Venus Consolatrix

Da kam Stern Lucifer; und meine Nacht
erblaßte scheu vor seiner milden Pracht.
Er schien auf meine dunkle Zimmerwand,
und wie aus unerschöpflicher Phiole
durchflossen Silberadern die Console,
die schwarz, seit lange leer, im Winkel stand.
Auf einmal fing die Säule an zu leben,
und eine Frau erhob sich aus dem Glanz;
die trug im schwarzen Haupthaar einen Kranz
von hellen Rosen zwischen grünen Reben.
Ihr Morgenkleid von weißem Sammet glänzte
so sanft wie meine Heimatflur im Schnee,
die Rüsche aber, die den Hals begrenzte,
so blutrot wie die Blüte Aloë;
und ihre Augen träumten braun ins Tiefe,
als ob da Sehnsucht nach dem Südmeer schliefe.
Sie breitete mir beide Arme zu,
ich sah erstaunt an ihren Handgelenken
die starken Pulse springen und sich senken,
da nickte sie und sagte zu mir: Du –
du bist mühselig und beladen, komm:
[123]
wer viel geliebt, dem wird auch viel verziehen.
Du brauchst das große Leben nicht zu fliehen,
durch das dein kleines lebt. O komm, sei fromm!
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(Der Mittelsatz dieser Phantasie, der die sagenhaften Tugenden der Magdalenischen und der Nazarenischen Maria in dem hier dargestellten weiblichen Wesen vereinigt zeigt, ist durch Urteil des Berliner Landgerichtes vom 30. August 1897 für unsittlich erklärt worden und darf daher öffentlich nicht mitgeteilt werden.)


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Da sprach sie wieder und trat her zu mir:
[124]
Willst du mir nicht auch in die Augen sehn?!
Und meine Blicke badeten in ihr.
Und eine Sehnsucht: du mußt untergehn,
ließ mich umarmt durch tiefe Meere schweben,
mich selig tiefer, immer tiefer streben,
ich glaube auf den Grund der Welt zu sehn –
weh schüttelt mich ein nie erlebtes Leben,
und ihren Kranz von Rosen und von Reben
umklammernd, während wir verbeben,
stamml'ich: o auf – auf – auferstehn! –
. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Auf! In solcher Tiefe kann
ruhig nur die Urkraft strudeln.
Furchtsam fühl ich reifer Mann
wieder Kindheit in mir sprudeln.
Aber diese Furcht ist herrlich kühn,
ist die Ehrfurcht vor dem Übermächtigen.
[125]
Mit Entzücken seh ich euch verblühn,
bleiche Sterne! Sanft verdrängt die nächtlichen
Einzellichter ein noch kaum Geleuchte,
aber leuchtend wird es kühner:
Wo mir nichts als Grauen deuchte,
fängt ein Häuflein silbergrüner
Morgenwölkchen an zu gaukeln,
Hoffnungsinseln, goldgeränderte –
an den weißen Ufern schaukeln
Freiheitsgondeln, buntbebänderte –
Wohl, sie werden bald zerfließen,
aber ihre Farbenwellen
wirbeln weiter und ergießen
Trost in tausend Kerkerzellen.
Dankbar staun'ich in das Lichtgetriebe:
all der Glanz ist mir durch Dich entglommen,
Dich, du eine, einende Liebe,
der die Lüste alle frommen,

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