[5] Erstes Kapitel.
Die Herbstwäsche.
Wenn du aus einem langen, bangen Kiefernwalde kommst, der von oben aussieht, wie ein schwarzer Fleck Nachtes, welchen die Sonne auf der Erde zu beleuchten vergessen, und nun fangen sich die hohen Bäume zu lichten an, die schlanken braunen Stämme werden vom Abendroth angesprenkelt, und die krausen Wipfel regen sanft ihre Nadeln in den freier spielenden Lüften, da wird dir wohl zu Muth um's Herz. Das Freie, was du vor dir siehst, sind nicht Rebengelände und plätschernde Bäche aus fernen, blauen Bergen über ein Steinbett schäumend, 's ist nur ein Elsenbruch, vielleicht nur ein braunes Haidefeld, und darüber ziehen sich Sandhügel hinauf, in denen der Wind herrscht, das magere Grün, das von unten schüchtern heraufschleicht, anheulend, wie ein neidischer Hund, der über seinen nackten Knochen noch murrend Wache hält. Eine Birke klammert sich einsam an die Sandabhänge, ein Storch schreitet vorsichtig über das Moor, und der Habicht kreist über den Büschen. Aber es ist hell da, du athmest auf, wenn der lange, gewundene Pfad durch die Kiefernacht hinter dir liegt, wenn das feuchte Grün dich anhaucht, das Schilf am Fließe rauscht, die Käfer schwirren, die Bachstelzen hüpfen, die Frösche ihren Chor anheben, und dein Auge dem Luftzug folgt, der leis über die Haidekräuter streift.
Es ist der stille Zauber der Natur, die auch die Einöden belebt; und ihr Auge ist auch hier, denn dort hinter dem schwarzen, starren Nadelwald liegt ein weiter, stiller, klarer See. Er hüllt sich ein, wie ein verschämtes Weib, in seine dunkelgrünen Ufer, und möchte sie noch fester um sich ziehen, daß kein unberufener Lauscherblick eindringt. Er spiegelt sie wieder in seinem dunklen Wasser, mit ihrem Rauschen, mit ihrem Flüstern. Aber das dunkle Wasser wird plötzlich klar, wenn die Wolken vorüberziehen, [5] ein Silberblick leuchtet auf; der blaue Himmel schaut Dich an, der Mond badet sich, die Sterne funkeln. Dort ergießt der volle See sein Uebermaß in ein Fließ, das vom Waldrande fort in die Ebene sich krümmt. Hier bespült es Elsenbüsche, die es überschatten und gierig seine Wellen ausschlürfen möchten, sickert über die nassen Wiesen und wühlt sich dort im Sande ein festeres Kiesbett, um Hügel sich windend, an Steinblöcken vorübersprudelnd und durstige Weiden tränkend. Die vereinzelten Kiefern, Vorposten des Waldes, wettergepeitscht, trotzig in ihrer verkrüppelten, markigen Gestalt, blicken umsonst verlangend nach den kühlen Wellen; nur ihre Riesenwurzeln wühlen sich unter dem Sande nach dem Ufer, um verstohlen einen Trunk zu schlürfen.
Wer heut von den fernern Hügeln auf dieses Waldeck gesehen, hätte es nicht still und einsam gefunden. Zuerst hätte ein weißer, wallender Glanz das Auge getroffen, dann ringelten Rauchwirbel empor, und um die schwelenden Feuer bewegten sich Gestalten. Schnee war das Weiße nicht, denn die Bäume rötheten sich zwar schon herbstlich, aber sie schüttelten noch sparsam ihre welken Blätter ab, und die Wiesen prangten noch in kräftigem Grün. Schnee war es nicht, denn es blieb nicht liegen; es flatterte und rauschte auf, hellen Lichtglanz werfend und dann wieder verschwindend. Schwäne waren es auch nicht, die aufflattern wollen, und die Flügel wieder sinken lassen. Das hätten Riesenvögel sein müssen, deren es im Havellande und der Zauche nie gegeben hat. Auch Segel nicht, die der Wind aufbläht und wieder niederschlägt; denn auf dem Fließe trieben nur kleine Nachen. Auch Zelte nicht, denn es bewegte sich hin und her, und wer näher kam, sah deutlich zwischen den Feuern Hütten aufgerichtet, zierlich von Stroh und rohere von Kiefergebüsch.
Eine Lagerung war es, aber der einsame Reisende brauchte sich vor Raubgesellen nicht zu fürchten; die paar Spieße, die in der Nachmittags-Sonne glänzten, standen friedlich an die Hüttenpfosten oder Bäume gelehnt. Räuber lachen und singen nicht so heitere Weisen, und die Lüderitze lagerten, wenn sie ausritten, auch nicht in entlegenen Winkeln, zwischen Haide und Moor, wo Kaufleute nicht des Weges ziehen. Ja, wär's zur Nachtzeit gewesen, der Ort war verrufen, auf unheimliche Weiber hättest du schließen können, die ihre Tränke brauen, wo Keiner es sieht. Aber es war noch ein heller Nachmittag, und eben so hell schallte bisweilen ein frohes Gelächter herüber,[6] untermischt mit anderm seltsamen Geräusch, wie Klatschen und Klopfen. Kurz es war ein Lager allerdings, aber nicht von Kriegsknechten oder Wegelagerern, nicht von Kaufleuten oder Zigeunern, welche die Einsamkeit suchen; es war ein Feldlager, wo mehr Weiber als Männer waren, und das Feldlager war eine große Wäsche.
Von den Sandhöhen nach Mitternacht, deren nackte Spitzen über das Haidegestrüpp vorblickten, konnte man es deutlich sehen. In einem Sattel dieser Sandhügel stand nämlich ein bepackter Karren. Sein Eigentümer, der Krämer, hatte ihn hier untergebracht außer dem Wege, damit kein Späheraug Gäule noch Wagen entdecke, bevor er sich versichert, was da unten vorging. Selbst war er geräuschlos, vorsichtig, auf eine Kiefer geklettert, um auszuschauen, und sein ängstliches Gesicht heiterte sich auf. Denn was er sah, hatte nicht allein gar keinen Anschein von Gefahr, sondern sogar für ihn etwas Lockendes. Der weiße, wallende Glanz kam von den an Seilen trocknenden Leinwandstücken her, die der Wind dann und wann hoch aufblähte. Andere größere Stücke lagen zur Bleiche weithin zerstreut am Fließ, an den Hügelrändern bis in den Wald hinein. Ueberall war Ordnung und das waltende Auge der Hausfrau sichtbar. Jeder, Mägde, Knechte, Töchter, Verwandte und Freunde, bis auf die Hunde hinab, schien sein besonderes Geschäft zu haben. Die begossen mit Kannen, die schöpften aus dem Fließ, die trugen das Wasser. Jene nestelten an den Stricken, welche zwischen den Kieferstämmen angespannt waren; sie prüften die Klammern; sie sorgten, daß die nassen Stücke sich nicht überschlugen. Dort hingen gewaltige Kessel über ausgebrannte Feuerstellen und daneben standen Tonnen und Fässer. Aber diese Arbeit schien vorüber; nur auf den einzelnen Waschbänken, die in das schilfige Ufer des Fließes hineingebaut waren, spülten noch die Mägde mit hochaufgeschürzten Röcken und zurückgekrämpten Aermeln. Es war die feinere Arbeit, die man bis auf die Letzt gelassen, die Jede für sich mit besonderer Emsigkeit betrieb. Da gab es mancherlei Neckereien zwischen dem Schilf. Wollte aber ein Mann in die Nähe dringen, ward er unbarmherzig bespritzt. Ja, einem Herrn im geistlichen Habit, der Miene machte, sich durch das Schilf zu schleichen, ward von eine der losen Dirnen ein ganzer Eimer gegen den Kopf gegossen. Ein Glück, daß er bei Zeiten ausbog; und mit einem Paar Tropfen auf's Gesicht kam er davon, und die Dirne mit einem drohenden Finger. Den andern legte der geistliche [7] Herr schnell auf den Mund, mit einem bedeutungsvollen Blicke, denn er sah die gebietende Hausfrau herankommen.
»Ach, meine gnädige Frau von Bredow auf Hohen-Ziatz!« mit den Worten und einem frohen Athemzuge ließ sich der Krämer schneller, als er hinaufgeklettert, von seinem Baume herab. Darauf ging er an sein Geschirr; putzte die Pferde und schirrte sie an zum Aufbruch. Die hält ihre große Herbstwäsche ab; hätte ich das früher gewußt, es hätte was zu verdienen gegeben. »Aber's ist ja noch nicht zu Ende, und fällt wohl noch zuletzt was ab.« Er brachte die Hand an die Stirn, und ehe er in den Weg einlenkte, lüftete er die Wagendecke, schnürte und schnallte und packte Unterschiedliches um. Einiges versteckte er, und andere Packete legte er oben auf, wie es ein guter Kaufmann thun muß, der seine Kunden kennt und weiß, was ihnen in's Auge sticht und was ihnen mißbehagt.
Die große Herbstwäsche war's der Frau von Bredow auf Hohen-Ziatz; »Der Winter ist ein weißer Mann,« sagte sie. »Wenn er an's Thor klopft, muß das Haus auch weiß und rein sein, daß der Wirth den Gast mit Ehren empfangen mag.«
Ihr Gast, der Dechant, hatte zwar gesagt: »Der Winter ist ein ungebetener Gast; den stellt man hinter die Thür;« aber die Edelfrau hatte erwidert: »Das mag vor Alters gepaßt haben, ehrwürdiger Herr, als es noch keine geistliche Herren gab. Itzund wissen drei ungebetene Gäste in jedwed Haus zu dringen; wie man's auch zuschließt, sie finden immer eine Ritze: der Winter, die Wanzen und die Pfaffen.«
Der Dechant hatte dazu gelacht; hatte doch die Edelfrau beim großen Kehraus in der Burg auch sein Bündel mit auf die Wagen werfen lassen, was ihn der Mühe überhob, daß er's nach Brandenburg mitnahm, wenn er mit dem einen ungebetenen Gaste, dem Winter, in seine warme Klause zurückkehrte.
Eine Herbstwäsche war im Schloß Hohen-Ziatz eine Verrichtung. Eine große Arbeit war es, wo die Knochen sich rühren mußten, aber ein Fest auch. Die Hausfrau meinte, alle tüchtige Arbeit sei immer ein Fest, und wir meinen's auch. Wie hatte sie das alte Haus aus- und umgekehrt; auf Hühnerleitern war sie selbst gestiegen, denn darin traute sie keinem andern Aug, in alle Kammern und Winkel, daß jedes Wollen-und Linnenstück, bis zum geringsten hinab, ein Sonntagsgesicht anlegen sollte. Drei Austwagen waren gepackt worden, und nachdem sie zugeschnürt mit Stricken, und saubere Bastmatten darüber gelegt, hatte sich die Edelfrau selbst auf den vordersten [8] gesetzt. Das war ein Auszug aus der Burg. Die drei Austwagen voran, die Mägde und Töchter der gnädigen Frau auf den zwei andern. Der Junker Hans Jochem wollte eine Leiter ansetzen, daß Evchen und Agnes leichter hinaufkämen. Frau Brigitte hatte es aber nicht gelitten; wie ein Ritter auf's Pferd müsse zur Noth sonder Steigbügel und Prallstein, so sei eine große Wäsche der Dirnen ihr Ehren- und Schlachttag; müßten sich selbst zu helfen wissen, sonst wäre es nichts mit ihnen. Und ehe Hans Jochem zuspringen konnte, waren Evchen und Agnes auf den großen Zeugwagen hinauf, und lachten den Junker von oben aus.
Drei Austwagen vorauf, der vorderste von zwei Knechten mit Pickelhauben und Spießen geführt, dazu ein Hornbläser, um den eine Koppel Hunde klaffte. Dahinter noch andere Wagen mit Bottichen, Kesseln, Stroh, Bänken, Decken, Fässern, Körben und was zur Lebens Nothdurft diente, vollauf. Die Frau sprach lächelnd zu denen, die sich drob wunderten: Du sollst dem Ochsen, der da drischt, das Maul nicht verbinden. Und hintenan und zur Seiten Reiter und Fußgänger mit Jagdspießen, Armbrüsten; ja einer trug sogar einen schweren Muskedonner.
So zogen sie über die krachende Zugbrücke unter Musik und Gelächter, und der Thürmer blies ihnen noch eine Weise nach bis sie im Walde verschwunden waren. Daß sie Hunde und Spieße und gar ein Feuergewehr mitnahmen, und bald ein Dutzend rüstiger Männer bei einem Geschäfte waren, das anderwärts nur die Frauen angeht, darüber wird Niemand sich wundern, der weiß, wie es zu Anfang des sechszehnten Jahrhunderts in der Mark Brandenburg aussah. Wer außer den Mauern einer Burg oder Stadt war, und er trug nicht den Bettlermantel um die nackten Schultern, that recht, wenn er den Leib umgürtete, auch wenn der Stahl dann etwas zu lang hinter dem Manne klirrte. Denn zu jeder guten Verrichtung gehört, daß der sie verrichtet, in Sicherheit schaffe. Aber daß auch Dieser und Jener von der Sippschaft, deß Hände zu fein waren, um die Seile zu spannen oder die Laken aufzuhängen, ja daß sogar ein geistlicher Herr mitzog, könnte verwundern, wenn wir nicht eben wüßten, was es mit einer großen Herbstwäsche dazumal im Edelhofe von Hohen-Ziatz für Bewandtniß hatte.
Die Räume zwischen den Lehmwänden und Steinmauern waren viel zu eng für eine solche Verrichtung. Wo sollte das [9] fließende Wasser herkommen, wo die freie Luft zum Trocknen und wo der Rasen zum Bleichen? Unsere Vorväter liebten die festlichen Zusammenkünfte im Freien, und wie es vor Alters gewesen, mußte es in Hohen-Ziatz noch heute sein. Da zog denn mit, wem's in den Mauern zu beklommen war, wer Scherz liebte und Spiel und Jagd und Neckerei; denn etwas davon fiel immer ab. Aber auch Gottesfurcht mußte dabei sein, meinte der Dechant und die Edelfrau auch, nur daß Jeder etwas Anderes dabei meinte.
Außerdem war es der Hausfrau auch vielleicht nicht unangenehm, einmal unumschränkte Herrin zu sein; denn war sie es zwar, wie der böse Leumund sagte, auch im Schlosse, so war sie es doch nur durch Klugheit und Kunst, hier nach alten Rechten; denn wer in aller Welt will einer Frau die unumschränkte Herrschaft bei der Wäsche abstreiten, wenn schon kein Gesetz sagt, daß es so sein soll. Und welche Herrin sie war! Sie trug keinen Federbusch und keine Schürze, aber jeder Fremde fand sie auf hundert Schritt heraus. Das war ein Blick, ein Falke sieht nicht schärfer. Wenn sie auf einer Anhöhe stand, den linken Arm nachlässig in die Seite gestemmt, die Rechte, die sonst mit dem Schlüsselbund spielte, ruhig niederhängend, die Füße ein wenig auseinander, und die Schuhe darunter, die den Boden um einen halben Zoll eindrückten, und ihr Hals lugte aus dem Mieder, der wie ein Panzer saß, da sah die Frau von Bredow doch wie ein Feldherr aus, der sein Heer musterte, und die Mägde sprachen: »Unsere Gestrenge, die versteht's.«
Das sagten sie auch, nur in einem andern Ton, wenn sie faul oder nachlässig gewesen, oder etwas so gethan, wie die Frau von Bredow meinte, daß es nicht geschehen müsse. Stand sie zwar, wie wir sahen, fest auf dem Boden, wenn sie sah, daß Alles im Schick war, so war sie doch wie das Wetter herunter, wo etwas außer Schick kam. Lang reden und zurechtweisen liebte sie nicht, und wo sie meinte, daß einer schwer hörte, da hielt sie auch die paar Worte noch für zu viel. Noch wußte der verdrossene Knecht nicht eigentlich, wie es gekommen, aber jetzt hörte er vortrefflich und verstand Alles, und rieb nur ein klein wenig das Ohr oder die Schulter. Eine so rührige Frau war die Frau von Bredow. Loben that sie nicht viel, sie hielt's vom Ueberfluß, denn daß Jeder thäte, als er muß thun, hielt sie für Lohn's genug; aber wem sie mal auf die Schulter klopfte, wenn sie durch die Reihen ging, dem war es wie ein [10] Tropfen starken Weines, der nach langer Mattigkeit und Bangigkeit durch die Adern rinnt und die Glieder wieder stärkt.
So war es mit der Herbstwäsche am Lieper Fluß bestellt. Eine gute Stunde abwärts von der Burg war das Lager, und ein dichter Wald und ein tiefer, weiter Morast lagen dazwischen; also mußte im Lager nicht allein gewaschen und gebleicht, auch gekocht und gebettet, gesungen und gebetet und gewacht werden, alle Vorrichtungen, wie es einer Stadt Art und Sitte ist. Das Gebet verrichtete am Morgen der Dechant für Alle, wenn die Schelle über der Hütte der Edelfrau läutete; das Waschen und Kochen geschah einen Tag, wie den andern, das Singen und Spielen machte sich von selbst und für das Wachen sorgte die Frau von Bredow. Kein Zigeunerbub hätte einen Strumpf von der Leine, kein Fuchs aus dem Korbe ein Huhn stehlen dürfen.
Eine Woche, weniger denn einen Tag, dauerte schon die Wäsche. Vor dem Klopfen und Klatschen waren die Fische aus dem Fluß auf eine Meile entflohen. Von den hohen Kieferstämmen, wo sie nisten, hatten zu Anfang die Fischreiher mit ihren langen, gelben Schnäbeln neugierig herabgeschaut. Da gab es Jagd und Kurzweil für die jungen Burschen. Vor den Bolzen und Pfeilen, die durch ihre luftigen Burgen sausten, hielten die zähen Thiere aus; selbst wenn der Pfeil einem den Flügel durchbohrt, wenn sein Herzblut hinabträufte, er gab in banger Todesangst nicht nach, er krallte sich an dem Ast fest, bis die Bolzen wie der Hagel kamen, und endlich Holz, Leib und Gefieder mit einander hinabstäubten und splitterten. Aber des Lärmens war ihnen doch zu viel geworden. Wie viele hunderte auch am ersten Tage über den Wipfeln gekreist, mit ängstlichem Geschrei fortflatternd und wiederkommend, ob der Wirrwarr unten kein Ende nähme; das Klopfen und Hämmern, das Spritzen und Wringen, das Klatschen und Schwenken, das Singen und Lachen hielten sie nicht aus, und am dritten Tage hatten die Thiere den Menschen Platz gemacht und die Luft war still. Auch die Frösche auf der Wiese schwiegen am Tage; nur wenn Abends die Feuer ausgingen und der Gesang verstummte, wenn die hölzernen Klöpfel ruhten und das Wasser im Fließ still fortrann, sich erholend von der Arbeit des Tages, dann mischte sich ihr dumpfes Geächze mit dem Schnarchen der Mägde, mit dem Geheul der Rüden, die den aufgehenden Mond anbellten, und dem Winde, der gegen die Wäsche an den Seilen schlug, und die Kieferstämme, daran sie gebunden waren, knarren machte.
[11] Nun am sechsten Tage, es war der Samstag, war die Arbeit zumeist gethan, und ehe denn die Abendmette von den fernen Kloster-Thürmen von Lehnin über die Wälder klänge, sollte aufgepackt werden. Die Morgensonne am Tag des Herrn sollte keinen Strumpf mehr an den Leinen anröthen, und die erste Mondsichel schon einen wüsten Lagerplatz bescheinen. Wie eifrig waren die Mägde, die Klammern abzustecken, die Körbe zu häufen und die Bleichstücke zu wenden; was hasteten sich die Knechte, die Stricke von den Bäumen zu lösen und zusammenzurollen, und schon rüttelten sie an den Pfosten der Hütten, um zu prüfen, wie fest sie noch säßen. Auch das Zeichen zum Aufbruch erscheint als ein Fest dem, der zu lange beim Feste saß; ist doch jede Veränderung dem Men schen willkommen, wann er des Genusses überdrüssig wird.
Die Edelfrau sah zufrieden auf das Werk hin, und wie zu ihren Füßen die Haufen immer größer wurden, reine saubere Tücher, auf welche die Nachmittagssonne mit milder Wärme schien.
»Ich glaube in der ganzen Zauche geräth in keinem Edelhofe die Wäsche wie bei meiner Frau von Bredow, wie pur weiß das ist!« sagte der Dechant, der sich vom Feldtisch erhob, wo er mit einem Edelmann aus zinnernem Becher gewürfelt hatte.
»Die Hexen hier bleichen's,« sprach der Junker, der sich auch erhob, ein Mann in mittleren Jahren, der aber etwas älter aussah, als er sein mochte. Sein blonder Bart spielte in's Röthliche, seine krausen Haare in's Grau über; sein Gesicht war nicht grob, aber auch nicht fein, die Züge schlaff, aber aus den hellblauen, matten Augen schielte zuweilen ein lauernder Blick. »Die Hexen hier bleichen's,« sagte er, »der Ort ist verwünscht. Das weiß jedes Kind. Muß Einer den Muth haben wie meine Base, daß sie's mit den Unholden aufnimmt.«
»Hat's Euch in den Nächten aufgelegen, Vetter Peter Melchior?«
»Ich trug mein Amulet. Aber an solchem Platz waschen lassen! Es haben's Leute gesehen, wenn auch diesmal nicht, doch vor Jahren, nächtig, wenn sie aufwachten. Zwei graue, hagere Weiber mit langen Spinnebeinen schritten über's Zeug mit Gießkannen, und draus kamen pure Strahlen Mondenschein. Davon kann das Zeug wohl weiß werden, aber –«
»Aber, Peter Melchior, Ihr wißt ja, daß der ehrwürdige Herr alle Morgen seinen Segen darüber spricht.«
»Wird die Wäsche etwa davon weiß! Der Dechant spricht gewiß auch seinen Segen über die Würfel, wenn er doppelt, [12] und der heckt, denn er trägt ihn jedesmal blank in der Tasche fort, aber die Würfel werden immer brauner.«
»Der Segen des Herrn schafft das Beste in allen Dingen,« fiel der Dechant ein, und wollte, wie er zu thun pflegte, die Hände vor dem wohlgerundeten Bauche falten, aber es traf ihn einer der feinen schlauen Blicke der Ehefrau, welche bisweilen auf die, welche sie trafen, eine ähnliche Wirkung übten, als wenn ihre nicht feinen Hände mit der Wange einer Magd in Berührung kamen. Sie lächelte und der Dechant lächelte auch, worüber er die fromme Bemerkung verschlucken mußte, zu der sich sein Mund schon gespitzt hatte.
»Wer sähe meiner Frau von Bredow den Schelm an, der unterweilen aus ihrem Auge blitzt.«
»Ich meine ein Schelm sieht den andern,« entgegnete sie, »und wenn man in manchem Haus aufräumen thäte, fände man mancherlei darin, was nicht darin gehört, z. B. in einem Priesterhaus die Weiberröcke.«
Der Dechant, welcher die Augen jetzt wirklich niederschlug, wollte von dem Gesetz anheben, welches zwar besage – aber die Edelfrau ließ ihn nicht zu Worte kommen. Wir wissen nicht, was gerade jetzt ihr die Laune zur Strafpredigt für den langjährigen Hausfreund eingab, der doch ihrer Wäsche so treulich beigestanden hatte.
»Das Gesetz sagt,« unterbrach sie ihn, »thue recht und scheue Niemand, und wenn du schmutzig bist, wasche dich. Wasser fließt überall und Jeder hat Hände zum Reiben, aber er muß nicht reiben, wie Pilatus that. Wer ein gut Gewissen hat, braucht nichts zu verstecken, aber wem was im Schrank thut hängen, da es nicht sein soll, der muß die Thüre schnell zuschlagen, wenn Einer 'nein sieht. Blank gescheuert hat Mancher; ja von außen, aber wie es drinnen aussieht, das kommt auch einmal an den Tag.«
»Nur zu, Muhme,« rief lachend der Junker Peter Melchior, »wasch ihn einmal recht, er schenkt's uns auch nicht, wenn er auf der Kanzel steht.«
»Dem Tage, welchen unsere verehrte Wirthin meint, wird der Gerechte, wenn auch mit Bangen, doch mit Vertrauen entgegenblicken.«
»Na, hochwürdiger Herr!« hub Frau von Bredow an und sah ihn recht scharf aus ihren großen Augen an. »Wenn an jenem Tage alle die Unterröcke, so in den Priesterschränken in die Winkel sich verkriechen, oben am Himmel hängen werden [13] bei der großen Wäsche in Gottes Sonnenlicht, da möchte ich sehen wie die Herren vom Clerus den Kopf aufrichten wollen. Da könnt ihr schwenken lassen alle Eure Weihrauchskessel, daß den lieben Engelein die Augen thränen, 's ist zu viel. Da muß Petrus die Hände über'm Kopf zusammenschlagen und rufen: Herr Gott Vater, wenn wir das gewußt, daß sie auch das Kinderzeug mitbringen, ich hätte ihnen ja das Himmelsthor nicht aufgeschlossen.«
»Und Sanct Petrus schloß es dennoch auf, und das Unreine und Sündhafte fällt ab, wie der Thau von den Pflanzen, wenn Gottes Sonne strahlt. Das ist das Mysterium, die unerforschliche Weisheit und Gnade des Herrn, daß er in seiner großen Haushaltung, der Welt, wo Alles Ordnung ist, auch seine Geweihten bisweilen sündigen läßt, aber nur zu seinen unerforschlichen Zwecken. Ich mag sagen, es geschieht zuweilen, ihnen unbewußt, aber er weiß es und weiß warum. Und wenn dann ihr Herz bange schlägt vor der Sündenlast, die sie darauf wähnen, da mit einem Zauberschlag macht er die Brust frei. Das befleckte Kleid, dessen wir uns schämen, fällt wie Plunder vor seinem Hauche, und dieweil wir noch zittern vor dem Glanz, der uns umgiebt, reicht er uns die Hand und spricht: Tretet ein, denn ihr seid rein.«
»Ohne Wäsche, Dechant?«
»Wer wäscht die Nebel fort am Herbstmorgen, wer das schmutzige Winterkleid der Erde, und der Frühling steht da vor dem Herrn in seinem reinen Blumenkleide, von würzigen Düften umsäuselt? Des Menschen Hand hat nichts dazu gethan.«
»Dechant, ich meine, in jedem guten Haus ist Reinlichkeit die erste Tugend, und wer sich auf Erden nicht gewaschen hat, der kommt auch nicht rein in den Himmel. Wie's in einem geistlichen Haus steht, das weiß ich nicht, dafür laß ich Andere sorgen. Aber wenn ich zu sorgen hätte, wißt Ihr, was ich thäte?«
»Nur zu, Base,« rief der Junker, die Hände reibend, »steckt ihn in den Waschkessel.«
»Ach was ihn allein! Da müßte ein Kessel sein wie der Müggelsee, und die ganze Clerisei hinein mit allen Euren Salben und Oel, Aebte, Bischöfe, Klöster, Nonnen und Mönche. Und Lauge dazu, bitter salzige und umrühren wollte ich –«
»Kochen, Base! Ein Feuer darunter, daß der Gottseibeiuns heizen müßte, sonst werden sie nicht rein.«
»Das Wasser würde schwarz werden, schon von Euren [14] kleinen Versteck-Sünden, von der Eitelkeit, der Hoffart, dem Fraß, der Gleisnerei und Spiel und Trunk. Aber Wasser ist genug in der Mark. Abgeschäumt, ich würfe Euch in einen neuen See. Da sötte ich aus Eure Fleischessünden, doch das ist noch nicht das größte, Eure Habsucht und Herrschsucht und wie Ihr verredet und verlästert, und nun wieder umgerührt.«
»Base, das überlaßt dem Teufel,« fiel Peter Melchior ein. »Ihr hieltet den Geruch nicht aus. Laßt dem Gottseibeiuns, was ihm gehört, ihm ist's ein Opferduft.«
Der Dechant hatte mit freundlicher Ruhe der Edelfrau zugehört, ohne auf die roheren Ausfälle des Ritters zu achten. »Auf diese Weise würden wir also rein werden vor den Menschen. Wenn wir aber so ausgebleicht vor dem Herrn erschienen, ob uns dann Petrus noch das Himmelsthor öffnen würde? Ob er nicht vielmehr spräche: Ihr seid zwar rein vor den Menschen, aber die Gnade, die ich Euch mitgab, ist auch ausgebleicht. Ich erkenne Euch nicht mehr als die, welche ich aussandte. Vor mir waret Ihr rein, auch in Euren Flecken. Weil Ihr Euch von den Menschen nach deren Wohlgefallen waschen und putzen ließet, so kehret zu ihnen zurück. Mir gehört Ihr nicht mehr an.«
»Da wäre vielleicht etwas dran,« entgegnete die Frau nach einigem Besinnen. »Aber Ihr wißt auch dem Petrus ein X für ein U zu machen, denn das ist Eure Hauptsünde, das Wortverdrehen. Aus Süß macht Ihr Sauer und aus Sauer Süß, je wie's Euch frommt; und was Euch frommt, das macht Ihr zu Gottes Willen. Und was Ihr uns zeigt, ist nicht, was Ihr versteckt habt, und wenn Ihr einen guten Zweck habt, nämlich was Ihr so nennt, o da wißt Ihr zu schwänzeln und mit den Augen zu zwinkern und mit der Zunge zu schlängeln, bis Euch der Teufel auf den Buckel nimmt und hinträgt. Und das ist alles schön und gut um der guten Absicht willen.«
Der Dechant wurde der Mühe zu antworten durch einen kleinen Aufstand überhoben, welchen die Ankunft des Krämers mit seinem Wagen im Lager veranlaßte. Ein Krämer, der seine Waaren auf dem Lande ausbietet, war in jenen Tagen ein willkommener Gast. Wer nicht kaufen wollte oder konnte, freute sich doch am Anschauen der Herrlichkeiten, die ausgekramt, aufgestellt und angepriesen wurden. Der wandernde Krämer war zugleich der Neuigkeitsträger, die Zeitung des Landes. Er wußte auch seine Erzählung zu Gelde zu machen. Aber es bedurfte der Erlaubniß der gnädigen Frau, und sie ertheilte sie nur nach einigem Zögern, denn sie meinte, daß die [15] Kaufleute, wie die Pfaffen, mit ihren Waaren die Leute anführten. Indessen ist es auch für einen so unumschränkten Regenten, als Frau von Bredow in ihrem Lager war, mißlich, gegen den allgemeinen Wunsch ihrer Untergebenen anzustreben; Evchen bat so dringend, Hans Jochem brauchte einen neuen Gurt zu seinem Degen und sie selbst blanke Knöpfe zu einem Etwas, von dem noch viel in unserer Geschichte die Rede sein wird.