253. Der Bierkönig.
Vor hundert Jahren lebte in Pforzheim ein Mann, der eine sehr durstige Leber hatte und dessen Lieblingsgetränk Bier war. Einst, als er über Feld gewesen, gesellte sich im Hagenschießwald ein graues Männlein zu ihm, welchem er sagte, er habe großen Durst und wünsche bald am St. Georgsbrunnen zu sein und zu trinken, denn zu Bier habe er kein Geld mehr. »Dazu kannst du Geld genug bekommen,« erwiederte das Männlein, »wenn du versprichst: stets keusch zu sein, keinen Wein und Brandwein mehr zu trinken und nie Bier im Glase stehen zu lassen. So lange du dies Versprechen hältst, findest du, ein Jahr hindurch, alle Nacht am Georgsbrunnen einen Gulden, und ist das Jahr herum, dann triffst du mich dort und bekömmst so viel, daß du dein Leben lang dich satt trinken kannst.« Der Mann versprach und befolgte alles und holte allnächtlich am Brunnen seinen Gulden, der den nächsten Tag richtig für Bier ausgegeben ward. Als das Jahr so vorübergegangen war, traf er am Brunnen das Männlein, welches ihn unter die Erde zu einer Kiste voll Geld führte, und Folgendes zu ihm sprach. »Du hast redlich [242] Wort gehalten und erhältst nun diesen großen Schatz, den du, weil er für dich zu schwer zum Tragen ist, in deiner Wohnung finden wirst. Für jetzt salbe ich dich zum Bierkönig; fahre fort wie bisher und zeige stets deines Amtes und Ranges dich würdig!« Nach diesen Worten verschwand das Männlein, und als der Mann nach Hause kam, fand er richtig die Kiste mit dem Golde vor. Seinem Versprechen blieb er sein Leben lang getreu und war der stärkste Biertrinker im ganzen Lande. In der Schenke beim Schlosse hing lange das Bild dieses Bierkönigs; es ist aber in neuerer Zeit hinweggekommen.