Eitelkeit

Ihr bejahrten Eich- und Tannen/ deren dick-umlaubtes Haubt
Diesem Bache Schatten giebet/ ihre Macht der Sonnen raubt/
Wie vergleicht sich euer Stand also wenig mit dem meinen!
Wie so wenig kan der Mensch eurem Wesen ähnlich scheinen!
Hundert Jahre sind verstrichen/ und ihr seyd noch frisch und gantz/
Eure Rind' und Blätter haben noch vollkommen ihren Glantz.
Ich/ bey Leben mehr als todt/ muß dem Rest der Jahre weichen/
Eh ich noch das halbe Theil eures Alters kan erreichen.
Euch muß nutzen/ mehr als schaden der beflammte Sonnen-Schein/
Was der kalte Winter raubet/ bringt der warme Sommer ein;
Ich erfriere/ wenn es kalt; ich verbrenne/ wenn es hitzet/
Weder Lentz noch Winter ists/ welcher mich vorm Tode schützet.
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Ihr erhebet eure Wipffel fast biß an das Sternen-Dach/
Ihr umarmet Lufft und Wolcken/ gebet keinem Sturme nach;
Ich vor Blitz und Donner scheu/ muß das Haubt zur Erden biegen/
Deren offne Schoß für mich machet Raum und Platz zu liegen.
Sind nun mehr als wir die Bäume/ was erhebt sich unser Geist?
Was ist/ daß man in Gedanken über Mond und Sternen reist?
Last uns iede Stund und Tag/ ieden Morgen also leben/
Als wenn auff den Abend wir müsten Gutt und Blutt begeben.

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