239. Der König im Berge
Auf einer Höhe bei Lauenburg in Kassuben hatte sich im Jahre 1596 eine ungeheure Kluft aufgetan. Deren Tiefe, und wie sie innen beschaffen sei, hätte der Rat gern erfahren; nun [178] waren allda zu Lauenburg zwei Gefangene, das waren zum Tode verurteilte Missetäter, denen bot der Rat Leben und Freiheit, wenn sie es wagen wollten, hinab in die Tiefe zu steigen und Kunde heraufzubringen von dem, was sie drunten gesehen. Diese Missetäter fuhren hinab, tief, unendlich tief, und als sie endlich drunten im Berge ankamen, da erblickten sie einen großen und schönen Garten, und in dem Garten stand ein Baum mit lieblicher weißer Blüte. Und unter dem Baume stand ein Kind, das winkte den Männern und führte sie über einen weiten Plan zu einem Schloß. Daraus klang vernehmlich mancherlei Saitenspiel und liebliches Getöne, und wie das Kind den Männern die Pforte öffnete, sahen sie drinnen im Saal einen König auf silbernem Stuhle sitzen, der hielt in der einen Hand einen goldenen Szepter und in der andern Hand einen Brief. Diesen Brief gab der König in des Kindes Hand, und das Kind gab ihn den Missetätern. Die brachten ihn herauf, und dann ward ihnen ewiges Schweigen auferlegt, und sie wurden freigelassen, und niemals hat jemand erfahren, was in dem Briefe gestanden hat.