[285] [7] Antwort-Schreiben des Herrn von Brand

Mein allerliebster Freund und werthester Herr Bruder,
Der du in Blumberg itzt versammelst deine Fuder,
Der du, wie Tityrus, dort in dem Schatten liegst, 1
Und zehlest, was für Korn du in die Scheunen kriegst,
Du dürfftest dich fürwahr so künstlich nicht bemühen,
Mich, durch ein schön Gedicht, aufs Land hinaus zu ziehen;
Es braucht, wilt du mich sehn, von dir ein eintzig Wort,
Dein Land-Gut ist für mich ein allzulieber Ort.
Ich weiß schon, wie man da die Stunden kan vertreiben;
Die Feld-Lust hättest du nicht nöthig zu beschreiben,
Dieweil mein freyer Geist, den Hof, zusammt der Stadt,
Mit Vorbedacht, wie du, schon offt vermieden hat.
Drum freut es mich recht sehr, daß dieses stille Leben
Dir eben so gefällt, als ich ihm selbst ergeben;
Und da wir beyderseits hierinn so gleich von Sinn,
Als eil ich desto mehr zu dir nach Blumberg hin,
Da wir auf eigne Hand uns können lustig machen,
Und, nebst der Eitelkeit, auch Welt und Hoff verlachen;
Da wir nicht so gepreßt mit Schreiben auf die Post,
Und da uns keiner jagt von unsrer Haußmanns-Kost;
Da man, frey von dem Zwang bey grossen Potentaten,
Sich satt fein friedlich ißt von seinem eignen Braten;
Da keiner fürchten darff Gewalt, Gefahr und List,
Die einen grossen Hanß offt unversehens frist.
Ach! wäre mancher Held auch so daheim geblieben!
Und hätte nicht sein Glück so hoch hinausgetrieben,
Hätt er sich nicht vergafft in Ehre, Macht und Geld,
So würd er ietzo nicht vor solch Gericht gestellt.
Drum thun wir beyde wohl, dieweil wir uns bequemen,
Mit Rüben, Kohl und Speck fein hübsch vorlieb zu nehmen.
Bescheret uns dann Gott auch Wildpret oder Fisch,
[286]
So sagen wir ihm Danck für solchen guten Tisch.
Ey nun! mein liebster Freund, in Hofnung, dich zu sprechen,
Will ich am Freytag früh mit Sack und Pack aufbrechen.
Mein Bruder kommt allein; Frau, Kinder bring ich mit; 2
Der Pape wegen nur geh ich nicht einen Schritt.
Ich weiß gewißlich ihr sonst keinen Platz zu finden,
Als etwan hinten sie beym Bett-Sack aufzubinden;
Wann ihr nur sonst nicht was hier aus den Falten rückt,
An statt, daß dort ihr Kopf im Wagen sich zerdrückt.
Es möcht ihr auch dabey ein andrer Fall begegnen,
Daß sie gar hinten könt ein Wolcken-Guß beregnen;
Alsdenn so hüllte sie sich gantz in Fuchspeltz ein,
Und Pabgen könte so den Kindern Guckug! schreyn. 3
Herr Perband bittet sie in seinen hohen Wagen; 4
Allein, ich fürchte sehr, sie möchten sich da schlagen,
Biß daß die Federn gar von Pabgen alle fort,
Und keine mehr davon blieb an dem rechten Ort.
Sonst freu ich mich im Geist, wie du uns wirst empfangen,
Und fragen, wie es uns so lange Zeit ergangen?
Auch hast du hoffentlich zum Tisch in grosses Blat,
Da man gemächlich sitzt, biß Wirth und Gäste satt.
Nach diesem wirst du uns in deinen Garten führen,
[287]
Und wir, im Grünen, da vergnügt herumspatzieren.
Weicht aber Phöbus Glut aldann der kühlen Nacht,
So ist für jeden schon ein sanfftes Bett gemacht.
Werd ich, in meinem, nun zu Gustgen mich gesellen,
So thu deßgleichen auch bey deiner liebsten Drellen. 5
Ein Seegen macht vielleicht alsdann aus zweyen drey,
Daß Blumberg ja so wohl als Köpnig fruchtbar sey. 6
So geht es gut. Doch schließt den Brief ein starckes: Aber!
Daß vor die Pferde ja bereit sey Heu und Haber!
Dieweil ein tüchtig Roß auch gern was gutes frist,
Wann es bey dir zu Gast mit mir gekommen ist.
[288]
Die Gelben mercken diß, und fangen an zu prauschen.
Weil man uns gerne sieht, so laßt die Räder rauschen!
Im übrigen, so nimm mich auf für einen Gast,
Dem du, als deinem Knecht, stets zu befehlen hast.

Fußnoten

1 Tityrus, ein Hirte, von welchem Virgil, fast mit gleichen Worten, sein erstes Schäffer-Gedicht anfängt.

2 War der General-Lieutenant von Brand, ein sehr angenehmer und dabey schertzhaffter Mann, auch ein besondrer Freund unsers Herrn von Canitz.

3 Ist eine Schertz-Redens-Art, welche so viel sagen will, sie würde sich, wann es regnen solte, dergestalt in den Peltz einhüllen, da nichts als das Gesichte hervorgucken könte; wie man den kleinen Kindern vorzumachen, und Guckgug! zu ruffen pfleget. Dergleichen eintzelne Wörter von den Papageyen auch insgemein am ersten hergeplaudert werden.

4 Er war Obrister und Chur-Fürstl. Cammer-Herr; deren man damahls nur viere zehlte. Weil er nebst seinem Schwager, dem General-Major Wangenheim, am Berlinischen Hofe, einer von den geübtesten war, einen muntern Schertz vorzubringen, so muthmassete der Herr von Brand nicht unbillig, daß unter diesen beyden leicht ein lustiges Gezäncke im Wagen entstehen könte; indem sie auch nicht leicht gewohnt war, eine Schertz-Antwort schuldig zu bleiben.

5 Drell oder Drall heist in der Marck so viel als derbe; man sagt z.E. eine Drelle Dirne, das ist, ein frisches derbes Mädgen.

6 Köpenick ist ein bekanntes zwey Meilen zur rechten von Berlin liegendes Ammt, Städtgen und Lust-Schloß auf einem Werder, den die Spree macht, welche sich daherum in viele kleine Seen ausbreitet. Der vorige so wohl, als der ietzige König, hatten es, als Chur-Printzen, im Besitze. Jener erweiterte und zierte so wohl Schloß, Kirche und Lust-Garten, als viel andre Fürstl. neu von ihm errichtete Gebäude in der Stadt und auf den Land-Gütern. Dieser hatte in der Jugend ein artiges Zeug-Hauß daselbst angeleget. König Friedrich hielt sich als Chur-Printz und Chur-Fürst, öffters daselbst auf, bey welcher Gelegenheit der Herr von Canitz mit seiner Doris vielmahl dahin reisete. Ob aber von einer vermutheten Schwangerschafft der Churfürstin selbst damahlen die Sage gegangen, oder, ob die Frau von Canitz, wie es scheint, daselbst einmahl schwanger worden, als sie ihren Gemahl dahin begleitet, kan man nicht für gewiß versichern. Diese Antwort des Herrn von Brand, so uns geschrieben mitgetheilet worden, ist noch in keiner eintzigen Auflage der Canitzischen Gedichte befindlich; ungeacht sie hier unentbehrlich scheinet, weil ohne dieselbe die Canitzische Gegen-Artwort nicht recht verstanden werden kan. In S.v.G. auferweckten Gedichten, die man 1702. zu Franckfurt und Leipzig in 8. gedruckt, ist, nebst den beyden Canitzischen Schreiben, auch diese Antwort des Herrn von Brand am 290. Bl. in der Zugabe, aber vermuthlich nach einer sehr schlimmen Abschrifft, mit eingerückt worden. Es sind aber diese Gedichte, ausser den Zugaben, eben diejenige, so schon, unter dem versetzten Nahmen Salomons von Golau, im Jahre 1654. herausgekommen, aus drey tausend Sinn-Gedichten bestehen, und zum wahren Verfasser Herrn Friedrich von Logau, aus Schlesien, haben.

Der annotierte Datenbestand der Digitalen Bibliothek inklusive Metadaten sowie davon einzeln zugängliche Teile sind eine Abwandlung des Datenbestandes von www.editura.de durch TextGrid und werden unter der Lizenz Creative Commons Namensnennung 3.0 Deutschland Lizenz (by-Nennung TextGrid, www.editura.de) veröffentlicht. Die Lizenz bezieht sich nicht auf die der Annotation zu Grunde liegenden allgemeinfreien Texte (Siehe auch Punkt 2 der Lizenzbestimmungen).

Lizenzvertrag

Eine vereinfachte Zusammenfassung des rechtsverbindlichen Lizenzvertrages in allgemeinverständlicher Sprache

Hinweise zur Lizenz und zur Digitalen Bibliothek