1831, 29. März.


Mit Johann Peter Eckermann

Wir sprachen heute über Merck, und Goethe erzählte mir noch einige charakteristische Züge.

»Der verstorbene Großherzog,« sagte er, »war Mercken sehr günstig, sodaß er sich einst für eine Schuld von viertausend Thalern 1 für ihn verbürgte. Nun dauerte es nicht lange, so schickte Merck zu unserer Verwunderung die Bürgschaft zurück. Seine Umstände hatten sich nicht verbessert, und es war räthselhaft welche Art von Negotiation er mochte gemacht haben. Als ich ihn wiedersah, löste er mir das Räthsel in folgenden Worten.

›Der Herzog,‹ sagte er, ›ist ein freigebiger trefflicher Herr, der Zutrauen hat und den Menschen hilft[68] wo er kann. Nun dachte ich mir: betrügst du diesen Herrn um das Geld, so wirkt das nachtheilig für tausend andere; denn er wird sein köstliches Zutrauen verlieren, und viele unglückliche gute Menschen werden darunter leiden, daß einer ein schlechter Kerl war. Was habe ich nun gethan? Ich habe speculirt und das Geld von einem Schurken geliehen; denn wenn ich diesen darum betrüge, so thut's nichts, hätte ich aber den guten Herrn darum betrogen, so wäre es Schade gewesen.‹«

Wir lachten über die wunderliche Großheit dieses Mannes.

»Merck hatte das Eigene,« fuhr Goethe fort, »daß er im Gespräch mitunter he! he! herauszustoßen pflegte. Dieses Angewöhnen steigerte sich wie er älter wurde, sodaß es endlich dem Bellen eines Hundes glich. Er fiel zuletzt in eine tiefe Hypochondrie, als Folge seiner vielen Speculationen, und endigt damit, sich zu erschießen. Er bildete sich ein, er müsse bankrott machen; allein es fand sich, daß seine Sachen keineswegs so schlecht standen, wie er es sich gedacht hatte.«


Note:

1 Vielmehr viertausend Gulden.

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