[412] Das herrliche Geschöpf des Tockayer-Weins, in einem Hirten-Gedichte, auf gnädigstes Verlangen des Durchlauchtigsten Fürsten und Herrn, Herrn Günthers, Fürsten zu Schwartzburg etc. etc. etc.
Unter dick belaubten Zweigen hoher Linden, schlancker Buchen,
Gieng Beraldo, kühle Schatten bey der schwülen Luft zu suchen,
Weil er, fast den gantzen Morgen, der Geschöpfe Schmuck und Pracht,
Auf den Hügeln, in den Thälern, zu betrachten zugebracht.
Bald hatt' ihm ein heller Bach, der auf glatten Kieseln eilet,
Bald ein schroff- und steiler Fels, bald ein angenehm Gebüsche,
Bald ein wallend Aehren-Meer, durch sein liebliches Gezische,
Bald der leichten Vögel Zwitschern, eine sanfte Lust ertheilet.
Nah' an einer hohen Eichen, die des nahen Berges Gipfel
Fast an Höh' zu trotzen schien, dessen Blätter-reicher Wipfel,
[413]So mit Eicheln, wie der Stamm mit des Mooses Sammet, pranget,
War er, mit beschwitzter Stirn, schrittlings eben angelanget.
Eben war er im Begriff sich ins kühle Gras zu setzen,
Um an dieses Ortes Anmuth sich aufs neue zu ergetzen,
Als er ungefehr im Grunde, nahe bey sich, rechter Hand,
Seinen liebsten Freund, Durander, wie er bey der Heerde stand,
Er auch ihn zugleich erblickte: Der denn schnell gelaufen kam,
Und mit diesen süssen Worten ihn liebkosend mit sich nahm:
Eben find' ich dich zu recht, liebster Freund, verschied'ne Sachen,
Die sich jüngst mit deinen Liedern zugetragen, kund zu machen.
Aber weil du warm und müde, wirst du sich vorher bequemen,
Fische Milch bey mir zu trincken, und mit mir fürlieb zu nehmen.
Was Teich, Haus und Stall vermag, will ich mit Vergnügen geben.
Wohl, sprach gleich Beraldo lächelnd, ich will mit. Drauf gingen sie
Bald durch Ziegen, Pferd' und Schafe, bald durch das gehörnte Vieh.
Unter Weges fiel die Rede auf das Land- und Schäfer-Leben.
»Wie glücklich, sprach Bertaldo, leben wir
In dieses lieblichen Gefildes Lust-Revier,
Entfernt vom Städtischen beschwerlichen Getümmmel,
Für Zanck, Verleumdungen, für Neid und Streit verbogen,
In einer süssen Ruh', als wie im ird'schen Himmel!
[414]In Städten kann man nicht sein eigen seyn:
Ein steter Lärm, der Wohlstand, Nahrungs-Sorgen,
Die rauben uns uns selbst, verwirren unsre Geister,
Und blenden uns mit falschem Schein.
Hingegen auf dem Land' ist man sein eigner Meister:
Man kann, in Fried' und Ruh, auf sich allein gedencken.
Und seinen Geist, durch das Geschöpf ergetzt,
In Andacht-voller Lust, zum grossen Schöpfer lencken.
Hier kann man, ohne Schaam (ein Glücke, das nicht klein)
Verträglich, tugendhaft, voll Ehr-Furcht gegen Gott,
Und, sonder Schande, redlich seyn.«
Mit dergleichen Unterredung kürtzten sie den Weg, und kamen
Weil sie ohne dieß mit Fleiß den bekannten Fuß-Steig nahmen,
Bald, und eh' sie sichs versah'n, mit nicht gar geschwinden Schritten,
Voll gelassenen Vergnügens, zu Duranders kühlen Hütten:
Traten in die grüne Laube, die bereits vor manchem Jahr
Aus sechs schlancken Linden-Bäumen artig zugerichtet war.
Diese Laube war ein künstlich dicht geflocht'nes Blätter-Zelt,
Wodurch, auch im heissen Mittag, der geringste Strahl nicht fällt.
Eben ward der Tisch gedeckt, und es ward, ohn' alle Pracht,
Sonder Porcellain und Silber, doch sehr nett und rein zu Tische,
Abgekühlte fette Milch, eben selbst gefang'ne Fische,
Ein gebratnes junges Lämmchen, auch recht schönes Obst, gebracht.
[415]Ein beschäumter kühler Wein ward, nachdem das Glas geschwencket,
So zum Durst, als zum Vergnügen, mehr als einmahl eingeschencket,
Mehr als einmahl ausgeleert. Da Beraldo denn mit Lust,
Sein gewohntes Tafel-Liedchen, aus der recht zufried'nen Brust,
Und mit recht zufried'nem Geist, so, daß Feld und Wald erklang,
Bey der hellen Feld-Schallmey, wie er öfters pflegte, sang:
Wunder-voller Saft der Reben,
Süsser Unmuths-Gegen-Gift!
Unsers Lebens halbes Leben etc.
Ob nun gleich dadurch Durander eingenommen, recht vergnügt,
Und sich, durch muntern Ton, innig so gerühret fühlte,
Daß er zu Beraldo Stimme dann und wann die seine fügt',
Bald mit einem halben Vers, so wie er ihn schnell behielte,
Bald mit einem sanften Sumsen den beliebten Ton verstärckte,
Ubrigens mit Haupt und Fuß ämsiglich den Tact bemerckte;
Unterbrach er doch zuletzt den Gesang; sprang auf, und sprach:
Folge doch, geliebter Bruder, mir, wohin ich gehe, nach.
Denn nunmehro muß ich dir, was ich sagen wollt', entcken:
Weist du, daß der grosse Günther, dessen fettes Land und Wiesen
Weiter, als die andern Wiesen aller Schäfer, sich erstrecken,
[416]Der mit einem güld'nen Stabe die nicht zählbar'n Heerden weidet,
Den die fürstliche Gebuhrt, doch wehr der Tugend Glantz,
Und der Weisheit strahlend Licht von uns allen unterscheidet;
Deine Lieder lieset. Ber. Was? Den, mit Recht, der Pupur kleidet?
Dessen Geist von Wissenschaft, Ehr' und Glück zum Sitz erwählet?
Dem nicht nur die fetten Heerden, selbst die Schäfer unterthan?
Günther, welcher Kayser selbst unter Seinen Ahnen zählet,
Lieset meine Lieder? Dur. Ja, und Er preis't sie andern an,
Singt sie selber (ob Er gleich selbst, daß es ein Wunder, singet)
Ja Er hat, da die Natur meist das, was von dir erklinget;
Gestern noch mit dieß von dir zu erlangen aufgetragen,
Daß du, so wie andre Dinge, der Tockayer Reben-Saft,
Dem zum Ruhm, der dieses Wunder schafft, so wie er alles schafft,
Nach Vermögen möcht'st besingen. Und, daß es gelingen möchte,
Wann dein reger Geist vielleicht selbst gerührt, noch besser dächte;
Hat er mir, da dieser Most sonst die Schäfer selten träncket,
Voll von diesem süssen Tranck ein sehr schönes Faß geschencket.
Komm, beschau es selbst. Der Fels, den du aus dem Busche dort,
Meist beschattet, ragen siehst, hegt in seiner kühlen Höle
[417]Diesen meinen feuchten Schatz. Wie, nach einer dürren Zeit,
Wenn ein lau- und sanfter Regen das versengte Gras erquicket,
Sich so Schaf als Hirten freuen; Also ward Beraldo Seele,
Durch des grossen Günthers Beyfall seiner Lieder, fast entzücket:
Folgt' auch gleich Duranders Schritten mit besond'rer Munterkeit,
Weniger aus Neu-Begier, oder seinen Durst zu stillen,
Als des grossen Hirten Wollen desto schneller zu erfüllen,
Seiner Schuldigkeit gemäß, ob es ihm gleich gar nicht leicht,
Sondern voller Schwierigkeit, und fast ja so schwehr bedeucht,
Von dem König aller Weine etwas würdigs vorzutragen,
Als vom Auszug aller Fürsten, Günthers Ruhme, gnug zu sagen.
Unter Weges sahen sie, wie der Hirten muntre Schaar
Hier mit melcken, dort mit scheren ihrer Heerden ämsig war,
Da saß einer, der den Namen Phillis, mit verschränckten Zügen,
In ein junges Bäumchen schnitte. Dort satz't einer einen Crantz,
Den er alleweil gebunden, mit vereinigtem Vergnügen,
Seiner holden Doris auf. Jener sucht', in einem Tantz,
Stärcke, Fertigkeit und Liebe seiner Silvia zu zeigen,
Welche, gleichfalls leicht von Füssen, Seladon zu flihen schien,
Doch nur, um mit grösserm Eifer Seladon ihr nach zu ziehn.
Celimandern hörten sie flöten: Selimantes geigen.
An den allenneisten Orten ward von Alten und von Jungen,
Zu des Ober-Hirten Ruhm, viel geredet, viel gesungen.
[418]Oft erschallte Feld und Wald von verschied'nen Wechsel-Chören,
und die allermeisten liessen anders nichts fast von sich hören:
Als: Der grosse Günther lebe, nebst der holden Albertinen,
Unter denen unsre Wiesen, in erwünschtem Friede, grünen!
Unsre Wand'rer hörten dieß voll Vergnüngen, ja sie fiengen,
Bald bey diesem, bald bey jenem frohen Chor, mit an zu singen:
Lebe, grosser Günther, lebe, nebst der holden Albertinen,
Unter denen Wald und Wiesen, in erwünschtem Friede, grünen!
Endlich waren sie darüber da, wo sie sich vorgenommen,
Bey dem dick bebüschten Felsen, unvermuthet angekommen.
An des steilen Berges Fuß öffnet ihren weiten Mund
Eine fast verwachsne Höle. Deren Eingang, wie die Schooß,
Viele Sträucher, wilder Flieder, zähes Epheu, weiches Mooß,
Und zumahl ein hoher Ulm-Baum, welcher an der Oeffnung stund,
Schwärzt und schmücket, füllt und deckt. Dieser Hölen harte Seiten
Waren fast an allen Orten, durch den scharfen Zahn der Zeiten,
Durchgelöchert und zernagt. Hier war es beständig kühl,
Weil kein warmer Sonnen-Strahl in die Oeffnung iemahls, fiel.
So daß, wenn auch Sirius Feld und Wald in Flammen setzte,
Doch ein angenehmer Schauer den, der in sie trat, ergetzte.
[419]
Hier nun sahen sie gar bald, schon von weitem, mit Vergnügen,
Bey dem Lichte, das von oben durch gespalt'ne Felsen drung,
Und wodurch das Schimmer-Licht allgemeiner Dämmerung
Sich an diesem Ort verlohr, das gesuchte Fäßchen liegen.
Es war aus der massen zierlich von Figur und netten Stäben,
Mit gantz frisch bewund'nen Reifen, mehr geziert fast, als versehn.
Etwas Schmitz-Werck sah' man oben, von geschlungnem Laub von Reben,
Und in ihnen, halb erhoben, Günthers Fürstlich Wapen stehn.
Alsobald ergriff Durander ein Crystallen-Glas, so ihm
Auch dabey geschencket war, schwenckt' es in der klaren Fluth,
Die, von Felsen abgetröpfelt, endlich im Behälter ruht,
Den sie ihr selbst ausgehölet: Und ließ aus dem schönen Faß
Ein, geschmoltzenem Topase fast an Farben ähnlichs, Naß
In den Becher schäumend rinnen. Wie er nun gefüllet war,
Reichet' er ihn gleich Beraldo, mit vergnügtem Lächeln, dar.
Kaum hatt' er es angenommen, als er das beschäumte Glas
Vor die Nase schwebend hielte, da denn gleich dieß süsse Naß,
Wie ein Balsam, sein Gehirn gantz erfüllt' und ergetzte,
Daß an die gespitzten Lippen er es, ohne zögern, setzte,
Sanfte schlurft', und an den Gaum mit der Zungen Spitz' es drückte,
Schmatzend abzog; wodurch sich eine Lust auf ihn ergoß,
Die in einem Augenblick durch sein gantzes Wesen floß,
Ihn vergnügte, rührt', ergetzt', ihn erfreut', erfrischt', erquickte;
[420]So daß er, halb ausser sich, zu des grossen Schöpfers Ehren,
Dieses sein Geschöpf besang. Und nachdem ers oft geschmecket,
Und darin doch immer mehr Wunder in der Lust entdecket;
Ließ er, voll Zufriedenheit, die Gedancken von sich hören:
Balsam des Lebens! Labsal der Seele!
Fliessende Flamme, voll reitzender Kraft!
Schmertzen und Traurigkeit linderndes Oele!
Quelle der Ahnmuth! begeisterter Saft!
Edler Tockayer, dein holdes Geträncke
Heisset und bleibet ein himmlisch Geschencke!
Indem ich dein beschäumt und trinckbar Gold beschau,
So kommt es mir
Nicht anders für,
Als ein vom Sonnen-Licht bestrahlter Morgen-Thau,
In welchem sich von allen Edel-Steinen
Die Farben und der Glantz vereinen.
Wann ich dein wohl gemischt süß-säurlich Wesen schmecke;
Daucht mich, daß ich den Auszug recht in dir
Von allen dem, was lieblich schmeckt, entdecke.
Wie ist dein lind' und ölicht Wesen
So lieblich glatt, so sanft, so weich,
Und doch durchdringend scharf zugleich!
Dieß hat kein andrer Wein. Es scheint,
Ob wär' in dir zugleich die Nahrungs-Kraft vereint.
Man glaubt, wann uns den Mund die fetten Tropfen füllen,
Nicht nur den Durst, den Hunger auch zu stillen,
Ein Heyde würde dieß gewiß von dir erzählen:
In dir scheint Ceres sich mit Bacchus zu vermählen.
[421]
Beglücktes Land, wo, durch des Himmels Güte,
Die süssen Kinder edler Reben
Ein solches liebliches erwünscht Getränck uns geben,
Das unser circkelndes Geblüte,
Dadurch ergetzt, erquickt, erfrischt,
Sich leicht und gern mit diesem Safte mischt,
Der Tages unsre Lust, des Nachts die Ruhe mehrt,
Und dessen holdes Feur der Sorgen Duft verzehrt,
Ja uns so gar ein' Artzeney gewährt.
Wie wird mir? edles Naß, du Freuden-Feuers Quelle,
Ich fühl', ich seh' in dir ein sonst nicht sichtbar Licht,
Das durch des Schwermuths Duft und Unmuhts-Nebel bricht.
Der Argwohn, nebst der Furcht, der Menschen Plage-Geister,
Sind durch dich weggejagt. Du machst, an ihrer Stelle,
Dich aller meiner Sinnen Meister.
Es wird in meiner Seelen helle.
Vertraulichkeit, Muth, Großmuth, holde Triebe
Der fast erstorb'nen Nächsten-Liebe
Berziehen mein Gemüth, beherrschen meinen Sinn.
Kaum bin ich mehr derselbe, der ich bin.
Ein etwas, welches ich empfinde,
Ist süß, ist lieblich, ist gelinde:
Mich rührt ein reiner Anmuths-Strahl.
Es wallt mein fröhliches Geblüte
Und mein erheitertes Gemüthe
Ist reg' und ruhig auf einmahl.
Noch mehr! ich eile fort. Ich dencke:
Woher kommt diese Lust? Wie können Reben
[422]Mir Tugenden, die ich nicht hatte, geben?
Vermag ihr Saft
In mir der Redlichkeit und des Verstandes Kraft
Zu mehren, zu erheben?
Nein, nein! Ja, ja! Es ist gewiß:
Gleich itzt verlässet mich des Zweifels Finsterniß.
Du zeigest, da durch dich der Argwohn uns verlässt,
Zusammt der Brut der Furcht, des Hasses und der Sorgen,
Daß noch in unsrer Brust ein Rest
Von Menschen-Lieb' und Billigkeit verborgen,
Die durch Gewohnheit gantz versteckt,
Verhüllt gewesen und verdeckt.
Wie aber in der Luft der Sonnen Licht
Der Wolcken Duft zertheilt: Jedoch derselben Hitze,
(Wenn sie zu starck) uns brennt: So ist bey dieser Gluth,
Die Ubermaasse auch nicht gut,
Die Maasse nöthig, heilsam, nütze.
Drum dencke, wer ihn trinckt, aus Danckbarkeit daben,
Daß Uebermaass' uns untersaget,
Daß Maass' absonderlich dem, der ihn giebt, behaget;
Ja daß sie noch die Lust zu mehren dienlich sey.
So trinck' ich nur noch eins. Wie Wunder-süß,
Wie angenehm, wie sanft ist dieß!
Wie lieblich beissend, wie verschiedlich
Ist der verbundene Geschmack, wie niedlich!
Der, durch den süssen Druck, gerührte Geist verspüret,
Vernimmt und mercket gleichsam hie,
Im Wohlschmack, eine Harmonie,
Die ihm sehr angenehm, und die ihn allgemach,
Denckt er der Anmuth nur vernünftig nach;
In seiner Lust, zum grossen Geber führet.
[423]
Ich sehe, mit vergnügten Blicken,
Ich schmecke, gleichsam mit Entzücken,
Wie freundlich GOTT, der alles schafft.
Aus Seinem seel'gen Wollust-Meer
Hat Er ein Tröpfchen Seiner Kraft
In unsern Sinn herab gelencket,
Und dem Tockayer Reben-Saft
Ein geistig Feuer eingesencket.
Hieraus nun fliesst zu Seiner Ehr':
Da eine solche süsse Gluth,
Die selbst die Seele kann ergetzen,
Ja nicht von ungefehr in diesem Safte ruht;
Was muß, in Seinen ew'gen Schätzen,
Um Seine Creatur zu laben,
Der Schöpfer nicht für Kräfte haben!