Am Fronleichnamstage

»Mein Fleisch ist wahrhaftig eine Speise, und mein Blut ist wahrhaftig ein Trank. – Wie mich der lebendige Vater gesendet hat, und ich um des Vaters willen lebe, so wird der, welcher mich isset, um meinetwillen leben.«


O fasse Mut, er ist dir nah!
Du hast sein Fleisch, sein heilig Blut
Genossen ja.
O meine arme Seele, fasse Mut;
Er ist ja dein, er ward dein Fleisch und Blut!
Nicht, wie ich sollte reich und warm,
Kam freilich ich zu seinem Mahl:
Ich war ein arm
Zerlumpter Gast, doch zitterte die Qual
In mir des Sehnens; Tränen sonder Zahl
Hab' ich vergossen in der Angst,
Die dennoch Freudeschauer war.
Sprich, warum bangst
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Du vor der Arzenei so süß und klar,
Die Leben dir und Frieden bietet dar?
Wohl ist es furchtbar, seinen Gott
Zu einen mit dem sünd'gen Leib;
Es klingt wie Spott!
O Herr, ich bin ein schwach und wirres Weib,
Und stärker als die Seele ist der Leib!
So hab' ich schuldbeladen dir
In meinen Sünden mich vereint,
Doch riefst du mir
So laut wie einem, der um Leben weint:
So ist es Gnade, was von oben scheint.
Und hast du des Verstandes Fluch
Zu meiner Prüfung mir gestellt:
Er ist ein Trug.
Doch hast du selber ja, du Herr der Welt,
Hast selber den Verführer mir gesellt.
Drum trau' ich, daß du dessen nicht
Vergessen wirst an jenem Tag,
Daß dein Gericht
Mir sprechen wird: »Den Irren seh ich nach;
Das Herz war willig, nur der Kopf war schwach!«

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