[Ich gebe dir ein gut Gesetz]
[142]Ich gebe dir ein gut Gesetz,
Ein redliches und reines hie:
Genieße, was dein Herz erfreut,
Doch Bruderherzen kränke nie! –
Die Flasche trug ich unter'm Arm,
Da meinte man, es sei ein Buch
Und irrte nicht; ich lerne draus
Rhetorik und Philosophie. –
Lang an der Schale klebet' ich
Da zog der Liebe starke Hand
In's flammenheiße Centrum mich
Aus frostiger Peripherie. –
Wohin gehörst du, strenge Maid?
In's unbelebte Pflanzenreich.
Die Meine, weil sie lebt, verlacht
Der Sitte dumpfe Despotie. –
Des Schelteworts Beleidigung
Verzeihet dir kein Nüchterner;
Mich mag sie treffen ohne Scheu,
Ich Trunkner überhöre sie. –
[143]
Schön mag es in der Höhe sein,
Doch auch hier unten ist es schön;
Lenz, Liebe, Becher, Lautenklang –
Was willst du, daß ich ferne zieh'? –
Nicht sprich, Hafis, daß ungerecht
Die Welt getheilt! Du hast genug;
Hast deinen ewig heitern Geist
Und deiner Reime Melodie.