1831 (?).
Mit Gustav Moltke und dem Sänger Putsch
Ehe ich von Weimar wieder abreiste, versäumte ich natürlich nicht, meinem hohen Gönner Goethe meine Aufwartung zu machen. Ich ging diesmal nicht allein, sondern in Begleitung eines Freundes, des Sängers Putsch, der mich in Weimar besuchte und ein glühender [121] Verehrer Goethes war. Der Greis, huldvoll wie immer, ermahnte mich, nie zu vergessen, daß Bescheidenheit die größte Zierde des Kunstnovizen sei. Ich stellte Goethe meinen Freund vor, dem das Glück, dem Hochgefeierten gegenüberzustehen, aus den Augen leuchtete. Putsch besaß eine sonore, sympathetische Baßstimme und bat um die Gunst, Sr. Excellenz ein Lied vorsingen zu dürfen.
»Was soll ich denn zu hören bekommen, junger Mann?« – »Wenn Ew. Excellenz erlauben, den ›König in Thule‹, componirt von Zelter.« – »Von meinem alten Freund Zelter? Das ist mir ja sehr erfreulich.«
Die schöne Stimme und der Vortrag meines Freundes hatten den geliebten Herrn angenehm erregt; er dankte freundlich, und bat den überglücklichen Sänger, ihn womöglich mit noch einem Liede zu erfreuen. Sogleich sang Putsch das komische Lied: ›Als Noah aus dem Kasten kam‹. Goethe dankte wahrhaft herzlich. Ich kannte den Verfasser dieses Gedichtes nicht, erinnerte mich aber eines ähnlichen humoristischen Gedichtes aus Goethes ›Westöstlichem Diwan‹: ›Hans Adam war ein Erdenklos‹. Ziemlich naiv fragte ich nun: ob Excellenz der Verfasser dieses Gedichtes sei. Goethe antwortete lächelnd: »O nein, mein kleiner Molke! Ich habe mich zwar in meinem Leben viel mit Noah's Getränk beschäftigt, aber seinen Kasten habe ich in Ruhe gelassen.«
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