Der Schwan von Pulitz
An Charlotte von Kathen in Putbus.
1846.
Schneeweißer Schwan, wo fliegst, wo klingst du her?
Wo kommst du Frühlingsklinger hergeflogen?
Aus meiner grünen Insel stillem Meer?
Aus Pulitz' sturmgeschirmten Wogen?
Flogst du aus seinen stillen Buchten her?
Und trägst im goldnen Schnabel goldne Mär?
Hast du die kleinern Inseln auch besehn?
Die steile Oi, vom Vilm die stolzen Buchen?
Den Rugard, Putbus' waldbekränzte Höhn,
Wo Reiz und Schönheit Aug' und Herz versuchen?
O klinge mir den süßen Heimatklang!
Mein greises Haupt, es neigt zum Schwanensang.
»Zum Schwanensang? Für diesen kam ich nicht,
Für diesen regt' ich nicht zum Rhein die Flügel,
Für diesen flog ich schnell wie Lieb' und Licht
So weiten Flug nicht über Tal und Hügel. –
Du weißt, still schaurig klingt der Schwanensang,
Heut kling' ich eitel hellen Freudenklang.
Heut kling' ich Klang der Himmelsnachtigall,
Die Lieb' und Lenz in Putbus' Hainen singet,
Heut kling' ich nach den süßen Wunderschall,
Der wie aus höherm Himmel niederklinget,
Ich klinge nach – o könnt' ich's recht und ganz! –
Du kennest Klang und Wonne, Licht und Glanz.
[252]Nimm Klang und Gruß!« – Und horch'! Der Flügel rauscht,
Und ehe Aug' und Ohr sich noch besinnen,
Wie man im Traum auf Bild und Stimme lauscht
Und fassen will, ist Schwan und Flügel hinnen,
Und wie aus Fernen klingt ein süßer Schall,
Die Himmelsstimme, Putbus' Nachtigall.