[229] Venus Mea

Der Himmel gähnt, der Tag ist auferstanden,
ich habe nun genug geschaut nach Osten;
die Seele will in ihren Abendlanden
Vollendung kosten.
An dem Thor des neuen Evagartens
steht ein knöchernes Gerippe,
mit dem Ausdruck des Erwartens,
aber nicht mehr in der Faust die Hippe.
Sein Scheitel schimmert; eine Pfauenfeder
ragt aus der Rechten steil zum Himmelsrand,
drin sonnt sich tausendfarbig, was ein Jeder
war und empfand.
In der Stunde einer neuen Frucht
perlt ein Strahl aus diesem Spiegel,
dann verglimmt die Wonnesucht,
still empfängt der dunkle Keim sein Siegel.
Schon dämmert Glanz; krystallne Ketten hängen
klar her zu dir aus väterlichen Sphären.
So sollst auch Du dich aus der Dämmrung drängen
und dich verklären,
Seele, bis dein starr Gehirn sich lichtet,
wie die Sonne scheint durch Eis,
und dir deine Brunst beschwichtet
und im Traum selbst deinen Willen weiß.
Noch flimmert's nur; tief lockt die alte Nacht
mit ihrer Schaar verworrner Muttergluten.
Doch du wirst wiederkehren! du bist Macht!
sieh, rings sind Fluten:
wenn zwei Liebende zusammensinken,
die du Einmal nur erleuchtet,
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und im Rausche blind ertrinken,
wird die Frucht von Deinem Licht befeuchtet.
So tagt es. Mit dem Ausdruck des Verächters
sollst du dem alten Garten kalt entschreiten:
dir weist die Pfauenfeder unsres Wächters
Unsterblichkeiten.

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