Ein heikles Thema, das aber recht diskret behandelt ist

Ich habe wieder neulich in einer Lokalnotiz gelesen von »Zuhälterliebe« und »der Schandlohn seiner Geliebten«. In den allermeisten Fällen aber ist es das Mädchen, das den Geliebten in diese Position geradezu hineinzwingt. Es ist der Wunsch ihres Herzens, den geliebten Leichtsinnigen von sich abhängig zu machen, ihn seiner Freiheit zu berauben, um ihn nicht zu verlieren! Zu diesem Zwecke untergräbt sie ihm absichtlich seine Stellung, die er irgendwo innehat und von der er selbständig leben könnte. Sie verhindert ihn, rechtzeitig bereit zu sein bei der Arbeit, indem sie ihn zum »Drah'n« verführt, ihn absichtlich zurückhält, ihn betrunken macht, kurz, seine Arbeitsfähigkeit in jeder Beziehung schwächt, seine Lebensenergien absichtlich zerstört. Ist er irgendwo bedienstet, so versucht sie es, durch provozierte Skandale oder Räusche im Lokal seine Kündigung hervorzurufen. Auch die Qualen der Eifersucht weiß sie geschickt zu benützen, um ihn in seiner Arbeitslust lahmzulegen. Endlich ist der Geliebte, durch alle diese Manöver erschöpft, von dem liebenden Mädchen ökonomisch abhängig geworden und begibt sich sozusagen ins Unvermeidliche. Jetzt hat er keine »Stellung« und muß ihr Geld annehmen. Jetzt kann sie seine ganze Zeit kontrollieren Tag und Nacht, ihn nicht aus den Augen lassen wegen der Kolleginnen, deren Hauptreiz es ist, so einen einer unglücklichen Liebenden abspenstig zu machen. Nun kann sie [161] ihn aber auch mit eigenem allzu schwer verdientem Gelde zum Kavalier herausstaffieren, was die Kolleginnen in doppelter Weise ärgert, erstens, daß sie einen so eleganten Geliebten hat, zweitens, daß sie überhaupt in der Lage ist, ihn so auszustaffieren! Wenn der Geliebte infolge des bequemen Lebens, das er nun zu führen fast gezwungen ist, sinkt und sinkt, ist seine Schuld eine geringe. Wenn er, so gesunken, nun auch eventuell die Liebe des Mädchens verliert, das ihn so weit gebracht hat, und infolgedessen in seiner Verzweiflung mordet, so ist er zu den sogenannten sympathischeren Mördern zu rechnen, bei welchen man das Wort »Sinnesverwirrung« ohne Hohnlächeln anhören kann. Hat das Mädchen den Unglücklichen einmal sicher von sich abhängig gemacht, seelisch und ökonomisch, so verabsäumt sie es niemals, aus Furcht, er könne sich sonst auf die Dauer an ihrer Seite langweilen, ihm das Amüsement der Eifersuchtsqualen zu verschaffen. Da hat er dann seine nervenzerrüttende Beschäftigung. Unregelmäßige Lebensweise und Alkohol vollenden das Zerstörungswerk. Aber die Zeitungen halten noch immer bei dem Satze: »Der Elende, der von dem Schandlohn seiner Geliebten lebte ...« Ja, hat denn dieses Mädchen ein menschlicheres, rührenderes Gefühl in ihrem ganzen Leben, als dieses Geld wenigstens einem geliebten Menschen zu schenken?!? Soll er sie beleidigen und kränken, indem er dieses Geld, das sie gleichsam anekelt, nicht annimmt und durch die Annahme es aber zu einem »Geschenk zwischen Liebenden« erhöhen könnte?!? Ich kenne viele sogenannte »ideale« [162] Strizzis, die das Mädchen schließlich geheiratet haben und in geordnetsten Verhältnissen nun ausrasten mit ihr von einem Dasein, das immerhin einige Gefahren mehr in sich birgt als das gewöhnliche. Wir, die wir an den Abgründen des Lebens gerade nur so vorbeigekommen sind oder nicht vorbeigekommen sind, wir wollen mildere Richter sein!

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