1818, 27. August.
Mit Wilhelm Rehbein
Sein Leibarzt war der sehr beliebte Hofmedicus Rehbein. Drastisch in seinen scharfsinnigen Verordnungen war er es auch in keckem Witz, und Goethe schenkte ihm großes Vertrauen, seine besondere Gunst, nahm ihn sogar mit in's Bad. »Eines Morgens« – so erzählte mir der Doctor – »mach' ich meinen gewöhnlichen Besuch und finde ihn bei sehr guter Laune; ein Flasche Wein stand neben ihm, aus dem Mutterfäßchen [345] eines seiner Verehrer. Die Blume hatte offenbar auf seinen Geist gewirkt: alles deutete darauf hin und auf seinen Geburtstag, der doch nicht war; er nöthigte mich sogar auf seine Gesundheit zu trinken. Ich stand und wußte gar nicht, wie ich mir das erklären sollte. Ich versah mich irgend eines spaßigen Einfalls, wie er dergleichen oft zum besten gab. Endlich merkt' ich, wo es hinaus wollte: er hatte sich, drollig genug, selbst mystificirt. Da platzt' ich los: ›Aber Excellenz, Ihr Geburtstag ist ja heute nicht!‹ – ›Was?‹ ruft Goethe: ›Mein Geburtstag wäre nicht?‹ – ›Heute nicht!‹ versicherte ich ihm. – ›Laßt doch einmal sehen!‹ sagte er und schritt ganz gravitätisch auf den Kalender zu, legte ihn dann still hin und kam ernst zurück: ›Nun, da sehe mir einmal einer! Da hab' ich mich heute umsonst – betrunken.‹ – ›Praenumerando!‹ rief ich und mußte gerade heraus lachen.«
Das Kraftwort, das der Großartige statt ›betrunken‹ dabei gebraucht haben soll, will ich auf Rechnung des rundsummigen Erzählers setzen.
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