[131] 24.

Und aus verwildert stillen Gärten steigt

ein altes Städtchen in die Mittagsglut.

Um die zerborstenen Mauerwehren zweigt sich

Epheu, Hexenbart, Pfaffenhut;

weiße Rosen blühn am Tore.

Im Schatten ruht ein Mann und träumt und schweigt

zur Giebeluhr hinauf, die nicht mehr zeigt.

Das Weib zupft ihn am Ohre:


Du machst ja Augen, so voll entlegener Wonnen,

als sähst du die Jahrhunderte sich sonnen

auf den Ruinen.

Ja: die steinernen Jungfraun hoch am Tor,

[132] die beten gar »reif« um ihr Stündlein empor

mit ihren verwitterten Mienen.

Wir aber – oh – wir haben Zeit;

sehn wir nicht auf zu ihnen

voll ewiger Seligkeit?!


Der Träumer hat den zarten Spott vernommen.

Sein Blick ist freudig aufgeglommen.

Die Gärten glühn. Er lächelt sonderbar.

Er sucht nach Worten, Blick in Blick gegründet.

Er spricht, als seh er tief ein Licht entzündet,

das früher nicht in ihrer Seele war:


Vielleicht sah ich in meinen entlegenen Wonnen

ein kommendes Jahrhundert schon sich sonnen,

nicht auf romantischen Ruhestätten zwar.

Ich sah nach dem edlen Ritter im Fries,

der seinen Mantel weiland den Bettlern ließ,

um hilflose Blößen zu decken.

Vielleicht ist heimlich nach Bettlerart

mancher edlere Ritter heut auf der Fahrt,

Helfershelfer zu wecken,

zu jetzt noch lichtscheuen Zwecken –


Er schweigt. Die Gärten glühn. Es ist, als schliefe

verstohlenes Leben hinter allen Hecken.

Zwei Menschen sinnen in die Tiefe.

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