910. Kindersegen

Wie fast in jedem deutschen Lande, vom Norden zum Süden und bis in den letzten Winkel hinterm Watzmann, wo Deutschland ein Ende hat und in Österreich aufgeht – früher war es all eins, da war bessere Zeit –, so hat auch Schwaben seine Sagen vom Kindersegen in etwas übergroßer und den Gesegneten unlieber Zahl. Bei Mühlhausen im Oberamt Spaichingen quillt noch heute ein Kindlestalbrunnen, in welchem eine Magd sechs von ihrer Herrin auf einmal nebst einem siebenten geborenen Knäblein ersäufen sollte, nachdem letztere eine Zeit vorher von einer Bettlerin zu solcher Siebengeburt ob harter und höhnischer Behandlung verwünscht worden war. Da nun der Ritter wie jedesmal bei dieser so hundertfach wiederholenden Sage dazukam, die Tat hinderte und die Mutter zürnend fragte: Was soll man einer Mutter tun, die ihre Kindlein will versaufen lassen? und sie antwortete: Die ist wert, daß man sie lebendig in Öl versiede! – so ließ er solch selbstgesprochenes Urteil auch an ihr ohne Verzug vollziehen.

Geradeso erging es einer Ritterfrau auf Burg Wildeck zwischen Schömberg und Rottweil, allwo die alten Trümmer der Burg noch stehen, nur nicht alsbald, sondern erst nachdem die Knäblein erwachsen waren. Bei diesen beiden Frauen, die in Öl versotten wurden, waren der Knäblein sieben, bei einer Gräfin von Altdorf im Schussentale aber waren ihrer zwölf, wie bei der Frau Irmentritt im Pinzgau, beider Männer hießen auch Isenbart, und da trug sich denn auch wieder alles genau so zu wie immer, und die Besitzer einer Mühle an der Scherzach, Mann und Frau, zogen die vom Wassertod, dem gewöhnlichen Tod junger Hündlein, geretteten Knäblein auf. Ob nun schon auch hier die Gräfin sich zur Strafe des In-Öl-Versiedens selbst verurteilte, so soll sie doch Gnade erlangt haben durch ihre bittre Reue. Am Altdorfer Rathause ist noch ein Bild zu ersehen, das die Knaben und ihre Erzieher darstellt.

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