[274] [288]Frülings-Gedancken. – Sigismund Pichler und Elisabeth Bulbeck
22. Ostermonat 1652.
Ich grüsst' in diesen Tagen
Das Friedeländer Thor,
Es hatte sechs geschlagen,
Die Sonne stieg empor:
Was sah' ich nicht für Frewden?
Der Reiff lag vmb das Graß,
Ein Finck sang auff den Weyden,
Der Pregel stund wie Glaß.
Ich war die Brück' hinüber,
Wie sprang das geile Vieh,
Der stoltze Stier, jhr Lieber,
Trat mitten vnter sie,
Der Hirt hub an zu blasen,
Wie tantzten sie vmbher
Auff den betawten Rasen
Als wenn es Hochzeit wär!
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Sie wurden ausgetrieben
Dieß Jahr zum erstenmal,
Nachdem sie lang geblieben
In jhrem finstern Stall,
Ich sprach: der Freyheit Gaben
Thun diesem Vieh auch wol,
Wer dieses Gut kan haben,
Ist alles Reichthums vol.
Vnd hätt' ich Goldes-Tonnen
Vnd was des Pregels Rand
An Schätzen hegt, gewonnen,
Säß' aber eingespannt
Vnd könte mich nicht retten
Aus Sorgen, Furcht vnd Pein,
Ich würd' in güldnen Ketten
Dennoch ein Sclave seyn.
Wolt ich ein Vöglein schliessen
Gleich in ein silbern Hauß,
Der Freyheit zu geniessen
Sehnt sich es doch hinaus:
Die Schätze sampt den Würden
Sind ein geschminckter Schmertz,
Sind Dienst vnd schwere Bürden,
Ich lob ein freyes Hertz.
Ein Vnschuldreiches Leben,
Das sich des Herren Zucht
Gehorsam vntergeben
Vnd jhm zu dienen sucht:
Kan ich nur den Schatz werben,
Vnd, nimmt der Tod mich hin,
Ihn lassen meinen Erben,
So hab ich gnug Gewinn.
Wir reisen hin vnd wieder
Weit über Land vnd See,
Vernützen vnsre Glieder,
Thun vnserm Hertzen weh:
Das wahre Gut zu kriegen,
Das vns in vns nur führt
Vnd ewig kan begnügen,
Wird wenig fleiß gespürt.
Lasst bleiben, liebe Leute,
Das reiche Morgen-Land,
Steht nicht nach grosser Beute
Fern vmb Hydaspes Strand,
Ein jeder thu die Reise
Tieff in sein Hertz hinein,
Das laß er aller Weise
Von Schuld gesaubert seyn.
Vnd dan erst wird er finden
Das Bodenlose Gut,
Das nimmermehr kan schwinden,
Den allzeit freyen Muth,
Ihm ist kein Pracht, kein Prangen
Auff aller Erden gleich,
Wer diesen Schatz kan fangen,
Hat erst ein Königreich.
Wie kömpt dieß ewrer Liebe,
Hochwerther Bräutgam, bey?
Auch ewer Hauß war trübe
Vnd eine Wüsteney,
Seit ewer Hertz verstorben,
Ihr lebtet als im Bann
An Sinn vnd Geist verdorben
Vnd ein gefangner Mann.
Jetzt aber legt jhr nieder
Den trüben Witwer-Stand,
Freyt ewre Freyheit wieder
Durch dieses Heyraht-Band,
Auff ewrer Liebsten Sinnen
Ist ewer Sinn gestellt,
Ihr lasst Euch Sie gewinnen,
Sie ewer freyes Feld.
Entsagt nun allem Leiden,
Nehmt ewrer Freyheit war,
Gebraucht euch jhr in Frewden,
Sie kröhn euch jmmerdar:
Lasst frembdes Vrtheil streichen,
Folgt ewrem Raht allein,
Der nach so manchem Zeichen
Nichts kan als Wolstand seyn.