[432] Der geschlagene Hund
Neulich rannt' ein grosser Hund, mit erbärmlichem Geschrey,
Weil man ihn geschlagen hatte, Sporenstreichs mein Haus vorbey,
Als ich an der Thüre stand. Dieser laute Ton durchdrang
Nicht nur mein beleidigt Ohr, sondern der zu scharfe Klang
Drang mir durchs Gehör ins Hertz. Da ich denn bewunderte,
Wie, durch wunderbare Wege, die Natur so gar den Thieren,
Wenn sie Ungemach und Weh,
Welches ihren Cörpern schädlich, und beschwehrlich ist, verspühren,
Nicht nur einen Trieb zu schreyen, sondern Werck-Zeug' ihnen schenckt,
Wodurch laute Tön' erreget, und wir zur Aufmercksamkeit,
Ja zum Mittleid, wenigstens zur Verdrießlichkeit, gelencket,
Ein so wüst Geschrey zu hören, wodurch sie denn oft befreyt.
Bald aus Mitleid zu uns selbst, bald aus Mitleid gegen sie.
Diesem Wunder in den Tönen, und den herrlichen Gesetzen
Der verständigen Natur, dacht' ich ferner, mit Ergötzen
Und mit Ehrfurcht, ernstlich nach. Letztlich kam ich von dem Vieh
Gar auf Menschen Stimm' und Töne, lautes Ruffen, und Geschrey,
Doch insonderheit aufs Beten, welches laut von uns geschicht,
Wenn uns etwan Hülfe nöthig, wenn uns etwas hier gebricht.
[433]Daß nun dieß in Ansehn Gottes unnütz, überflüßig sey,
Meynt' ich damahls; glaub' auch noch. Weil dem Schöpfer, was uns fehlet,
Was uns nützlich, was uns nöthig, uns erfreut, und was uns quälet
Besser, als uns selbst, bekannt. Er auch minder nicht, nicht mehr,
Durch's Geschrey, beweget wird. Wenn jedoch dadurch nicht nur
Andre Menschen, sondern auch noch wohl manche Creatur,
Engel oder andre Geister, dem Allmächtigen zur Ehr',
(Von der äusserlichen Andacht, auch aufs Innere zu schliessen,
Und wie etwa wir zuweilen, durch der Nachtigallen singen
Uns gerühret sehn) dem Schöpfer auch ein Lob-Lied mitzubringen,
Angetrieben werden können: Ja so gar die Eigenschaft
Unsers menschlichen Gemüths diese wircklich scheint zu seyn;
Daß auch selber, wenn wir Beten, selbst-gesprochner Wörter Kraft,
Sonderlich wenns laut geschehn, wircklich sich so weit erstrecket
Daß die Andacht noch vermehrt, daß der Geist dadurch erwecket
Das Vertrauen stärcker wird; kann man klar daraus ersehen,
Daß ein lauter Gottes-Dienst nützlich, gut und nöthig sey,
Ja nicht dann nur, wann man eintzeln, sondern auch mit andern, singt
Und, in starck vereinten Chören, wohl gestimmte Lieder bringt.
Einer solcher Harmonie Wirckung, Anmuth, Kraft und Macht,
Da wir durch Gewohnheit taub, wird zwar leider nicht geacht;
[434]Aber laßt uns einen fragen, der in einer langen Zeit
Und in vielen Jahren nicht der Gesänge Lieblichkeit
In den Kirchen angehöret. Er wird gantz gewiß gestehn,
Daß für Lust er kaum gefühlet, wie ihm eigentlich geschehn.
Laßt uns denn doch künftig hin Stimm' und Singen höher achten,
Und es nicht nur als ein Wunder, auch als ein Geschenck betrachten!
Laßt uns unserm Schöpfer dancken, daß er uns in diesem Leben,
Ihm zur Ehr' und uns zur Lust, Stimm' und Harmonie gegeben,
Auch zu seinem Ruhm sie öfters zu gebrauchen, uns bestreben.