Harald Harfager
Da sprach König Harald (Harfager zubenannt):
»Wißt, ich habe Boten an Rynhild ausgesandt,
An Rynhild, Blaatands Tochter. Und ziehet sie morgen ein,
Unter meinen Frauen allen soll fortan auch Rynhilde sein.«
Sprach es König Harald. Und auf und ab im Saal
Im Schlosse zu Drammen saßen die Großen allzumal,
Und dazwischen in lachender Jugend und wie Kinder anzuschaun
Saßen blond und stolz und glücklich Harald Harfagers neunundzwanzig Fraun.
[81] Und als der König gesprochen, alles flüsterte leis,
Aber plötzlich schwieg das Flüstern, Olaf Thureson trat in den Kreis.
Olaf Thureson, Haralds Bote. Vor den König tritt er und spricht:
»Ich bringe Rynhilds Antwort, Rynhilden aber bring' ich nicht.
In der Marmorhalle zu Roskild', meine Botschaft zu hören bereit,
Stand sie, Korallen im Goldhaar, an König Blaatands Seit',
Längst war ihr Kunde gekommen, um wessentwill' ich kam,
Und sie lachte, dieweil sie die Spange wie spielend von ihrem Arme nahm.
König Harald ist Herr über Norweg, über Norwegs Frauen auch,
Aber euer Brauch in Drammen ist nicht in Roskilde Brauch,
Und liebt' ich ihn, wie ich ihn hasse, meine Liebe hätte nicht Eil',
Ein ganzes Herz will Rynhilde, nicht eines Herzens dreißigsten Teil.«
Olaf Thureson sprach's. Wie Freude zuckt's um die Lippe der Fraun,
Aber rot auf Haralds Stirne war das Zornesmal zu schaun,
Er rief: »Und wirken nicht Worte, so wirke denn das Schwert,
Noch nie hat König Harald ein Königskind umsonst begehrt.«
Und er stieg hinab zum Strande. Segelfertig Schiff um Schiff;
Am ersten Tage vorüber an Skagens Horn und Riff,
Am zweiten: Nebel und Windstill', alle Segel schlaff und matt,
Aber sieh, mit Ruderschlage geht es süderwärts in das Kattegatt.
Und am dritten Tag ein Windstoß und zerrissen die Nebelschlei'r,
Und am blauen Himmel die Sonne. »Die Sonne, die schickt uns Frej'r.
[82] Frej'r will den Weg uns zeigen.« Und mit Waffenklirrn an Bord
Und bei Kriegshörnerblasen läuft Harald ein in Roskilde-Fjord.
Hoch oben aber am Saaltor, auf der Treppe von Roskild',
In Ruhe steht König Blaatand und neben ihm Rynhild',
Und sie zählen die Nordlandsschiffe, hundert Segel fast –
Am Bug steht König Harald. Kriegswimpel flattern hoch am Mast.
»Krieg bringt er!« Aber plötzlich ... welch' Wunder, das Wandel schuf,
Es schweigt das Waffenklirren, und es schweigt der Schlachtenruf,
Es schweigt der Hörner Blasen – nur Zimbeln und Schalmein:
»Harald kommt nicht, um zu fechten, Harald kommt, um minniglich zu frein.«
Und sieh, hinan die Stufen steigt er und beugt sein Knie:
»König Blaatand, deine Tochter, in Demut werb' ich um sie,
Meinen Stolz hat sie bezwungen. Und meiner Krone Glanz,
Ich will ihn teilen mit Rynhild. Aber mein Herze hat sie ganz.«