58. Das Bettlertestament.

Vor nicht gar langen Zeiten zogen die armen Leute Land aus, Land ein, und nährten sich vom Bettel; in unsern Tagen muß jede Gemeinde ihre Armen selbst ernähren. Und dieses ist auch recht, wenn's nur geschieht. Jene Bettlerfamilien hatten nun zwar weder Haus noch Gut, und von den Kindern hat's wol geheißen: Der ist in Staufen geboren, und die in Vils, und das im Kempter Wald. [130] Aber zu Haus waren sie überall in der Welt, und sie kriegten in der ganzen Christenheit zu Salz noch Schmalz, zu Brod noch Mehl; und sie mochten Tafel halten im grünen Waldrevier und unter dem blauen Himmelszelt; und Fürsten waren nicht reicher, als sie. Das bewies denn auch die Bettelmutter, des Zundlers Weib, von deren Testament die Sage geht. Als sie in Todesnöthen lag, ließ sie noch ihre acht Kinder zu sich kommen, um ihnen ihre letzte Willensmeinung zu sagen. Und sie sprach: Seid friedlich und einig, und störet einander nicht in eurem Gewerbe. Darauf, als ob sie, wie eine Herzogin, Land und Leute vergeben und vertheilen könnte, fuhr sie fort: Du, Toni, ziehst durchs Konstanzer Thal; du, Käther, gehst ins Walser Thal; du, Jörg, bleibst im Hindelanger Thal. Und so wies sie den folgenden Jedem sein Theil an; dem Vierten das Rettenberger Thal, dem Fünften das Oberstorfer Thal, dem Sechsten den Bregenzer Wald, dem Siebenten das Lechthal, dem Achten den Schüttentobel. Dann, nach geschehener Austheilung, ließ sie sich von Jedem die Hand reichen, zur Gewähr, daß sie ihr Testament ehren und erfüllen wollen, und verschied, in der ruhigen Ueberzeugung, daß ihre Kinder alle versorgt seien, und ihr Geschlecht fortblühen werde bis auf ewige Zeiten.

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