Todesahndung einer Wöchnerin

Mein Auge wankt,
Am Mond erkrankt,
Er möchte mir beyspringen,
Mir drohn des Todes Klingen.
Muß Sichelschein
Den Zirkel rund
Zur Todesfackel füllen,
Ich bild mirs ein,
Ich sterb zur Stund;
Helft weinen ihr Gespielen!
Vergönnt es mir,
Das Grün hinfür
Allhier noch anzuschauen,
Auf Bergen, Thal und Auen;
Was Laub und Blüth
Ins Auge trägt,
An Buchen, Eichen, Tannen,
Und was nur hie
Der Frühling pflegt,
Für Teppich aufzuspannen.
Die Wasserflüß
Bezeugen dieß,
[151]
Die rauschend weiter fließen,
Die Büsche grün begiessen;
Nie stehn sie still,
Sind ohne Ruh,
Die Reis' mir anzudeuten;
Wenn ich erfüllt
Mein Werk dazu,
Nach den erkannten Zeiten.
Ein Monat Licht,
Von hinnen flücht;
Das Trauern in dem Hirne
Treibts Uhrwerk der Gestirne.
Wohlan so lauf
O Thrän den Weg,
Zur Wanderschaft mußt fliessen;
Verlobt zum Kauf
Dich niederleg,
Den jüngsten Tag zu grüssen.
Wenn ich schon klag,
So viel ich mag,
Mein schwache Stimm zu heben,
Weil ich möcht länger leben;
Mein Herz vernimmt
In gleichem Schall,
Umsonst ist mein Bewerben.
Es bringt die Stimm
Im Wiederhall,
Ich müsse leider sterben!
Die Klinge zück,
Ich nicht verrück
[152]
Die perlenweisse Kehle,
Gott gnadet meiner Seele!
In weiß und roth
Geziert will seyn,
In hocherwünschten Farben;
Denn Jesu Tod
Bricht Röselein,
Die nie bisher verdarben.

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