1831, 9. Februar.


Mit Johann Peter Eckermann

Ich las gestern mit dem Prinzen in Vossens ›Luise‹ weiter und hatte über das Buch für mich im Stillen manches zu bemerken. Die großen Verdienste der Darstellung der Localität und äußern Zustände der Personen entzückten mich, jedoch wollte mir erscheinen, daß das Gedicht eines höhern Gehaltes entbehre, welche Bemerkung sich mir besonders an solchen Stellen aufdrang, wo die Personen in wechselseitigen Reden ihr Inneres auszusprechen in dem Fall sind. Im ›Vicar of Wakefield‹ ist auch ein Landprediger mit seiner Familie dargestellt, allein der Poet besaß eine höhere [5] Weltcultur, und so hat sich dieses auch seinen Personen mitgetheilt, die alle ein mannigfaltigeres Innere an den Tag legen. In der ›Luise‹ steht alles auf dem Niveau einer beschränkten mittlern Cultur, und so ist freilich immer genug da, um einen gewissen Kreis von Lesern durchaus zu befriedigen. Die Verse betreffend, so wollte es mir vorkommen, als ob der Hexameter für solche beschränkte Zustände viel zu prätentiös, auch oft ein wenig gezwungen und geziert sei, und daß die Perioden nicht immer natürlich genug hinfließen, um bequem gelesen zu werden.

Ich äußerte mich über diesen Punkt heute Mittag bei Tische gegen Goethe. »Die frühern Ausgaben jenes Gedichts,« sagte er, »sind in solcher Hinsicht weit besser, sodaß ich mich erinnere, es mit Freuden vorgelesen zu haben. Später jedoch hat Voß viel daran gekünstelt und aus technischen Grillen das Leichte, Natürliche der Verse verdorben. Überhaupt geht alles jetzt auf's Technische aus, und die Herren Kritiker fangen an zu quengeln, ob in einem Reim ein s auch wieder auf ein s komme und nicht etwa ein ß auf ein s. Wäre ich noch jung und verwegen genug, so würde ich absichtlich gegen alle solche technische Grillen verstoßen, ich würde Alliterationen, Assonanzen und falsche Reime, alles gebrauchen, wie es mir käme und bequem wäre, aber ich würde auf die Hauptsache losgehen und so gute Dinge zu sagen suchen, daß jeder gereizt werden sollte, es zu lesen und auswendig zu lernen.«

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