1808, 14. December.


Mit Friedrich von Müller

Bei Goethe. »Ich studire,« sprach er, »jetzt die ältere französische Literatur ganz gründlich wieder, um ein ernstes Wort mit den Franzosen reden zu können. Welche unendliche Cultur,« rief er, »ist schon an ihnen vorübergegangen zu einer Zeit, wo wir Deutsche noch [231] ungeschlachte Bursche waren. Deutschland ist nichts, aber jeder einzelne Deutsche ist viel, und doch bilden sich letztere gerade das Umgekehrte ein. Verpflanzt und zerstreut wie die Juden in alle Welt müssen die Deutschen werden, um die Masse des Guten ganz und zum Heile aller Nationen zu entwickeln, die in ihnen liegt.«

Hierauf kam er auf J. H. Voß zu sprechen, dessen Charakter sich erst später »versteinert« habe. »Für seine Angriffe in der Recension über ›des Knaben Wunderhorn‹ [Morgenblatt 1808 Nr. 283 f.] will ich ihn auch noch einst auf den Blocksberg citiren.«

Zum Behufe der geschichtlichen Ausarbeitung über die Farbenlehre studirte Goethe die Zeitgeschichte aller einschlagenden großen Schriftsteller. Wie er jene ansah, davon gab er mir eine Probe durch die Einleitung zu Roger Baco's Leben (geb. 1214). »Auf so heiterm Grunde,« setzte er hinzu, »lasse ich nun die Figur selbst hervortreten. Welch eine Welt von Herrlichkeit liegt in den Wissenschaften! Wie immer reicher findet man sie! Wie viel Klügeres, Größeres, Edleres hat gelebt, und wir Zeitlinge bilden uns ein, allein klug zu sein. Ein Volk, das ein ›Morgenblatt‹, eine ›elegante Zeitung‹, einen ›Freimüthigen‹ hat, ist schon rein verloren. Wie hundertmal besser ist die so verschrieene Romanlectüre, die doch eine ungeheuer weite, wenngleich nicht solide Bildung hervorgebracht hat!«

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