880. Unsre Frau zu den Nesseln

Zu den mancherlei Wallfahrten, die es schon in der Mitte des funfzehnten Jahrhunderts im Schwabenlande gab, entstanden in demselben Jahrhundert auch noch viele neue. Im Jahre 1484 ging eine Bäuerin ihres Weges von Heilbronn gen Weinsberg, da sahe sie ohnweit des Stadtgrabens einen Bildstock mit Unser Frauen Bilde stehen, der war ganz und gar mit Nesseln und anderm Unkraut überwuchert, davon ward sie bewegt und sprach: O du reine Jungfrau Maria! Komm, ich will dein schön andächtig Vesperbild mit mir heim in mein Dorf tragen, da soll es ehrlich gehalten werden – und wollte das Marienbild vom Stocke heben, aber da sprach das Bild: Frau, ich will in diesem Nesselbusch bleiben, denn an diesem Ort wird Gott Wunder tun. – Über diese Stimme erschrak die Frau zum Tode und fiel in Ohnmacht. So fand sie ihr Mann, der nach ihr des Weges kam, da er sich in etwas versäumt, bewußtlos liegen, sprach ihr zu und richtete sie auf, und da sie wieder zu sich kam, erzählte sie ihm alles. Darauf breiteten beide allenthalben aus, was der Frau begegnet war, und wurde ein großer Zulauf zu dem Vesperbilde, und wurden ihm Opfer [571] dargetragen an Geld, Wachs, silbernem und goldenem Geschmeid, Kleinode, Kleider, und waren auch gleich fromme Männer zur Hand, welche diese Spenden in Empfang nahmen, erbaueten ein schön lustig Kloster in die Ehre Gottes und Unsrer Frauen und gaben es den Karmelitern ein, die ließen das Mirakel durch einen der Ihren, der Doktor und Professor der Theologie war, in Druck ausgehen, und hat das Kloster und sein Wunderbild in hohem Flor gestanden bis zum Jahre 1525, da die aufrührerischen Bauern im nahen Weinsberg ihre mörderische Tat begingen, die nahmen auch das Kloster Unsre Frau zu den Nesseln ein, plünderten, zerstörten und verheerten es.

Der annotierte Datenbestand der Digitalen Bibliothek inklusive Metadaten sowie davon einzeln zugängliche Teile sind eine Abwandlung des Datenbestandes von www.editura.de durch TextGrid und werden unter der Lizenz Creative Commons Namensnennung 3.0 Deutschland Lizenz (by-Nennung TextGrid, www.editura.de) veröffentlicht. Die Lizenz bezieht sich nicht auf die der Annotation zu Grunde liegenden allgemeinfreien Texte (Siehe auch Punkt 2 der Lizenzbestimmungen).

Lizenzvertrag

Eine vereinfachte Zusammenfassung des rechtsverbindlichen Lizenzvertrages in allgemeinverständlicher Sprache

Hinweise zur Lizenz und zur Digitalen Bibliothek