[Nie fürchte vor der Heimat dich]

Nie fürchte vor der Heimat dich,
Die Fremde, die zehrt fürchterlich,
Nur Heimat nimmt dich in den Arm
Und ist wie Muttermilch so warm.
Und Heimat ist wie Honigwaben,
Wo Herzen meist was Süßes haben.
Dort sind die langweiligsten Tage,
Erfüllt von deiner Kindheit Sage,
Dort tun die Stunden schal und hohl
Durch ihr Gedankenloses wohl.
Erkennst du sie als Himmelreich,
Dann bist du erst den Göttern gleich.
Gut ist dort jeder Pflasterstein,
Kennt deine Stiefel, als sie klein,
Und von den Sperlingskindern da
Pfiff auf dich die Urgroßmama.
Jeder nicht gleiche Heimat hat,
Doch irgendwo findet sie statt,
Und auch im kleinsten Bürgernest
Aus Lieb' du auf dich pfeifen läßt.
In meiner Stadt regiert der Wein,
Nach Wein riecht jeder Pflasterstein,
Keller sind dort wie Katakomben,
Drin summen Fässer wie die Bomben.
Wenn man im Keller selig ist,
Den Leib man wie im Grab vergißt,
[667]
Der Kater reißt dich leicht nach oben,
Zum Kirchendache hocherhoben,
Und meine kleine Vaterstadt,
Unzählig viele Kirchen hat.
Und in den Kirchen ist es schön,
Wo schwärmerisch Madonnen stehn,
Doch in den Kirchen ist's auch kalt,
Und man verläßt sie wieder bald.
In warmen Straßen brennt die Sonnen,
Auch in der Sonn' wandeln Madonnen.
Ich kam an zum Frohnleichnamstag,
Wo alles auf den Straßen lag,
Aus Teppichen baut man Altäre,
Weil Gott mal gern im Freien wäre,
Sah weißgekleidet Mädchen ziehn,
Schleppten auf Bahren Goldmarien.
Ach, dachte ich, in meiner Stadt
Die Kirche viele Frauen hat,
Darum ist es wohl einerlei
Nimmt sich ein Mensch auf Erden zwei.
In einem Kirchenkeller steht
Ein Brünnlein, wo man gern hingeht,
Denn wer von seinem Wasser trinkt,
Es dann gar leicht zu Kindern bringt.
Frauen drängten zum Kellerloch,
Denn Kinder wünscht sich manche noch,
Und da ich keine Kinder kriege,
Trank ich und wünscht eins in die Wiege.
[668]
Wie ich vom Becher ernst aufsah,
Stand schon das Kind leibhaftig da.
Das Mohrle stand am Brunnentrog,
Andächtig es am Eimer zog.
Für Augen soll's ja auch gut sein,
Das Wasser, nicht für's Haus allein.
Das Mohrle stand mir gegenüber,
Und meine Augen schielten über.
Ich tauchte in die Menschenmenge
Und zog mein Schicksal in die Länge,
Ich floh und machte nirgends halt,
Am liebsten lief' ich, bis ich alt.
Und hinter mir rannten die Glocken
Und wollten mich zur Jungfrau locken.
Die Landschaft roch nach Rosensalben,
Die Sonne, selber tat sie kalben,
Es lag in jeder Fensterscheib'
Glänzend ein runder Sonnenleib,
Und Sprungfedern auf allen Wegen,
Und überall sprang was entgegen.
In Büschen, die vor Glut ganz mager,
Hielten die Schnecken Liebeslager,
Der letzte Sünder war sich gut
Und fühlte Heiligkeit im Blut.
Lieb' kam selbst zum Holzapfelbaum,
Er sah die Welt versüßter kaum.
Nur ich wußte nicht, was ich will,
Ach stünd' mein Schalkherze doch still!
[669]
Beruhigend wär es zu sehn,
Tät im Weinberg ein Haus mir stehn,
Und Königin schaute heraus.
Ich bau' am Berg mir gleich ein Haus.
Und als das Haus gleich fertig war,
Entdeckte ich gar sonderbar:
Ich nahm das Maß zur Tür zu klein,
Fenster waren nur Fensterlein,
Ein Puppenhaus war's niedelich,
Königin rief: »'s ist nicht für mich.«
Sie zog ins Haus erst gar nicht ein
Und wollte in Hotels stets sein.
Sie nährte einen Heimathaß
Und sprach: »Es macht mir keinen Spaß,
Ich möcht' die Lustigkeit gern teilen,
Mit der Menschen zum Wein hier eilen.
Doch Glocken gehen stündlich um,
Und trauernd ich mein Ohr vermumm.
Die Glocken rufen wie zum Grab,
Dein oder mein Herz fällt bald ab.«
So gingen wir mit wehen Reden
Durch Gärten voll von Amoretten,
Die zeigten sich leicht den Popo,
Und unsre Herzen ebenso.
In Gärten, wo den Nachtigallen
Liebeslieder im Schlaf einfallen,
Prangten umsonst pausbackig Rosen
Königin und dem Treuelosen,
[670]
Nachts hing der Mond krumm wie ein Beil,
Das scharfe Schicksal hatte Eil'.

Der annotierte Datenbestand der Digitalen Bibliothek inklusive Metadaten sowie davon einzeln zugängliche Teile sind eine Abwandlung des Datenbestandes von www.editura.de durch TextGrid und werden unter der Lizenz Creative Commons Namensnennung 3.0 Deutschland Lizenz (by-Nennung TextGrid, www.editura.de) veröffentlicht. Die Lizenz bezieht sich nicht auf die der Annotation zu Grunde liegenden allgemeinfreien Texte (Siehe auch Punkt 2 der Lizenzbestimmungen).

Lizenzvertrag

Eine vereinfachte Zusammenfassung des rechtsverbindlichen Lizenzvertrages in allgemeinverständlicher Sprache

Hinweise zur Lizenz und zur Digitalen Bibliothek