[16] Einsamkeiten

Nun still, mein Schritt, im stillen Nebelfeld;
hier rührt kein Leben mehr an meine Ruhe,
hier darf ich fühlen, daß ich einsam bin.
Kein Laut; kein Hauch; der bleiche Abend hält
im dichten Mantel schwer die Luft gefangen.
So thut es wohl dem unbewegten Sinn.
Mein Herz nur hör'ich noch; doch kein Verlangen
nach Leben ist dies Klopfen. Lust und Schmerz
ruhn hinter mir versunken – gleich zwei Stürmen,
die sich umarmen und im Wirbel sterben;
was störst du mich, mein allzu lautes Herz!
Sie haben Alle nie wie du gefühlt,
wie Du allein; nicht Freund, nicht Weib noch Kind;
sie sind auch einsam. Sieh, dort drüben
müht sich ein grüner Schein im Nebelmeer,
ein Bahnlicht – sieh: so glimmst auch du im Trüben.
Hinaus, hinaus, wo keine Menschen sind!
Was wollt ihr noch? Weiter! auf jenen Hügel,
der grau zu Dunkel schwillt; Gesichter, weicht!
sie folgen mir; o hätt'ich Flügel.
Und aus dem bleichen Feld tauchen die Sträucher
und sehen zu – der Hügel raucht:
wie feucht von Schweiß sich starr und breit
der Dunstalb an die Brust der Erde saugt.
Gesichter, weicht! weicht! Seht mich keuchen!
Sie folgen mir. Oh Qual der Einsamkeit.
[17]
Am Bahndamm niederzittr'ich in den Sand,
die glühende Stirne auf die nasse Schiene:
o käme jetzt das Eisenrad gerannt!
Kalt frißt sich mir der blanke Strom ins Mark,
die Hände pressen wild den harten Reifen –
ich kann nicht mehr! Da –– horch: sei stark:
Gellend am Horizont ein hohles Pfeifen,
zwei Augen quellen stechend aus der matten
Dunstferne, und – was will der Schatten,
was dunkelt dort der Erlenbusch?
Er löst sich, kommt; es reißt mich hoch,
er ist schon nah, ich will's begreifen,
es nimmt Gestalt an, – Wahnsinn? Da:
den Nebel teilt ein schwarzer Streifen,
mein wühlender Blick wird still und weit:
Jubel – stumm schüttelt mich ein Schrei:
Jubel, ein Mensch! – Oh Herz – o Einsamkeit –
und knatternd stampft der Dampfzug mir vorbei.

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