[162] [164]Ahasverus Schmittner und Anna Regina Fahrenheidt

1646. 22. Weinmonats-Tag.


Sollt Ihr ohn meine Seiten
Zur andern Heyraht schreiten,
Herr Doctor? Zeig ich nicht
Euch hier auch meine Pflicht?
Der ersten Hochzeit wesen,
Woltt' etwas von mir lesen,
Wann ich gedencken kan,
So grieff ich mich auch an.
Der Todt riss' ewre Flammen
O grosses Leid! von sammen,
Mein Klag- vnd Trawer-Schall
Beweint' auch solchen Fall.
Was sol ich anders machen
Bey den verwirrten Sachen
Der immer-tollen Welt,
Die sich für klug nur helt?
Nach dem man mir gegeben
Am Pregel-Strom mein Leben
Zu schliessen, welches mich
Ergetzet inniglich.
Hie sitz ich gantz zufrieden
Von Glück vnd Welt geschieden,
Vnd sehe gern vnd wol
Was mir begegnen sol.
Pflegt Kranckheit mich zu schwächen,
Ich kan mich jhr entbrechen,
Vnd wende was ich weis
Nur auff gelehrten fleiß.
Ist mir was lieb vnd eigen,
Ich ruff es an zu zeugen,
Das Faulheit niemals stat
Bey mir gefunden hat.
Ich grüsse die Poeten
Offt vor den Morgenröhten,
Deß Nacht vnd Monden-Schein
Mir wird geständig seyn.
Was hab ich sonst zu schaffen?
Mein Wesen sind nicht Waffen,
Nicht Kauffschlag, noch durch Zanck
Auffwarten vor der Banck.
Kein Mensch hat mich gesehen
Die Würffel trieglich drehen,
Liebt jemand KarttenSpiel,
Ich halt' auff den nicht viel.
Auch pfleg ich Schwelgereyen
Dem Diebstall gleich zu schewen,
Die Schnecke liebt jhr Hauß,
Auch ich geh vngern aus.
Daß ich nicht Bücher schreibe,
Vnd gern vergessen bleibe:
Was ist nicht gnug bekant
Durch weiser Leute Hand?
Weit besser ist es schweigen,
Als lahm vnd päwrisch geigen,
Voraus wann dieser frist
So scharffes Vrtheil ist.
Werd' aber ich begehret,
So wird auch gern gewehret
Dem Land vnd dieser Stadt
Was mein Vermögen hat.
Herr Doctor, Euch für allen,
Euch säng ich zugefallen,
Thät' auch mein Spiel dem Chor
Der Musen gleich zuvor.
Nechst sang ich Euch im Leiden,
Gott lob, anietzt in Frewden,
Nun Ewer Trawer-Standt
In Hochzeit sich gewandt.
Ihr seyd durch Liebes-Orden
Gantz anders nun geworden,
Vor sah' Euch Jederman
Nicht ohn Erbarmen an.
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Jetzt thut Ihr alle Sachen
Mit Liebe, Lust vnd Lachen,
Schertz, Gnüg vnd Freundlicheit
Giebt stets Euch das Geleit.
Ihr krieget von dem Schneider
Anjetzt viel andre Kleider,
Des langen Mantels Tracht
Ist nun gar kurtz gemacht.
Was vor in Ewrem Leide
Nur Tuch war, ist nun Seide,
Der schwartze Flohr ist gantz
Verkehrt in einen Krantz.
Was kan doch vnsern Sinnen
Den Wechsel angewinnen?
Was nimmt so bald vns ein?
Der Liebe süsse Pein.
Die weis vns vns zu geben,
Die heisst die Todten leben,
Die Alten seyn ein Kind,
Vnd Argus selber blind,
Macht Sclaven aus Regenten,
Aus Aertzten Patienten
Vnd kehrt der Höllen Nacht
In liechte Himmels-Pracht.
Wer jetzt in Ewrem Hertzen
Sucht Kummer oder Schmertzen,
Sucht hie im Brachmon Schnee,
Im Hornung süssen Klee.
Vnd möchtet Ihr nur singen,
Giengt stets herein in Springen
Erfrewt ohn Maaß vnd Rhue,
Ihr habt hie-Vrsach-zu.
Ihr kriegt ein Bild der Schönen,
Für welcher die Sirenen
Vnd Leden thewres Kind
Sampt Venus heßlich sind.
Was darff ich Lügner werden?
Sie nähme durch Geberden
Vnd durch der Augen Schein
Die wilden Tieger ein.
Wo laß ich Ihre Sitten,
Die manches Hertz bestritten?
Wo Ihrer Worte Zier,
Die himlisch sind bey Ihr?
Ihr mögt wol warlich sagen,
Es haben sich vertragen,
Glück, Lieb vnd Rhum zugleich,
Herr Bräutgam, über Euch.
Glückselig ist die Stunde,
In der Ihr Euch dem Bunde
Der Kunst ergeben habt,
Die Euch so hoch begabt.
Must Euch Galenus weichen,
Hippocrates imgleichen,
Ihr hettet hiedurch Lohn
Vnd Ehre gnug davon.
Lasst Phoebus sich erfrewen,
Vnd alle Musen schreyen
Sampt vnsrer gantzen Schaar:
Glück zu dem Edlen Paar!
Gott woll' Euch nur erhalten,
Vnd ob Euch lassen walten,
Rhue, Leben, Fruchtbarkeit,
Daß Ihr gesegnet seyd.
Nur bleibet mir gewogen,
Der ich dieß Lied vollzogen,
Als gestern bey dem Spiel
Die Nacht mich überfiel.

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