537. Das Mäuselein

Nicht weit von Saalfeld liegt ein Ort mit einem Rittersitz, Unterwirrbach, da wurde ein Knecht gar häufig und sehr von der Alptrude gedrückt und konnte gar keinen Frieden haben, [369] und schlug auch kein Mittel an, denn das unfehlbare, das Verstopfen des Schlüsselloches, welches jener Gute in der Ruhl anwandte, kannte und erfuhr er nicht. Da schälte einer Zeit das Gesinde spät abends in der Stube Obst, und da kam einer Magd der Schlaf an, und sie legte sich auf die Bank, ein wenig zu ruhen. Wie sie nun eine Weile dortgelegen hatte und einige hinsahen, ob sie schlief oder ob sie nicht bald wieder aufwachen werde, siehe, da kroch dem schlafenden Mensch ein rotes Mäuselein zum Maule heraus, daß sich alle entsetzten und einander anstießen und sich's zeigten. Das Mäuselein lief am Getäfel hinauf an das Fensterbrett, dort klaffte ein Fenster, und husch war es hinaus. Eine Zofe, die bei dem Gesinde saß und Äpfel schälen und auch essen half, war neugierig und wollte die Schlafende wecken, die andern aber sagten ihr, sie solle das nicht tun, es sei vielleicht nicht gut; sie ließ sich aber nicht abhalten und ging doch hin und rüttelte die Schlafende, sie lag aber starr, wie recht eigentlich entseelt, obschon sie sich noch nach einer andern Stelle hin bewegen ließ. Bald hernach kam das rote Mäuselein wieder durchs Fenster hereingehüpft und wollte wieder einkriechen, wie jenes kleine fingerlange Tierchen in das Weibsbild, welches Schnitter bei Vilforde im Niederland fanden, und welches eine Mahr war, aber es fand nicht mehr an der Stelle, wo es ausgekrochen, den Mund der Magd, lief ängstlich hin und her, und endlich verschwand es. Die Magd aber erwachte nimmer zum Leben, sie war jetzt und blieb tot – vergebens bereute die Zofe ihren Vorwitz. Es war aber dieselbige Magd eine Trude gewesen, die den Knecht im Schlafe gedrückt hatte, denn seit sie tot war, blieb er von allem Alp- und Trudendrücken frei.

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