Venus Bestia!

Ich und ein Freund, wir saßen einmal
in einem menschenheißen Weinlokal;
zwei Tisch weit neben uns saßen
ein Herr und eine Dame, offenbar
– den Ringen nach – ein jüngeres Ehepaar,
deren Blicke sich manchmal vergaßen.
Mein Freund sah weg, wir lächelten eigen,
wir schwiegen unser bestes Schweigen.
Der Gatte nahm grad die Speisekarte,
den kleinen Finger gespreizt – dran saß
ein Nagel langgefeilt und leichenblaß,
der spitz wie eine Kralle starrte;
der Zeigefinger war stumpf beschnitten.
Die Frau saß weich zurückgesunken;
aus ihren Augenhöhlenschatten glühten
wie zwei Kohlenfunken
Blicke hinüber auf seine Finger,
dunkle, gleißende Blicke hin.
Ich weiß nicht, mir kam der Raubtierzwinger,
der Zoologische Garten in Sinn;
ja – die Tigerin!
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So lag sie neulich hinter dem Gitter,
glimmende Gier im schwarzen Blick,
im gelben Fell ein weich Gezitter,
und wartete brütend auf das braune Stück
Fleisch, das draußen der Wärter brachte,
das tote Fleisch – es roch so matt,
nicht warm nach Blut – sie lag so satt.
Jetzt kam er; ihr purpurnes Auge lachte,
es war doch Fleisch! Hoch griff sie zu,
die triefenden Kiefer kniff sie zu;
nun lag sie drüber mit brünstigen Pranken,
die Zunge gekrümmt, die Zähne stier,
sie konnte nicht fressen vor röchelnder Gier,
flackernd leckte der Schweif die Flanken,
im Blick ein Grün von hohlem Hasse.
Wie dieser Tigerin klaffender Rachenschlund
war mir das Auge der Frau da – und
da sagte mein Freund: Du, das Weib hat Rasse!
Jetzt hob der Gatte das Genick;
dem saß der gelbe Wolf im Blick.
Zittrig über sein hart glatt Kinn
strich sein Krallennagel hin;
ein goldnes Münzenarmband hing
ihm ums Handgelenk und machte kling.
Seine breitroten Lippen glühten
durch den magern Schnurrbart wie Dornstrauchblüten,
die Backen schmeckten ein Gericht;
dann senkte sich wieder sein Gesicht.
[67]
Ich sah eine lautlos stürzende Meute,
mit keuchenden Zungen, durch bleiche Nacht,
steif die Ruten gesträubt, fern Schlittengeläute,
die witternden Nüstern steil ins Weite,
in wütender Jagd –
und jeder aus der schäumenden Masse
würde, den heißen Hunger zu kühlen,
blind auch im Fleisch des eignen Geschlechtes wühlen –
da bemerkte mein Freund: Du, auch der Kerl hat Rasse!
Jetzt wurden sich die Beiden schlüssig,
sie trafen sich mit ihren Augen;
die schienen sich ineinander zu saugen,
fast durstig und fast überdrüssig,
ganz langsam. Und plötzlich stand mir klar
das große nackte Schneckenpaar
in dem nassen Fliegenpilz vor Augen,
das ich gestern traf im feuchten Park;
ich sah die beiden schwarzen Schleime
in dem weißen Fleische, dem giftigen Mark
des roten Pilzes schmausen und saugen
wie in einem Honigseime –
und sah dort drüben den Gattenblick.
Ich mußte: ich schob den Stuhl zurück:
Komm! stieß ich mit dem Freunde an.
Er wunderte sich: Warum denn, Mann?
Komm, sagt'ich; bitte, tu mir die Liebe! –
Wir gingen. Wir traten auf die Straße,
ins Wagengerassel, ins Menschengeschiebe,
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und immerfort hört'ich: Rasse! Rasse! Rasse! –
. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Immer fort – selbst sie bespähend,
die Genossin meiner Wahl,
o wie lieblos ihre Huld verschmähend
unter meines Argwohns Qual:
Bettle nicht vor mir mit deinen Brüsten,
deinen Brüsten bin ich kalt!
Tausend Jahre alt
ist dein Blick mit seinen Lüsten.
Sieh mich an, wie du als Braut getan:
mit dem Blick des Grauens vor der Schlange!
Viel zu lange
war ich, Weib, dein Mann.
Willst du Gift aus meinem Fruchtkern saugen?
Unerreichbar ist er deinem Biß!
Kaum erst keimt mein Paradies;
such es! öffne deine Menschenaugen!
Und wir suchten. Aber auf dem Wege
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fanden wir uns seltsam aufgehalten,
kam uns ein verirrter Geist entgegen,
altbekannt, doch nicht der alte:

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