1.
Einst zu Turin am Hofe versammelte zum Feste
Der Herzog Karl der Dritte gar viele edle Gäste;
Man trank in vollen Zügen den rothen Veltlinwein
Und rings im Kreise scholl es von lust'gen Neckerei'n.
Um eine Tafel saßen sie alle in der Runde,
Die sich bereits ergeben dem süßen Ehebunde;
Um eine andre Alles, was jung und ledig war –
Ein Blumenbeet zu schauen ist nicht so frisch und klar.
Herüber und hinüber stritt man mit keckem Sinnen,
Ob's besser sei zu freien, ob besser nur zu minnen;
Es priesen Frau'n und Männer den schönen Ehestand,
Wenn's auch vielleicht im Herzen ein Mancher anders fand.
Herr Corsant de la Bresse, der jungen Ritter Blume,
Erhob das Glas und sprach: »Es gilt der Freiheit Ruhme!
Der Freiheit von dem süßen, doch läst'gen Ehejoch,
Sind's auch nur Rosenketten, so bleiben's Ketten doch!
»Wir weihen drum den Damen nicht minder heiße Triebe,
Doch nur vereint mit Freiheit kann preisen ich die Liebe!«
Die jungen Ritter riefen es ihm mit Jubel nach,
Es stießen an die Damen, jedoch ein wenig schwach.
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Herr Simon von Blonay sprang auf mit edler Hitze,
Beglückt seit einem Jahre fühlt er sich im Besitze
Der schönsten Dame, die er so warm in Lieb' umfing,
Daß ihm die kecke Sprache tief durch die Seele ging.
»Dies Glas bring' ich der Ehe!« scholl seine Gegenrede,
»Und fordre einen jeden mit mir heraus zur Fehde,
Der es bezweifeln möchte, ein Ehegatte sei,
Weil er ein Weib genommen, nun minder stark und frei!
Und würdiger als Jungfrau'n sind diese wohl zu preisen,
Die Gattin wir und Mutter von unsern Kindern heißen,
Für deren Ruhm und Ansehn bin ich hier allezeit
Zu brechen eine Lanze mit jedem gern bereit!«
Da klatschten alle Männer, da nickten alle Frauen,
Es war der Herr von Blonay gar herrlich anzuschauen;
Er hielt die Hand am Schwerte, sein Auge blitzte voll,
Ein sieggewohntes Lächeln um seine Lippen quoll.
Im Kreis der jungen Ritter stand Corsant ganz so prächtig:
»Herr Simon von Blonay,« so rief er jetzo mächtig,
»Wir wollen Lanzen brechen mit Euch zu jeder Stund –
Ich für den Preis der Freiheit, Ihr für den Ehebund!«
Da schlugen in die Hände die jungen Ritter wieder,
Allein die jungen Damen, sie blickten schweigend nieder,
Von ihnen hätte jede es lieber wohl geseh'n,
Er möcht' mit ihr zur Kirche, statt zu dem Kampfe geh'n.
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Der Herzog hatte stille dem lust'gen Streit gelauschet,
Und sah, daß nur zur Kurzweil man solche Fehde tauschet.
So mocht' er wohl erlauben, daß ohne Haß und Groll
Der Kampf der beiden Ritter sich bald vollziehen soll.
Er selber will bestimmen des muntern Kampfs Gesetze,
Der ihm und seinem Hofe soll dienen zum Ergötze –
Zweimal mit stumpfer Lanze zu rennen Mann gen Mann
Wird ihnen erst gestattet, und fünfzehn Gänge dann
Zu fechten mit dem Schwerte; wenn sich besiegt sollt' neigen
Der Streiter für die Ehe, muß er die Kniee beugen
Vor'm Fräulein von Savoyen und ihre Gnad' erfleh'n,
Dieweil sie noch bis jetzo ließ alle Freier steh'n,
Und vor noch einer Jungfrau, die darf der Sieger nennen,
Hat er als überwunden im Staub sich zu bekennen –
Doch, wenn besiegt sollt' werden der led'ge junge Fant
Hier durch des Ehekämpen geschickte, tapfre Hand,
Muß er, o harte Strafe! erst reuig niederfallen
Vor ihr, die wohl am meisten gefürchtet war von allen,
Zur Dame von Savoyen muß er um Gnade fleh'n –
Da möchte jeder lieber vor ihrer Tochter steh'n!
Dann mußte noch Herr Corsant, sollt' es so schlecht ihm glücken,
Sich, um Vergebung flehend, vor jener Dame bücken,
Der Simon von Blonay gereichet seine Hand
Und die er einst gefreiet im schönen Schweizerland.