1811, 3. Mai.


Mit Sulpiz Boisserée

Ich komme eben von Goethe, der mich recht kalt und steif empfing; ich ließ mich nicht irre machen und war wieder gebunden und nicht unterthänig. Der alte Herr ließ mich eine Weile warten, dann kam er mit gepudertem Kopf, seine Ordensbänder am Rock; die Anrede war so steif vornehm, als möglich. Ich brachte ihm eine Menge Grüße; »recht schön!« sagte er. Wir kamen gleich auf die Zeichnungen, das Kupferstichwesen, die Schwierigkeiten, den Verlag mit Cotta und alle die äußern Dinge. »Ja, ja! schön! hem, hem!« Darauf kamen wir an das Werk selbst, an das Schicksal der alten Kunst und ihre Geschichte. Ich hatte mir einmal [4] vorgenommen, der Vornehmigkeit ebenso vornehm zu begegnen, sprach von der hohen Schönheit und Vortrefflichkeit der Kunst im Dom so kurz als möglich, verwies ihn darauf, daß er sich durch die Zeichnungen ja selbst davon überzeugt haben würde – er machte bei allem ein Gesicht, als wenn er mich fressen wollte. Erst als wir von der alten Malerei sprachen, thaute er etwas auf; bei dem Lob der neugriechischen Kunst lächelte er; er fragte nach Eick, bekannte, daß er noch nichts von ihm gesehen hatte, fragte nach den Malern zwischen ihm und Dürer und nach Dürer's Zeitgenossen in den Niederlanden; daß wir gerade so schöne Bilder hätten, weil überhaupt die Kunst in Niederland viel edler und gefälliger, als im übrigen Deutschland gewesen, leuchtete ihm ein. Ich war in allen Stücken so billig, wie Du [Melchior Boisserée] mich kennst, aber auch so bestimmt und frei wie möglich und ließ mich gar nicht irre machen durch seine Stummheit oder sein »Ja, ja! schön! merkwürdig!« Ich gab großmüthig meine Gedanken über den Gang der Malerei durch die Einwirkung von Eick zum besten, jedoch mit aller Vorsicht, zugleich aber ließ ich nicht undeutlich merken, daß man eben bei der noch ganz frischen Entdeckung, die wir das Glück gehabt zu machen, seine Gedanken noch nicht gerne ausspreche; ich gab sie auch nur in allgemeinen Zügen. Das ließ er sich alles sehr wohl und behaglich einlaufen. Endlich war von Reinhard die Rede; das Gespräch führte zu unserem gemeinschaftlichen [5] Besitz von Apollinarisberg, von seinen Verhältnissen zur Regierung, zu seiner Frau, sodaß ziemlich das Wesentlichste berührt wurde; das machte den alten Herrn freundlicher, das Lächeln wurde häufiger, er lud mich auf morgen zu Tisch, erinnerte mich noch zum Erbprinzen zu gehen; ich müßte den Herrschaften die Zeichnungen zeigen; er wolle alles schon einleiten.

Ich kündigte ihm Cornelius' Zeichnungen an; das gefiel ihm (ich schickte sie ihm nach Tisch); ich wollte ihm nur mit ein paar Worten sagen, daß sie in altdeutschem Stil seien, aber er wurde abgerufen: es kam ein anderer Besuch, er gab mir einen oder zwei Finger, – recht weiß ich es nicht mehr – aber ich denke, wir werden es bald zur ganzen Hand bringen. Als ich durch's Vorzimmer ging, sah ich ein kleines, dünnes, schwarz gekleidetes Herrchen in seidenen Strümpfen mit ganz gebücktem Rücken zu ihm hineinwandeln.

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