Jesus in Gethsemane

Lautlos ruhet, starr der Dom der Palmen,
schaun zum Mond die Schatten aus den Halmen,
weint die blauen Thränen still die Nacht.
Nur von heißen Menschenlauten schauert
dumpf der stumme starre Hain – und schauert:
einsam kniet und bebt und trauert
dort ein Mann und stöhnt mit weher Macht.
Höre, höre, Geist der Wahrheit,
meine Reue, meine dunkle Schuld:
der in Kampf ich wandelte und Starrheit,
Liebe lehrt' ich und Geduld!
Ach, ein Baum des Lichtes wollt' ich leben
übermächtig der Natur:
nur mein Glaube war mein Leben –
ach, sie sahn nicht Jesu Streben,
sahn die That, des Baumes Schatten nur!
Uebermenschlich hab' ich mich vermessen,
und sie haben fromm gemeint:
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ich – ich lebte selbstvergessen!
Einer, Er nur wußte – – Judas! Freund!
warum – hast du – mich – verraten?!
könnt' ich doppeln mich durch mein Gebet,
spalten meine Worte, meine Thaten:
Menschen menschlich irrend zu beraten,
meiner Zweifel ein Prophet!
Und zum Mond die Arme wild gebreitet
und das Auge qualentief geweitet,
seine heißen Blicke schmachtend irr'n.
Und herab die bleiche Bahn der Strahlen
sieht er ziehn die Scharen seiner Qualen,
durch die Schatten ihm die fahlen
Dolche bohrend in die glühende Stirn.
Wehe, wehe, Geist der Liebe:
ganz in Reinheit thronst du klar und hoch, –
doch dein Pfad ist Nacht und kalt und trübe,
und ich sah der Erde Schönheit doch! –
Schwerter stieß ich in die weichsten Herzen:
Allen wollt' ich liebend glühn,
doch die Mutter ringet drob in Schmerzen
und mit sehnsuchtwundem Herzen
weint um mich die Magdalenerin!
Nackt und bloß, und nur ein Menschensohn,
wollt' ich sammeln all mein arm Geschlecht;
doch: im Mitleid schläft die Rache schon, –
weh: auch Reichen gilt der Liebe Recht!
Judas, Judas, kommst du mich zu richten:
heißt Entsagung – heißt Gewalt mein Loos?!
Muß denn diese Welt sich erst vernichten,
der Erlösung Reich emporzurichten?
Freiheit, lebst du im Gewissen bloß?!
[176]
Und aufs Antlitz zagend hingezwungen,
fühlt er heftiger die Anfechtungen,
und von Schweiß die Dulderstirne trieft.
Und ins Gras wie Blut die großen Tropfen
fühlt er brennend von den Schläfen tropfen,
an den Leib der Erde klopfen
seine Seele furcht-und-angstgeprüft.
Geist des Lebens: Klarheit, Klarheit!
wird denn Sieg um Opfer nur gewährt?!
Sieh, es kommt der Jünger Meiner Wahrheit:
hier die Todesschale – hier das Schwert!
Selig, meiner Inbrunst mich zu töten,
eine Lebensleuchte wollt' ich stehn, –
aber jetzt in Todesnöten
sieh mich zittern, sieh mich beten:
laß den Kelch an mir vorübergehn!
Allzu willig war dem Fleisch mein Geist, –
weh: entbrächen meines Glaubens Gluten!
sollen Tausend um den Einen bluten,
diese Erde stehn durch mich verwaist?! –
Nein, ich fühl' es: nicht wie Ich will, Vater,
dunkler Geist, der Aller Seelen speist,
allen Fleisches Schöpfer und Berater,
Du des Lebens, Du des Todes Vater:
Deiner Hand – befehl' ich – meinen – Geist!
Und verzückt er lauscht – und sieht erglühen
fern die Nacht der Bäume: Fackeln sprühen,
durch die Schatten dumpfe Laute nah'n.
Und verklärt den Seherblick gehoben,
steht und hört er seiner Häscher Toben,
und ein Lächeln schluchzt nach Oben:
»Judas, komm! ich – schreite – nur – voran!«

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