a.

Ich [Gans] fand alle Gäste schon versammelt; es waren meist diejenigen, die an dem vorigen Tage als Dichter und Anordner des Festes aufgetreten waren. Goethe war im großen Costume, mit allen seinen Orden angethan, und von Frauen nur seine Schwiegertochter und ihre Schwester Fräulein v. Pogwisch gegenwärtig. Als man zu Tisch gehen wollte, nahm Goethe Herrn Dr. Parthey aus Berlin und mich bei der Hand, führte uns zur Tafel, setzte sich zwischen uns und meinte, daß er sich mit Absicht den Platz zwischen den Berlinern vorbehalten habe, die so gütig gewesen wären, [183] gestern an seinem Feste zu erscheinen. In der Nähe eines solchen monumentalen Riesenwerks, wie mein Nachbar war, bedürfte es erst einiger Zeit, um mich von Erstaunen, Befangenheit und anderen erstarrenden Momenten und Einflüssen zu erholen; nach und nach thaute ich auf, endlich fühlte ich mich warm und heimisch, und glaubte nun nicht allein Bescheid auf die an mich gethanen Fragen geben zu müssen, sondern wohl auch bisweilen, freilich verschämt und nicht recht sicher, mit etwas mir Angehörigem hervorzutreten. Das Gespräch wandte sich an diesem Tage auf Personen, namentlich auf solche, die Goethe nahe befreundet waren. Er sprach mit höchster Anerkennung und Liebe von Zelter, dessen Portrait er vor wenigen Tagen erhalten hatte; er fragte nach dessen Schüler Felix Mendelssohn-Bartholdy und prophezeite diesem große Erfolge; endlich redete er auch von Schiller und namentlich von dessen Stücke ›Maria Stuart‹. Auf meine Bemerkung, daß ich die Rolle des Leicester eigentlich niemals hätte gut spielen sehen, und daß sie selbst Wolff, den ich als Schauspieler sonst sehr verehrte, nur mittelmäßig gegeben, erwiederte Goethe, daß diese Rolle ein vorzüglich gut durchdachter Character sei, daß überhaupt ›Maria Stuart‹ zu den besten Schiller'schen Arbeiten gehöre, und daß ihm wohl mancher Schauspieler vorgekommen wäre, der die Rolle des Leicester recht treffend gespielt habe.

Als einige Anwesende die Rede auf das gestrige[184] Erscheinen des Königs von Bayern und auf das Erhebende eines solchen Besuches brachten, meinte Goethe sich zu mir wendend: »Nun, wenn ich mich auch rücksichtlich Preußens nicht einer solchen Ehre zu erfreuen habe, so bin ich doch Ihrem Vaterlande den größten Dank für den Schutz schuldig, den es mir in Beziehung auf mein Eigenthum, daß heißt auf die Herausgabe meiner Werke, gewährt hat.« Er forderte nunmehr seinen Sohn auf, die Urkunde zu holen, in welcher das förmliche Privilegium ausgefertigt sich befand, und die von Sr. Majestät dem Könige und dem Generalpostmeister v. Nagler unterschrieben war. Er hielt dieses Privilegium in einer prächtigen Rolle verwahrt und sagte uns, indem er sie öffnete: »Sehen Sie, das ist der beste Orden!« – Hierauf wurde noch mancherlei über Nachdruck verhandelt, wie wünschenswerth ein allgemeines Gesetz gegen diese offene Wunde aller Autoren sei, und woher es käme, daß nur bestimmte Länder, wie z. B. Preußen, der Ehre theilhaftig seien, ihn in der Gesetzgebung als Unrecht bezeichnet zu haben. – Nachdem die Tafel aufgehoben war, sagte mir Goethe im Weggehen: »Wenn Sie morgen 1 noch in Weimar sind, so kommen Sie und essen Sie mit uns en famille!«

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