1808, 17. oder 18. November.
Mit Wilhelm von Humboldt
Ich war in Weimar und sah Goethe zwei Tage lang, sprach viel von Ihnen [J. H. Jacobi] mit ihm und soll Sie herzlich von ihm grüßen. Ich fand ihn wohl und, wie Sie ihn kennen, beschäftigt, indeß ziemlich [47] zornig über so manches literarische Unwesen in Deutschland. Er klagt so ernstlich über Anarchie, Formlosigkeit und Mangel an Technik in den neuen Poeten und Autoren, daß es ihn doppelt verdrießt, so viel wahres Talent in ihnen zu finden und zu Grabe gehn zu sehn, und daß er nah daran ist, mancherlei Beschränkungen, die jenseits des Rheins Mode sind, wenigstens nicht sonderlich zu tadeln. Übrigens fährt er fort, um sich her soviel er kann zu wirken und liest z.B. alle Mittwoch Vormittag einem ausgewählten Zirkel, unter dem sich auch die Herzogin befindet, die Nibelungen vor. Mit dem Kaiser Napoleon hat er eine lange Unterredung gehabt über seinen »Werther« und das französische Theater. Über den ersteren, versichert er, habe der Kaiser sehr wahre, frappante und ihm sonst nie vorgekommene Bemerkungen gemacht; das letztere kenne er bis zur Bewunderung genau und habe alle historische und poetische Motive der bekanntesten Stücke bis in ein ungeheures Détail hinein verfolgt. Sehr viel haben wir auch Bettina's erwähnt, die er nachwürden, wie wir, schätzt.
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