1808, 18. December.
Mit Gerhard von Kügelgen
Kügelgen, der (vom 8. December 1808) mehrere Wochen in Weimar sich aufhielt, um Wieland und Goethe zu malen, bildete in dieser Zeit einen sehr schönen Abschnitt ..... Seine Bilder gefielen fast allgemein durch ihr lebhaftes (etwas buntes) Colorit und durch den Ausdruck weit geöffneter strahlender Augen, wodurch er sie zu idealisiren strebte. Von Freund Meyer erfuhr ich [St. Schütze] aber unter der Hand, daß er und Goethe über das Verdienstliche seiner Leistungen dem Publicum gegenüber ganz anderer Meinung waren und in den theatralischen Reizen nicht die rechte Kraft des natürlichen Lebens fanden; sie hielten jedoch mit ihrem Urtheil an sich. Einer eigenen Scene wohnte ich (den 18. December 1808) in der Gesellschaft [bei Johanna Schopenhauer] mit bei, wie Kügelgen Goethen modellirte und, um keine Langeweile auf seinem Gesichte zu sehen, einen Streit mit ihm über die griechische Malerei eröffnete. Daran that er sehr übel. Goethe konnte nicht einmal einen einzelnen Widerspruch gern ertragen, und Disputiren ist ein fortwährendes Widersprechen. Es kreuzten sich daher so viele verdrießliche und zornige Züge durch das Gesicht, daß es ganz den Charakter einer ruhigen Übereinstimmung verlor und wohl nur noch wenig zum Modelliren [233] dienen konnte. Aber was den Inhalt des Gesprächs betraf, da mußte ich in der Stille Kügelgen beipflichten, der es bezweifelte, daß die Griechen in der Malerei die höchste Vollkommenheit und schon den Gipfel der spätern Kunst erreicht hätten. Goethe glaubte daran, weil die Griechen überhaupt so vollkommen gewesen.
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