Sechste Scene
Vorige. Charles. Denise, Rose. Adolph. Amélie. Fleure. Zwei junge Herren aus dem Bogen links.
DENISE
hält Rose bei der Hand, zieht sie nach sich.
Nein, nein, Du mußt! Mir zu Liebe mußt Du das deutsche Lied singen!
ROSE
Balltoilette, elegant, nicht prächtig aber geschmackvoll und gracieuse, Blumen im Haar, ihr Gesicht strahlt von Heiterkeit.
Ich muß nichts, Denise! Laß mich los!
DENISE
ihre Hand mit beiden Händen festhaltend.
Gewiß mußt Du, weil ich es wünsche! O wer Dich das deutsche Lied nicht singen hörte, kennt Deinen höchsten Reiz nicht!
ROSE
lachend.
Was schwatzt die kleine Elster! Singen müssen – gefangen singen Deutet auf ihre Hand, die Denise nicht los läßt. wie ein Kanarienvogel im Bauer, nein, Denise, das kann ich nicht! –
[20]DENISE
läßt ihre Hand los, und schlingt ihr die Arme um den Hals.
So, du Eigensinn! Nun bist du frei.
ROSE
umschlingt sie, zärtlich.
Und doch gefangen!
DENISE
froh.
Aber nun sollt Ihr hören wie sie singt!
CHARLES
öffnet das Clavier.
Wir sind ganz Ohr!
ADOLPH
in ihren Anblick versunken.
Das deut sche Lied, von der Alpenrose am Bergesrand, nicht wahr, Rose?
ROSE
plötzlich ernst.
Nein – nein, das nicht! Gewiß nicht!
DENISE.
Aber gerade das singt sie so reizend!
AMÉLIE.
FLEURE umringen sie. Bitte, bitte, Rose! das Lied! das deutsche Lied!
ROSE
ungeduldig.
O diese Quälgeister! Ich will Euch spanische Romanzen, ja, die Cavatine aus Dinorah und den Walzer aus Faust singen, wenn Ihr sie fordert – nur das Lied nicht – ich kann es nicht!
ADOLPH
verletzt.
Weil ich es wünsche?
ROSE
mit Vorwurf.
O Herr Graf!
ADOLPH.
Aber warum denn g'rade heute so unerbittlich?
ROSE.
Weil ich gerade heute einmal wieder so heiter, so froh, so glücklich bin, und mir diese Stimmung nicht selbst zerstören will; Zu Adolph gewendet. sehen Sie, nur der Gedanke an das Lied bringt mir fast Thränen in die Augen; es ruft das schlummernde Heimweh, die Sehnsucht nach all den Meinen so schmerzlich in mir wach; Tief bewegt. wie mit einem Zauberschlag liegt der ewig grüne Schwarzwald, das liebe Vaterhaus, unsere Felsen und unsere Thäler, mit den lustigen Bergwassern und den weidenden Heerden im Sonnenschein vor mir, und ich habe ein Gefühl, als umwehte mich plötzlich der frische Athem unserer Höhen, als müßten sich mir Schwingen an den Schultern entfalten, die mich forttragen aus der schwülen Luft dieses Häusermeers, in die helle, schöne Heimath!
ADOLPH
bewegt.
O, dann singen Sie das Lied nie mals wieder!
DENISE.
Nein, nein, ich will es nicht mehr verlangen, denn du darfst uns nicht fortfliegen, Rose, das könnte ich nicht überleben.
GRAF
der sichtlich immer unruhiger wurde, laut zu Leblanc.
Bitte Herr Leblanc, stellen Sie mich den jungen Damen vor.
ALLE
wenden sich rasch nach dem Grafen um.
LEBLANC
befremdet.
Zu Befehl! Vorkommend. Seine Excellenz, der Herr Graf von Hohenfels. Allgemeine Verbeugung.
ADOLPH
fährt überrascht zurück.
Mein Oheim!
GRAF
geht gerade auf Rose zu.
Ich freue mich zu hören, daß Demoiselle Rose ihrer Heimath noch so lebhaft gedenkt, so darf ich hoffen, ihr ein willkommener Bote von dort zu sein!
LEBLANC
erschrickt, und wirft einen raschen Blick auf den Grafen.
[21]ROSE
sich mit Grazie verbeugend, sieht den Grafen fragend an.
ADOLPH
ihm näher tretend.
Sie hier, mein Oheim?
GRAF
sehr freundlich.
Leider nur durch einen Zufall in diesen bezaubernden Kreis geführt, in welchem Du Glücklicher, ganz heimisch zu sein scheinst.
ADOLPH
bestimmt.
Ich schmeichle mir von Herrn Leblanc und den Seinigen als Freund des Hauses betrachtet zu werden.
LEBLANC
verbeugt sich.
ROSE
hat keinen Blick von dem Grafen verwandt.
Verzeihung, mein Herr! Hatten Sie nicht die Güte von einer Botschaft zu sprechen? –
GRAF
freundlich nickend.
Gewiß, ich stellte mich Ihnen als Bote aus der Heimath vor.
LEBLANC
heftig erschrocken, für sich.
Was – was?
ROSE
ganz Freude.
Oh! Was sagen Sie? Fast athemlos. Bringen Sie mir vielleicht einen Brief? Ich habe so lange nichts von den Meinen gehört!
GRAF
gedehnt.
Wirklich? Das wäre seltsam. Ich bringe Ihnen keinen Brief, aber sichere Nachrichten von den Ihrigen. Ich komme so eben aus dem Schwarzwald zurück.
ROSE
in zitternder Freude.
Und haben die Meinen gesehen, gesprochen?
GRAF.
Sogar bei ihnen gewohnt.
ROSE.
O wirklich, wirklich?
GRAF
mit einem Seitenblick auf Adolph.
Und war vortrefflich aufgehoben. Kein Gasthaus in der ganzen Gegend vergleicht sich dem Ihres Vaters, obschon es eigentlich nur eine Bauernwirth schaft ist, findet man doch jeden Comfort dort, der billigerweise auf dem Lande zu fodern ist.
ADOLPH
fährt zusammen, und sieht den Grafen staunend an.
DENISE
leise zu Charles.
Was sagt er da?
CHARLES
zieht die Schultern.
DIE MÄDCHEN
stecken verwundert die Köpfe zusammen.
ROSE
sah ihn fest an, während der ganzen Rede, vollständig unbefangen, fast stolz.
Dafür ist unser Haus auch bekannt. Ganz Freude und Leben. Aber erzählen sie mir doch! War der Vater daheim, haben Sie meine prächtige Mutter »die Frau Sonnenwirthin« gesehen, vor der der ganze Schwarzwald Respect hat? Und meine Dorothee, die Schwester Kindlich heiter. man nennt sie »das Dorle« daheim! Mein liebes liebes Dorle! bringen Sie mir auch von ihr Nachricht?
GRAF.
Eben von ihr, von ihr vor Allen.
ROSE.
Aber warum schreibt sie nicht – warum hat sie mich so lange vergessen! –
GRAF
kopfschüttelnd.
Ich verstehe Sie nicht mein Kind. Niemand hat Sie vergessen!
LEBLANC
hat in der äußersten Unruhe zugehört.
O, Herr Graf! –
CHARLES
die Verlegenheit Leblancs beobachtend, ruft.
Die Musik, meine Damen!
AMÉLIE UND FLEURE
laufen rasch ab, die zwei Herren folgen ihnen.
GRAF
ohne auf Leblanc zu achten.
Ihr Vater hat Sie verlangt, Sie zu der Hochzeit Ihrer Schwester nach Hause gerufen und Sie – Mit einem scharfen Seitenblick auf Leblanc. verweigerten es zu kommen.
[22]ROSE
die ihn gespannt anstarrt.
Was, was? Dorothee hat endlich Hochzeit – und sie hätten mich gerufen?
GRAF.
Das wüßten Sie nicht?
ROSE
energisch.
Ich weiß nichts – als daß Niemand mich hier gehalten hätte, wenn ich es gewußt!
GRAF.
Dann hat man Ihnen den Brief aus der Heimath unterschlagen. –
LEBLANC
rasch einfallend.
Oder – er ist verloren worden.
GRAF
leise zu Leblanc.
Ah! Ich verstehe! Laut. Ganz gewiß ist er von der Post verloren, aber die Sache bleibt für Sie Zu Rose. dieselbe. Ihre Familie ist in Verzweiflung, vor Allem Ihre Schwester, die trostlos ist, daß sie Hochzeit haben soll, ohne Sie.
ROSE
hastig.
Wann – wann ist die Hochzeit?
GRAF.
Nächsten Sonntag. Sie haben noch zwei Tage Zeit. –
ROSE.
Zwei Tage! O Gott sei Dank! Fliegt auf Leblanc zu. Wenn ich morgen mit dem Frühzug reise, so bin ich zum Abend in Straßburg, und am andern Morgen daheim. Wenn die Glocken zur Kirche läuten, die Böller donnern, die Kranzjungfern aufziehen, trete ich vor mein Dorle hin, und wir fassen uns in die Arme, wir weinen und lachen, ich drücke ihr die Brautkrone auf das liebe Köpfchen, bete das Ave mit ihr, und wir gehen selbander zum Altar, wie wir es uns gelobt! Ach Pathe, lieber, theurer Pathe, geben Sie mir Ihren Segen und lassen Sie mich ziehen!
LEBLANC
in sichtlicher Bewegung.
Du wolltest – Du könntest uns verlassen?
ROSE
tritt einen Schritt zurück und sieht ihn groß an.
Könnte ich bleiben? Haben Sie denn nicht gehört: der Vater ruft mich heim, der Ehrentag der Schwester fodert mich! Könnte ich zweifeln was ich soll? Ich reise! Und Sie mein väterlicher Freund, Sie werden mich nicht halten. Nicht wahr, Pathe?
LEBLANC
wendet sich, heftig bewegt, ab.
GRAF.
Wie können Sie fürchten mein Kind, daß Herr Leblanc Sie abhalte? Scharf. Er kennt die Rechte eines Vaters, der Ihrige verlangt Sie, Herr Leblanc wird nicht anstehen, seine Pflicht zu thun.
LEBLANC
mit Würde.
Gewiß nicht. – Du wirst morgen reisen, und Charles wird Dein Begleiter sein; ich halte Dich nicht.
CHARLES
erschrickt, für sich.
Was! Was?
ROSE
innig.
Ich danke Ihnen, Pathe, ich wußte es ja! –
DENISE
an Roses Hals fliegend.
Rose, Du gehst wirklich?
ROSE.
Ich komme wieder, Denise, gewiß. –
DENISE.
Ach nein – nein! Du kehrst nicht wieder! Haben sie Dich erst, so lassen sie Dich nie wieder los.
GRAF
für sich.
So hoffe ich! Laut. Es dürfte doch gerathen sein, wenn Herr Leblanc die Ihrigen durch ein Telegramm noch diese Nacht beruhigen wollte.
ROSE.
Ach ja, ja theuerster Pathe! Nehmen Sie den Zweifel von den Meinen.
LEBLANC
vollständig gefaßt.
Das soll augenblicklich geschehen. Carles, entschuldige mich bei der Gesellschaft, und dann Mit Nachdruck. erwarte ich [23] Dich im Comptoir – Zum Grafen. wo ich Excellenz noch um einige Worte bitten werde.
GRAF.
Unser Geschäft betreffend – ich ver stehe – und begleite Sie. Zu Rose. Sie sind ein wackeres Mädchen. Reisen Sie glücklich.
ROSE.
Ich danke Ihnen, Herr Graf Reicht ihm die Hand. Sie haben mich für immer zu Ihrer Schuldnerin gemacht.
GRAF
ihre Hand schüttelnd.
Ich that nur meine Pflicht. Für sich. Sie hat Charakter, sie reist! Zu Adolph. Mein Wagen wartet, wie ist's Adolph, wirst Du mir Gesellschaft leisten?
ADOLPH
der mit gewaltsam unterdrückter Aufregung die Scene verfolgte, ruhig.
Entschuldigen Sie, Onkel, ich bin noch engagirt.
GRAF
lächelnd.
Ah, das ist ein Anderes; Zu Leblanc. zu Ihren Diensten, Herr Leblanc.
LEBLANC
im Gehen.
Vergiß nicht, Charles, daß ich Dich erwarte. – Beide ab, Seitenthüre links.
CHARLES
für sich.
Was hat er mit mir vor? Halblaut zu Denise. Komm, Kleine, Du versäumst den Tanz.
DENISE
stand betrübt zur Seite.
Aber Charles –
CHARLES
faßt sie unter den Arm, wie oben, befehlend.
Komm, sage ich, Du hast hier nichts mehr zu suchen! Vorwärts! Zieht Denise fort, die mit neugierigen Blicken auf Adolph und Rose abgeht, wo Beide kamen.