Himmelschlüssel oder Geistliche Gedichte

Es ist bey der itzigen sinnreichen und neugierigen Welt die Sprach- nicht weniger als die Blumen-Kunst auff das Höchste gestiegen. Der seines lobwürdigen Zweckes wegen hoch-preißbare Palmen-Orden hat die vornehmsten Gewächse dieser und der neuen Welt untersuchet/ und in seinen Garten versetzet. Was selbige vor Frucht getragen/ lieget an offenem Tage. Man muß bekennen/ daß durch Anleitung seiner Mit-Glieder und Nachfolge vieler andern es dahin kommen/daß alle Länder und alle Zungen unser Teutschland bereichert haben. Die Kunst oder Bemühung hat sich/die Natur selbsten zu übertreffen/ bearbeitet/ und was in fremdem Boden gewachsen/ dem Teutschen erblich machen wollen/ wiewohl mit ungleichem Fortkommen/ indem ein Theil darvon in der ersten Blüte ersticket ist/ ein Theil auff dem fremden Stocke Geruch[4] und Farbe verlohren/ das meiste dennoch wohl geblühet und gefruchtet hat.

Allhier zeigen sich auch einige theils inntheils ausländische Gewächse von unterschiedener Gattung/gleichwie in einem Garten nicht nur hohe Bäume und prächtige Stauden/ sondern auch niedrige Violen und kriechende Demutt angetroffen werden. Rüchen viele hiervon noch nach der ungereinigten Lufft des ersten Frühlings/ so ist man ja gewohnet/ zu selbiger Zeit mit schlechten Blumen für lieb zu nehmen/ und findet hernach die andern desto angenehmer. Die Himmel-Schlüssel (Primulæ Veris) stehen billich voran. Der Herr des Himmels gebe/ daß wir alle den rechten Himmels-Schlüssel finden und ergreiffen.

[4]

Ermunterung zur Andacht beym Erwachen

O' Seele/ werde wach vom Schlaffe deiner Sünden/
Der dich in eine Nacht ohn Ende stürtzen kan.
Nimm keinen falschen Schein zu deinem Führer an/
Und mühe dich das Licht der Ewigkeit zu finden.
Geh nicht den breiten Weg der weltgesinnten Blinden/
Die schnöder Ehre Blitz/ und falscher Freude Wahn
Vom Tugend-Steige führt auff glatter Wollust Bahn/
Den Liebe/ Lust und Schertz die Augen pflegt zu binden.
Erhebe dich im Geist bey das gestirnte Hauß/
Laß Schatten/ Nebel/ Nacht seyn unter deinen Füssen/
Und kläre deinen Sinn mit reiner Andacht aus.
So wird das Licht/ dem Licht und Sonne folgen müssen/
Mit Strahlen seiner Gnad erleuchten deine Sinnen/
Daß du durch finstres Thal wirst sicher wandeln künnen.

Der annotierte Datenbestand der Digitalen Bibliothek inklusive Metadaten sowie davon einzeln zugängliche Teile sind eine Abwandlung des Datenbestandes von www.editura.de durch TextGrid und werden unter der Lizenz Creative Commons Namensnennung 3.0 Deutschland Lizenz (by-Nennung TextGrid, www.editura.de) veröffentlicht. Die Lizenz bezieht sich nicht auf die der Annotation zu Grunde liegenden allgemeinfreien Texte (Siehe auch Punkt 2 der Lizenzbestimmungen).

Lizenzvertrag

Eine vereinfachte Zusammenfassung des rechtsverbindlichen Lizenzvertrages in allgemeinverständlicher Sprache

Hinweise zur Lizenz und zur Digitalen Bibliothek