatten wir also in unbekannten Meeren, ohne Land zu sehen, umhergekreutzt. Doch das größte Wunder dieser Reise bleibt noch zu erwähnen übrig. Am dreyßigsten Julius 1775 brachte [138] Cook sein Schiff nach England zurück, und von einhundert neunzehn Personen, die seiner Führung und väterlichen Vorsorge genossen, hatte er trotz aller überstandenen Gefahren und Mühseligkeiten, nur drey durch Zufall, und nur Einen durch Krankheit verloren.
Wenn es noch nöthig seyn sollte, ein Wort zum Zeugniß für unsern großen Seemann herzusetzen, so sey es dies, daß seit dieser Reise ganz Europa den Namen Cook mit Ehrfurcht und Bewunderung nennt. Der Rang eines wirklichen Capitains in der Königlichen Flotte, und eine ehrenvolle Stelle beym Hospital zu Greenwich, waren Belohnungen, womit sein Vaterland ihm gleichsam schon entgegen kam. Nach zweymaliger Umschiffung der Erde, nach der Entdeckung und Bestimmung der Lage so vieler neuen Länder, nach einer beyspiellosen Fahrt durch die beeisten Meere des Südpols, deren Kühnheit und Größe ein allgemeines Erstaunen erregt, nach dem siegreichen Beweise vom Nichtseyn eines festen Südlandes, nach so vielen anderen wichtigen Zügen, wovon ein jeder einzeln das Siegel des wahren Verdienstes trägt, konnte Cook nunmehr mit vollem Rechte seines theuer erkauften Ruhmes genießen, und auf seinen Lorbeern ruhen.
Allein seine Thaten hatten das Feuer des Entdeckungsgeistes im Busen der Engländer wieder angezündet, und es brannte bey seiner zweyten Zurückkunft nur noch heller auf. Noch war ein großer Theil des Norden unbekannt; derselbe Theil, wo von jeher der Brittische Kaufmann sich einen kürzeren Weg nach Japan, China und Ostindien gedacht, wo Cabot, Frobischer, Davis, Hudson, Baffin, James, Fox und viele andere ihn wirklich suchten und zu finden hoften. Zwar hatten Christopher und Norton, die in den Jahren 1761 und 1762 zur See die Chesterfields-Bucht untersuchten, und Hearne, der zu Fuß, 1770 bis 1772, vom Churchill-Fluß in nordwestlicher Richtung bis zum zwey und siebenzigsten Grad nördlicher Breite, und an die Küste des großen nordischen Eismeeres gekommen war, 7 schon vollkommen bewiesen, daß durch [139] die Hudsons- und die Baffinsbay die nordwestliche Durchfahrt schlechterdings unmöglich sey. Zwar hatte Phipps (jeziger Lord Mulgrave) im Jahr 1773 umsonst versucht, bey Spitzbergen weiter als zum ein und achtzigsten Grade der Breite gegen den Nordpol zu dringen. Aber von Cook war man gewohnt, daß er auch da, wo andere Schiffer von Unmöglichkeiten sprachen, nicht lange spekulirte, sondern mit erfahrnem Muth, mit Geschicklichkeit und Beurtheilungskraft die Hand ans Werk legte, versuchte und ausführte, was schwächeren Vorgängern unerreichbar schien. Es fehlte überdies auch nicht an Zeugnissen, daß mancher Wallfischjäger ehedem ungleich weiter als Phipps im Norden fortgekommen und selbst dem Pol sehr nah gewesen sey. Wie natürlich also, daß mit so hochgespannten Erwartungen, die längst entschlafenen Handelsideen, und alle Hoffnungen, die Schätze Asiens auf einem kürzeren Wege zu gewinnen, bey der gesetzgebenden Macht eines großen Handelsstaats von neuem erwachten!
[140] Das Brittische Parlament erneuerte eine Akte vom Jahr 1745, welche den Entdeckern einer Durchfahrt durch Hudsonsbay eine Belohnung verhieß, und dehnte sie auf die Königliche Flotte aus, die man damals ausgeschlossen hatte. Zwanzigtausend Pfund Sterling (120 000 Rthlr.) sollten den Entdeckern einer nördlichen Durchfahrt aus dem Atlantischen ins stille Meer ausgezahlt werden, und fünf tausend (30 000 Rthlr.) denen, die sich zuerst dem Nordpol bis auf Einen Grad nähern würden. Auch ward die Durchfahrt nicht, wie dazumal, auf die Hudsonsbay eingeschränkt; sondern man überließ jezt den Abentheurern die Wahl, auf welchem Wege sie nach dem Preise streben wollten. Auf den ersten Ruf seiner Obern verließ Cook den friedlichen Aufenthalt, wo sein noch immer reger Geist nicht länger feyern mochte. Nichts konnte aber auch für einen Mann von edlem Selbstgefühl wie Cook, belohnender seyn, als dieser Auftrag, der gleichsam seine Überlegenheit eingestand, und dies Bekenntniß [141] einer Klasse von Menschen abnöthigte, die selten mit guter Art ein Lob ertheilen. Man hatte tief gefühlt, daß Cooks Erfahrung und Geschicklichkeit zur Ausführung eines so wichtigen als schweren Unternehmens unentbehrlich sey.
Mit der Aufsuchung einer nördlichen Durchfahrt, verband man noch die Zurücksendung Omais', eines Mannes aus den Societätsinseln, der mit dem Capitain Furneaux ein Jahr vor uns nach England gekommen war. Verschwenderisch, aber planlos, hatte man ihn mit Kostbarkeiten, Spielwerken und den üppigen Thorheiten eines Volks, das auf der höchsten Stufe der Verfeinerung steht, zur Rückkehr in sein Vaterland, dessen Sitten noch so einfach sind, ausgerüstet. Ein glücklicher Gedanke, mit ihm zugleich die brauchbaren Hausthiere und einige Gewächse des alten Welttheils ins Südmeer zu verpflanzen, befriedigte indeß die mäßigen Wünsche des Menschenfreundes, dem das Glück seiner Brüder in jedem Erdenwinkel Freude machte. Dieser Gegenstand, und die [142] Wichtigkeit der Durchfahrt hatten die Gemüther so sehr beschäftigt, daß man bey einer Entdeckungsreise, wo Naturforscher vielleicht brauchbarer als je gewesen wären, nicht daran dachte, einen Gelehrten in dieser Absicht mitgehen zu lassen, obgleich ein Astronom und ein Maler mitgeschickt wurden. In der That war es so sehr auf die bloße Entdeckung der Durchfahrt in kaufmännischer Hinsicht abgesehen, daß man in dem geheimen Verhaltungsbefehl, der Würde des Entdeckers uneingedenk, ihm sogar ausdrücklich gebot, sich, im Fall er neue Inseln fände, mit ihrer Untersuchung nicht aufzuhalten, und an der Küste von Amerika südwärts vom fünf und sechzigsten Grade der Breite keine Zeit zu verlieren. Ja, so brennend war die Begierde, dieses Lieblingsprojekt nun endlich ausgeführt zu sehen, daß man den Wunsch zu äußern wagte, Cook möchte binnen Jahresfrist sich in der Durchfahrt [143] befinden 8. Doch der Geist dieses großen Mannes blieb sich auf seiner letzten Reise gleich, und seine Neigung das Reich der menschlichen Kenntnisse zu erweitern, band sich nicht an eine unedle Vorschrift. Es war noch kein volles Jahr seit seiner Rückkehr von der zweyten Reise verflossen, als er am 12ten Julius 1776 mit der Resolution, seinem vorigen Schiffe, unter Segel gieng. Am Vorgebirge der guten Hoffnung stieß Clerke mit der Discovery zu ihm, und nunmehr ging der Lauf ostwärts durch das Südindische Meer, wo Kerguelen und Marion, zwey französische Seefahrer, in den Jahren 1771 und 1772 zwischen 46 und 48 Graden südlicher Breite einige wüste, felsigte Inseln entdeckt hatten, die Cook jezt wieder fand. Über Van Diemens Land und Neuseeland schifte er dem stillen Meere zu, entdeckte einige neue Inseln, und kam zuerst, da er Taheiti nicht erreichen konnte, ohne das Leben der dahin bestimmten Thiere aufs Spiel zu setzen, nach der Gruppe der Freundschaftlichen Inseln, die er jezt noch weit genauer als zuvor kennen lernte, und von deren Einwohnern er die wichtigsten Bemerkungen für den Menschenkenner [144] sammelte. Mit der Reise von diesem Erfrischungspunkte nach O-Taheiti, und mit dem Aufenthalt daselbst und in den übrigen Societätsinseln, wo er seinen Mündel Omai, im Besitz aller seiner Englischen Reichthümer zurückließ, ging das Jahr 1777 zu Ende. Noch im December segelte Cook über den Aequator, und bereits am 18ten Januar des folgenden Jahres fand er die westlichen Inseln einer neuen Gruppe, die unter dem nördlichen Wendekreise liegt und in der Folge den Namen der Sandwichsinseln erhielt. Nachdem er diese Entdeckung berichtigt und seinen Wasservorrath hier ergänzt hatte, eilte er an die Küste von Neualbion, (wie jener Theil von Nordamerika seit Drakens Schiffahrt heißt,) die er im 45sten Grad der Breite zuerst erblickte. Nach vielen Stürmen fand er im funfzigsten Grad einen Hafen, von den Eingebohrnen Nutka genannt, wohin er seine Zuflucht nahm. Sobald er wieder in See ging, hatte er mit neuen Stürmen zu kämpfen, die seine Schiffe bis zum sechzigsten Grad der Breite vom Lande entfernt hielten. Hier ändert es endlich seine Richtung, bildet einen Busen, und geht statt Nordwärts, wie bisher, auf einmal westsüdwestwärts fort. Cook folgte nun, mit seiner bekannten Unerschrockenheit und seinem festen Beharren, jeder Krümmung der Küste. Unter vielen Bayen und Häfen, die er entdeckte, zeichnen sich an Umfang des Prinzen Wilhelms Sund, und noch ein großer Busen aus, der seines Entdeckers Namen bekam. Endlich umschiffte er, nach einigen Augenblicken der kritischen Gefahr, wo ihm Nebel und Klippen zugleich den Untergang drohten, die lange Halbinsel Alaska, und gieng an der Insel Unalaschka, dem Handelsposten der russischen Pelzhändler, vor Anker. Die Küste von Amerika, welche in dieser Gegend wieder nordwärts geht, und einen großen Meerbusen im 64 der Breite umgiebt, verfolgte er mit der ihm eigenen Kunst, indem er oft Gefahr lief, auf den unzähligen Untiefen des dort sehr seichten Meeres zu stranden. Am neunten August erreichte er die westliche Spitze des ganzen Amerika, und nannte sie das Vorgebirge des Prinzen von Wales. Sie liegt in 65° 46' der nördlichen Breite, und bildet zugleich die östliche Gränze einer Meerenge, welche die alte und neue Welt scheidet. Bering ein würdiger Seeoffcier in russischen Diensten, hatte diese [145] Meerenge zuerst erreicht, und Cook zeichnete jezt, um das Andenken dieses braven Vorgängers zu verewigen, hier die Beringsstraße in seine Charten. Die Durchfahrt war nunmehr zur Hälfte schon errungen, und die Hoffnung alle Schwierigkeiten vollends zu besiegen aufs höchste gespannt, als am 17ten im ein und siebzigsten Grad der Breite, das Eis, in Gestalt eines undurchdringlichen Feldes allen weitern Fortgang nach Norden, sowohl längs der Amerikanischen als der Asiatischen Küste vereitelte, und überdies, da es beständig südwärts fortrückte, die Schiffe mehr als einmal in die augenscheinlichste Gefahr brachte, an den seichten Ufern zu scheitern. Cook mußte also, wenigstens für dieses Jahr, dem Vorhaben hier durchzukommen, entsagen, und sich begnügen, die Küsten und Inseln dieser Gegend, genauer aufzunehmen, und den letzten Rest geographischer Irrthümer, welche aus den verworrenen Nachrichten russischer Matrosen und unkundiger Kaufleute entstanden waren, vollends aus dem Wege zu räumen. Nachdem er diesem Geschäfte noch den Überrest der herbstlichen Jahreszeit gewidmet, und insbesondere die so sehr vervielfältigten Aleyutischen Inseln auf ihre wahre Anzahl zurückgebracht hatte, fiel sein rastloser Entdeckungstrieb darauf, mit der Untersuchung der neu entdeckten Sandwichsinseln den langen Zwischenraum von sieben Wintermonaten auszufüllen, die nunmehr vorübergehen mußten, ehe er sich dem Nordpol wieder nähern durfte. Wer an seiner Stelle hätte nicht lieber in Kamtschatka von den Mühseligkeiten der bisherigen Fahrt ausgeruhet? Aber wer, dürfen wir fragen, hätte nach allem, was wir bisher von Cook erzählt haben, auch nur vermuthen können, daß Er einer solchen Unthätigkeit fähig sey? Selbst gewöhnliche Menschen verläugnen ihren Charakter nicht, wenn kein überwiegendes Interesse die andere Schale senkt: vielweniger der wirklich große Mann, dessen Stolz und Beruhigung es ist, in allen Fällen nach dem Antrieb seines Herzens zu handeln. Cook folgte diesem inneren Führer; aber zum letztenmal; denn die interessanteste Entdeckung im Südmeer kostete sein unersetzliches Leben.
Nach dem unglücklichen 14ten Februar führte Clerke, wiewohl schon sichtbarlich dem Tode nahe, die Entdeckungsreise, von den Sandwichsinseln zurück, noch einmal gegen Norden [146] an. Vom Hafen St. Peter und Paul in Kamtschatka, wo er anlegte, gieng er durch die Beringsstraße und versuchte die nördliche Durchfahrt. Allein das Eis stellte sich auch ihm als eine unüberwindliche Mauer entgegen, und zwang ihn nach vielen vergeblichen Bemühungen zum Rückzug. Ehe er noch in Kamtschatka wieder eintreffen konnte, starb er mit dem heitern Bewußtseyn einer getreuen Nachfolge in den Grundsätzen des großen Befehlshabers, dessen Zögling er gewesen war. Gore und King führten von Kamtschatka die Schiffe über China und das Vorgebirge der guten Hoffnung am 22sten August 1780, nach einer Abwesenheit von mehr als vier Jahren zurück.
Außer den Berichtigungen im Südindischen und stillen Meere welche keinesweges unbeträchtlich sind, außer der Entdeckung mancher neuen Eilande zwischen den Societäts-und Freundschaftsinseln, wird diese Reise durch die wichtige Auffindung der Sandwichsinseln, und die Beschiffung der Nordwestküsten von Amerika in einer Strecke von mehr als zwölfhundert Seemeilen jederzeit ihren Werth behaupten. Cook hatte während derselben, wie auf seiner ersten Reise, wieder mehr Land entdeckt und aufgenommen, als je ein anderer vor ihm. Ich läugne nicht, daß seine astronomischen Kenntnisse und die Vervollkommnung dieser Wissenschaft überhaupt, in so fern man sie in unsern Zeiten auf die Schiffahrt anzuwenden gelernt hat, ihm das große Geschäft erleichtern halfen allein wie zahlreich, ja wie allgemein sind die Beyspiele nicht, wo der Seefahrer auch die Mittel, die er wirklich in Händen hatte, ungenutzt liegen ließ, weil es ihm an Fleiß, an Muth an Geduld, an Vorsicht, an Gegenwart des Geistes, und vor allen, an der Haupteigenschaft des Entdeckers, am innern Forschungstriebe gebrach? Die Küste, die nicht Gold und Silber zeigte, oder einen Reichthum seltner Naturprodukte darbot, blieb unerforscht, wenn sie auch oft befahren ward.
Cooks letzte Reise vollendete gleichsam die Kenntniß von Amerika, die bis dahin so unvollkommen gewesen war, und zu so vielen Träumen von schiffbaren Durchfahrten Anlaß gegeben hatte. Was jezt im äußersten Norden unbeschifft ist, möchte dem Europäischen Durst nach Kenntnissen wohl noch lange verholen bleiben, weil es des Eises wegen nicht befahren werden kann. Allein wenn gleich die Hofnung jenes kürzeren [147] Weges nach Indien, den man durchs Eismeer finden wollte, nunmehr gänzlich verschwunden ist, so behält doch die Entdeckung der ganzen nordwestlichen Gegend von Amerika, vom Nutka-Sunde bis zur Halbinsel Alaska, selbst für den Handel die größte Wichtigkeit; weit mehr vielleicht, als wenn es unserm Seemann gelungen wäre, sich zwischen Eisfeldern und Sandbänken hindurch einen Rückweg aus dem Kamtschatkischen Meere ins Eismeer zu bahnen, auf welchem doch hernach kein anderer es hätte wagen dürfen, nach Indien zu schiffen. Übrigens ist es für die Geographie so wichtig, als für Berings Andenken rühmlich, daß Cook die Meerenge zwischen Asien und Amerika gerade an der Stelle fand, wo jener sie zuerst angegeben hatte. Wie viele Schriftsteller, die ihren Lieblingsideen nachhingen, hatten nicht schon Berings Entdeckungen verdächtig zu machen gesucht, und dem russischen Reiche etwa zwanzig Grade der Länge von seinen östlichen Wüsteneyen streitig gemacht, um nur Raum genug zwischen beyden Welttheilen zu lassen oder mit dem neuen nach Gutdünken schalten zu können! Einige der hitzigsten ließen sich sogar verlauten, daß man in Rußland durch erdichtete Nachrichten die Welt geflissentlich zu hintergehen suche, um desto ungestörter gewisse politische Endzwecke erreichen zu können. Es herrschte zwar in dieser Äußerung der Freyheitsgeist, der wissenschaftlichen Untersuchungen geziemt; allein das edelste Geschenk einer republikanischen Erziehung, die Freymüthigkeit, wird entehrt, wenn Mangel an Beurtheilung oder kurzsichtiges Vorurtheil sie begleitet. Jener Vorwurf konnte am wenigsten diejenigen treffen, die lediglich aus gar zu großer Bereitwilligkeit, die ersten Nachrichten vom neuen nordischen Archipelagus mitzutheilen, in der Lage dieser Inseln beynah um zehn Grade der Breite irrten. Spanien hätte ihn eher verdient, welches seine Reisen ins stille Meer nach Taheiti, und längs der Küste von Amerika über Californien hinaus, sorgfältig verheimlicht. Indeß ist ein Tagebuch von der letztern, unter Don Bruno de Heceta im Jahr 1775 veranstalteten Reise in England ans Licht gekommen 9, dessen Verfasser, Don Francisco Antonio Maurelle, [148] sich viel darauf zu gute thut, daß er bis zum acht und funfzigsten Grad der Breite gekommen ist. Auf dieser und einer noch früheren Spanischen Fahrt wurden an der Küste, die Cook der Stürme wegen vermied, einige Häfen entdeckt; und so scheint das kleine Fünkchen des Entdeckungsgeistes, welches die unsterblichen Bemühungen dieses Mannes auch in jener in Lethargie versunkenen Nation angezündet hatten, nicht ganz verloren gegangen zu seyn.
Wenn man seine drey großen Reisen in Verbindung mit einander betrachtet, so machen sie ein Ganzes aus, welches alle unbekannten Regionen der Geographie, so weit sie Schiffen zugänglich waren, in sich begreift, und zuverläßige Entdeckungen, die sich im Norden und im Süden über den siebzigsten Grad erstrecken, an ihre Stelle setzt. Künftig können einzelne Inselchen im stillen Meere entdeckt, die Lagen einiger früher gesehenen bestimmt, und in Neuseeland, Neuholland, und Neualbion Plane von Häfen aufgenommen werden, die Cook entweder nicht besucht, oder deren Eingang er nur angegeben hat; allein Entdeckungen von großem Umfang können nicht mehr Statt finden, und der Erdball ist nunnmehr von einem Ende zum andern bekannt. Wer einen Blick auf die Charte wirft, und die Veränderung in der Erdkunde bemerkt, die Eines Mannes Forschbegier bewirkte, wird der noch einen Augenblick zweifeln können, daß unser Jahrhundert sich in seiner Größe mit jedem Zeitalter messen darf?